Die wertvollen Elektronikschrottkunststoffe
Mithilfe verschiedenster Verfahren können Kunststoffe aus Elektronikschrott nach Fraktionen getrennt und zu höheren Anteilen zurückgewonnen werden.
Beim Recycling von Elektro(nik)altgeräten sind vor allem Eisen-, Nichteisen- und Edelmetall-Fraktionen das „Objekt der Begierde“, während die Rückgewinnung und stoffliche Verwertung von Kunststoffen in der Praxis keine große Rolle spielt. Der Grund: Die Verfahrenstechniken sind aufwändig, und die derzeit vorhandenen Sortiermöglichkeiten schöpfen nur bedingt das komplette Rohstoffpotenzial der Kunststoffe aus. Ein hoher Anteil dieser Wertstoffe geht deshalb verloren und wird zum Beispiel thermisch verwertet.
Per Definition besteht Elektro- und Elektronikschrott aus einer Vielzahl unterschiedlicher Geräte. Da im Recyclingbetrieb bei der Aufarbeitung, zum Beispiel von Haushaltskleingeräten, meist keine Materialvortrennung in sortenreine Input-Fraktionen durchgeführt wird, landet diese Mischung aus verschiedensten Geräten in der Zerkleinerungsanlage. Dies führt dazu, dass nach Abtrennung der Metallfraktionen ein Kunststoffgemisch übrig bleibt, das nicht nur aus verschiedensten Kunststoffen besteht, sondern darüber hinaus durch Staub, Holz, Glasstückchen, Restmetalle, Elastomere und andere unerwünschte Verunreinigungen verschmutzt ist.

Kunststoffgemisch aus dem Elektronikschrott nach Zerkleinerung und
Abtrennung der Metallfraktionen (Foto: hamos)
Wo das Recycling noch an Grenzen stößt
Die Aufgabe des Kunststoffrecyclers besteht darin, aus diesem komplexen Gemisch saubere und wieder verwertbare Kunststoff-Fraktionen herzustellen. Wie die Erfahrung zeigt, werden dabei an die Reinheit der Rezyklate besonders hohe Ansprüche gestellt, da sie häufig mit Neuware konkurrieren. Andererseits besteht aber auch die Aufgabe darin, einen möglichst hohen Anteil an sauberen Kunststoffen rückzugewinnen, damit möglichst wenig Gutprodukt verloren geht. Nur wenn ein möglichst hoher Anteil der Wertstofffraktionen rückgewonnen wird, ist das Kunststoffrecycling wirtschaftlich. Beim Recycling muss allerdings beachtet werden, dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht alle Kunststoffe wieder in Verkehr gebracht werden dürfen. Darunter fallen flammgeschützte, bromhaltige Kunststoffe, die nicht wiederverwendet werden dürfen und beim Kunststoffrecycling separat abgetrennt werden müssen. Und darüber hinaus gibt es Kunststoffe wie PC oder PMMA, die nur in geringen Mengen von ein bis zwei Prozent in der Gesamtfraktion enthalten sind. Aufgrund der geringen Menge dieser Kunststoffe lohnt sich das Recycling nur bedingt, da der Aufwand zur Rückgewinnung unter Umständen höher als der mögliche Erlös ist.
Der größte Teil der Kunststoffe im gemischten Elektronikschrott besteht aus PS und ABS sowie PP. Erfahrungen eines Kunststoff-Verarbeitungsbetriebes zufolge machen diese Materialien anteilig etwa 55 Prozent des Eingangsmaterials aus. 40 bis 50 Prozent des Input-Materials sind wirtschaftlich nicht verwertbare Kunststoffe, flammgehemmte Materialien und Störstoffe. Es wird aber daran gearbeitet, diesen Rest durch neue Verfahren zu minimieren und die Ausbeute zu steigen. Beim Kunststoffrecycling spielt zudem die Farbe eine große Rolle: Elektronikschrott-Kunststoffe haben einen besonders hohen Anteil an schwarzen Kunststoffen, der zwischen 60 und 75 Prozent betragen kann – bei Tonerkartuschen sogar über 90 Prozent. Während die Einfärbung eines Kunststoffes mit roter Farbe die Kunststoff-Rohware um bis zu 30 Prozent verteuert, sind die Mehrkosten für einen schwarz eingefärbten Kunststoff minimal.
Bei der Sortierung von Materialien aus dem „gelben Sack“ haben sich optoelektronische Sortiergeräte durchgesetzt, die durch Nah-Infrarot-Erkennung (NIR) in der Lage sind, zum Beispiel Kunststoffflaschen aus PET, PE, PP und anderen Materialien vollautomatisch zu erkennen und die Kunststoffe eindeutig nach Typ zu identifizieren. Mit nachgeschalteten Ausblassystemen ist es möglich, nicht nur komplette Flaschen, sondern auch Flakes und andere Mahlgüter zu sortieren. Allerdings erkennen NIR-Systeme nur helle Kunststoffe – ein Anteil von 20 bis 40 Prozent im Elektronikschrott. Ein zu großer Anteil an wertvollem ABS und PS geht aufgrund der schwarzen Farbe in den Abfall.
Eine Lösung: die elektrostatische Separation
Eine Lösung bietet die elektrostatische Separationstechnik, die bei ABS oder PS-Fraktionen Reinheiten von bis zu 99 Prozent ermöglicht. Die Separation erfolgt dabei unabhängig von der Farbe. Es können also auch komplett schwarz eingefärbte Materialgemische getrennt werden. Der Haken jedoch: Komplexe Gemische, wie sie im Elektronikschrott vorkommen, können nicht ohne weiteres verarbeitet werden. Es muss vor der Elektrostatik eine Vor-Konzentration in der Form erfolgen, dass unerwünschte Kunststoffe, die beispielsweise Flammhemmer enthalten, abgetrennt werden. Zur Kunststoff-Vor-Konzentration aus diesen komplexen Materialgemischen empfiehlt sich daher eine Kombination aus trockenen und nassen Aufbereitungstechniken. Mit trockenen Separationsverfahren ist es möglich, aus grob vorzerkleinerten WEEE-Kunststoffmaterialien, zum Beispiel im Korngrößenbereich kleiner 50 Millimeter, alle unerwünschten Fremdstoffe wie Folien, Stäube, Fasern etc. abzutrennen. Dazu wird eine Kombination aus Windsichtern, Setztischen oder anderen Verfahren eingesetzt. Des Weiteren empfiehlt es sich, die Feinfraktion weitestgehend abzusieben und die unter Umständen im angelieferten Material noch enthaltenen Metallteile zu entfernen. Damit ist das Material ideal vorbereitet für den nächsten Verfahrensschritt: Die nasse Trenntechnik.Beim nassen Trennverfahren kommen hintereinander geschaltete Schwimm-Sink-Becken mit Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte zum Einsatz. Wird in der ersten Stufe eine Dichte von circa 1,08 Kilogramm pro Kubikdezimeter verwendet, schwimmen sämtliche Gutprodukte (PS, ABS PP usw.) aufgrund ihrer geringeren Dichte auf, während alle unerwünschten Fremdstoffe inklusive der flammgehemmten Kunststoffe untergehen und entsorgt werden können. Ein nachfolgender Trennschnitt mit Wasser (Dichte 1,0 kg/dm³) spült nicht nur die restliche Trennflüssigkeit der ersten Separationsstufe ab, sondern ermöglicht auch die Trennung in PP und PE als Schwimmfraktion und PS und ABS als Sinkfraktion. Auf diese Weise können aus einem Gemisch unterschiedlichster WEEE-Kunststoffe die Zielfraktionen PS, ABS, PP und PE als Konzentrate erzeugt werden.
Unerwünschte Fremdstoffe
Allerdings sind diese PS- und ABS-Gemische immer noch mit erheblichen Fremdstoffanteilen verunreinigt. An erster Stelle steht dabei Holz, das beispielsweise von zerkleinerten Lautsprechern, Radiogehäusen, Paletten usw. stammt. Zur Abtrennung der Holzfraktionen haben sich elektrostatische Separatoren vom Typ Corona-Walzen-Scheider bewährt. Hier wird die unterschiedliche Leitfähigkeit zwischen feuchtem Holz und trockenem Kunststoff zur Separation genutzt. Der Kunststoff ist nach diesem Trennschritt praktisch holzfrei. Gleichzeitig werden in diesem Separationsschritt leitfähige Gummianteile abgetrennt.
Abtrennung von PP, ABS und PS
Die Zielkunststoffe ABS und PS liegen im Dichtebereich von 1,05 Kilogramm pro Kubikdezimeter. Bei der Aufbereitung von Kunststoffen aus Elektronikschrott zeigt sich aber, dass in diesem Dichtebereich auch gefülltes Polypropylen liegt (sogenanntes PP20), das aus Festigkeit- oder Kostengründen mit Talkum gefüllt wurde. PP als Beimischung in PS oder ABS ist aber unerwünscht, da die Qualität des Mahlgutes oder Compounds unter diesem beigemischten PP besonders stark leidet.
Die Trennung von ABS und PS ist mit der elektrostatischen Separationstechnik von hamos kein Problem. Man verwendet dazu einen zweistufigen Separationsprozess. In der ersten Separationsstufe wird aus dem in der Schwimm-Sink-Trennung vorkonzentrierten und anschließend getrockneten ABS-PS-Gemisch zuerst eine saubere ABS-Fraktion abgetrennt. Dazu lädt man das Kunststoffgemisch in einer speziellen Einheit selektiv auf. ABS nimmt dabei positive Ladung, die anderen Kunststoffe PS und PP negative Ladung an. Das ABS wird nun durch eine negativ geladene Elektrode aus dem Produktstrom als saubere Fraktion mit Reinheiten von zum Teil über 99 Prozent abgetrennt. Die restliche Fraktion, überwiegend aus PS mit Resten von ABS sowie PP, wird in eine zweite Separationsstufe gegeben und ebenfalls elektrostatisch aufgeladen. Das PS wird durch das Elektrodensystem als saubere PS-Fraktion mit Reinheiten von über 98,5 Prozent abgetrennt. Die zudem erhaltene Mischfraktion aus PS und ABS wird wieder dem Eingangsmaterial zugemischt. Als weitere Fraktion erhält man das gefüllte PP, vermischt mit etwas PS. Die PS- und ABS-Fraktionen sind nach der elektrostatischen Separation weitgehend frei von PP.
Eine Separationsanlage für Kunststoffe aus Elektronikschrott besteht aus zwei elektrostatisch arbeitenden Separatoren Typ hamos EKS in der ersten Stufe. Diese beiden Maschinen arbeiten parallel und können zusammen circa 1.500 Kilogramm pro Stunde separieren. Da der in der ersten Stufe abgetrennte ABS-Anteil ungefähr 50 Prozent vom Input-Material beträgt, kommen in der zweiten Separationsstufe, bestehend aus einem einzelnen Separator vom Typ hamos EKS, nur etwa 750 Kilogramm pro Stunde an. Es können also mit der Anlage hamos KRS mit drei elektrostatisch arbeitenden Geräten 1.500 Kilogramm PS und ABS pro Stunde zweistufig getrennt werden, wobei auch die PP20-Fraktion separat abgetrennt wird. Alle Maschinen sind untereinander durch Becherwerke, Förderschnecken etc. verkettet. Die Abfüllung der getrennten Fraktionen in große Big-Bags ist ebenfalls Standard, sodass die gesamte Separationsanlage vollautomatisch im 24-Stunden-Betrieb an sieben Tagen der Woche laufen kann.
Separation von Elastomeren
Ein großes Problem bei der Aufbereitung von gemischten Kunststoffen aus Elektronikschrott sind Elastomere. Diese treten in Form von Gummi, Silikon, Elastomer-Schäumen etc. auf. Sie haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie bei der Extrusion des Mahlguts nicht aufschmelzen und auch trotz geringer Anteile zu einer Qualitätsverminderung des Fertigproduktes führen. Elastomere müssen also aus dem Mahlgut entfernt werden.
Bei der elektrostatischen Separation der Mischung aus ABS und PS laden sich die unerwünschten Elastomere überwiegend negativ auf. Sie werden also hauptsächlich mit der ebenfalls negativ geladenen PS-Fraktion abgetrennt. Die ABS-Fraktion ist nach der elektrostatischen Separation praktisch gummifrei. Um auch die PS-Fraktion vom Gummi zu befreien, wurde von hamos der Gummiseparator Typ hamos RSS entwickelt. Mit dieser Maschine gelingt es, die unerwünschten Elastomere nahezu vollständig als hochkonzentrierte Abfallfraktion zu separieren. Der zur Separation erforderliche Energieaufwand ist dabei minimal.
Aufbereitung von Tonerkartuschen
Auch die Aufbereitung von Kunststoffen aus Tonerkartuschen lässt sich mit der elektrostatischen Separation durchführen. Nach Zerkleinerung, Entfernung der Tonerreste, Abtrennung der Metallteile und Schwimm-Sink-Trennung zur Konzentration der Kunststoffmaterialien kann eine komplett schwarze Mischung aus PS und ABS gewonnen werden. Dieses Material im Korngrößenbereich kleiner zehn Millimeter wird im ersten Schritt mit dem Corona-Walzen-Scheider Typ hamos KWS vom größten Teil der Elastomere getrennt. Elastomere in Tonerkassetten sind überwiegend leitfähig und können durch Leiter-Nichtleiter-Trennung problemlos abgetrennt werden. Wie Versuche gezeigt haben, erzielt die mehrstufige Separation Gummigehalte im Bereich weniger parts per million. Die Erzeugung sauberer Kunststofffraktionen wie ABS oder PS erfolgt im elektrostatischen Separator vom Typ hamos EKS – unabhängig von der Farbe. Nach Durchlaufen der Aufbereitungsstrecke sind die Mahlgüter ABS und PS so sauber, dass sie wieder zur Herstellung neuer Tonerkassetten eingesetzt werden können.
Quelle: hamos GmbH, www.hamos.com
Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de
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