Schrottmarktbericht: Zenit überschritten?

Erwartungsgemäß erhöhten die deutschen Schrottverbraucher im Berichtsmonat Januar ihre Preise. Allerdings waren die Steigerungen je nach Zeitpunkt des Abschlusses und in Abhängigkeit von der Sorte sowie dem kaufenden Werk unterschiedlich und nicht so hoch, wie einige Marktteilnehmer erhofft hatten. Im Durchschnitt wurden die Preise um 30 Euro pro Tonne angehoben. Die Schrottnachfrage war im Gegensatz zu den Januarmonaten in den vergangenen Jahren gut und nicht nur auf wenige Tage begrenzt.

Sie war allerdings den Produktionstagen der einzelnen Werke angepasst; dennoch verliefen die Verhandlungen bis zur Einigung auf einen Preis zum Teil recht schleppend. Die Verkaufsneigung einiger Händler nahm mit den ausbleibenden Exportmöglichkeiten in Drittländer zu, wobei offensichtlich noch nicht freigesetzte Lagermengen aus dem Vormonat angeboten wurden. Ein klares Marktbild ergibt sich wahrscheinlich frühestens Mitte des kommenden Monats, da die Werke vereint bemüht waren, die Nachlaufmengen vorrangig ausgeliefert zu bekommen.

Bereits Ende Dezember hatten zwei Werke im Westen ein Zeichen gesetzt, als sie ihre Einkaufspreise für die Januarlieferungen um 20 Euro pro Tonne erhöhten. In Ostdeutschland hatte ein Werk gegenüber den vorherigen Monaten einen erhöhten Bedarf und zahlte je nach Sorte 25 bis 38 Euro mehr pro Tonne. Ein weiterer Verbraucher mit gutem Bedarf erhöhte seine Preise um 28 Euro pro Tonne. Möglicherweise sind nicht alle Werke mit den gewünschten Mengen versorgt worden. Dies lag zum Teil an den polnischen Lieferanten, deren Verkaufsmöglichkeiten im eigenen Land attraktiver waren. Zögerlich wurden auch die Werke beliefert, deren Preisvorstellungen unterhalb der Akzeptanzgrenze des Handels lagen. Im Norden und Nordwesten kauften die Werke ebenfalls zu Preisen ein, die je nach Sorte und Zeitpunkt des Abschlusses um 25, 28 beziehungsweise 30 Euro pro Tonne höher als im Vormonat lagen. Der Bedarf war nicht bei allen Werken wie erwartet. An der Saar lagen die Preisanpassungen bei vermindertem Bedarf bei 25 bis 30 Euro pro Tonne höher als im Vormonat. Mit bis zu 25 Euro pro Tonne gab es im Süden und Südwesten die geringsten Preiserhöhungen.

Aufgrund des extremen Niedrigwassers auf den wichtigen Wasserstraßen können bereits verkaufte Schrottmengen nicht zum vereinbarten Termin geliefert werden. Die Binnenwasserschiffe können nur noch mit der Hälfte der eigentlichen Menge beladen werden, und der Kleinwasserzuschlag ist entsprechend gestiegen. Der Frachtraum ist dadurch extrem knapp. Da die Lieferanten versuchen, auf die Schiene und die Straße auszuweichen, schrumpfen auch dort die verfügbaren Kapazitäten zusehends. Insbesondere im Südwesten konnte jedoch ein Verbraucher diese Situation für sich nutzen, indem er auf Mengen per Schiene und Straße zugriff, die ansonsten in Richtung Exporthäfen, Luxemburg oder Italien gelaufen wären.

Deutschland, Basisjahr 2010 = 100, Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis

Nachbarländer
Italienische Verbraucher erhöhten nach zum Teil intensiven Verhandlungen ihre Angebotspreise uneinheitlich um 20 beziehungsweise 30 Euro pro Tonne. Werke, die geringere Preiserhöhungen angeboten hatten, waren zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit, und die anderen begrenzten die Zukaufmengen. Die Nachfrage nach deutschem Schrott war eher verhalten. Es hieß, inländische Lieferanten hätten die Werke gut versorgt. In der Schweiz erhöhten die Verbraucher die Preise für Importschrotte je nach Sorte um 25 bis 32 Euro pro Tonne. Die inländischen Lieferanten erhielten einen Aufschlag von 25 Schweizer Franken pro Tonne. Bei vermindertem Bedarf war die Versorgung der Abnehmer gut. Am Monatsanfang signalisierte der Luxemburger Verbraucher einen hohen Zukaufbedarf und erhöhte die Preise je nach Sorte um etwa 20 bis 35 Euro pro Tonne. Er reagierte damit unter anderem auf die verstärkte Nachfrage in Westdeutschland durch zwei integrierte Werke und ein Elektrostahlwerk. Zusammen haben diese Verbraucher im Januar schätzungsweise 50.000 bis 60.000 Tonnen Schrott zusätzlich nachgefragt. In Belgien stiegen die Preise bei geringem Bedarf um 25 bis 30 Euro pro Tonne an. In Frankreich lag die Preiserhöhung bei 25 Euro pro Tonne, wobei die Belieferung in die nordfranzösische Region stark durch die aufgrund Niedrigwasser eingeschränkten Transportmöglichkeiten gelitten hat. Zum Monatsbeginn stiegen in den Niederlanden in einer kurzen Verkaufsphase die Preise frei Werk um 30 Euro pro Tonne. Danach drückte die ausbleibende Nachfrage aus der Türkei auf die Stimmung. Die Betreiber der Tiefseelager senkten schrittweise ihre Annahmepreise und waren zeitweise nicht im Markt.

Gießereien
Internationalen Presseberichten war zu entnehmen, die Gießereien zögerten wegen der deutlich gestiegenen Roheisenpreise, den Rohstoff zu importieren. Sie bevorzugten stattdessen Schrott. Im Beschaffungsmarkt war dies durch eine deutlich erhöhte Nachfrage nach manganarmen Stanzabfällen in Tiefziehgüte sowie nach Gussspänen zu spüren. Unter Berücksichtigung der Feiertage beschrieb der Handel die Nachfrage der Gießereien als gut, jedenfalls von den Herstellern, die für die Automobil- und Windkraftindustrie produzieren. Bei Verträgen ohne Preisbindung sind die Preise je nach Sorte und Werk um 15 bis 25 Euro pro Tonne gestiegen. Bei einigen Sorten war der Markt angespannt; Preisanpassungen sind im kommenden Monat denkbar.

Preisdruck
Seit dem 5. Januar sind lediglich sechs türkische Zukäufe aus dem Tiefseemarkt bekannt geworden. Die Lieferanten stammten aus dem Ostseeraum, Belgien, den Niederlanden und den USA. Der Preis für die Sorte HMS 1/2 (80:20) ist in dieser Zeit nur leicht gefallen. Da die türkischen Werke im Moment versuchen, Schrott aus küstennahen Regionen zu kaufen, haben sie Bedarf. Sie sind aber nicht bereit, das aktuelle Preisniveau zu akzeptieren, und haben mit ihrer mehr oder minder fehlenden Präsenz im Tiefseemarkt deutlich gemacht, dass sie insbesondere über die Preisvorstellungen der Amerikaner, die bei rund 300 US-Dollar pro Tonne für die Sorte HMS 1/2 (80:20) lagen, nicht gewillt sind, zu verhandeln. Um Absatz generieren zu können, haben türkische Stahlhersteller ihre Betonstahlexportpreise um rund 40 US-Dollar pro Tonne zurückgenommen. Die Kunden reagieren jedoch verhalten, da sie ein weiteres preisliches Entgegenkommen erwarten. Der Presse war zu entnehmen, dass die türkischen Werke Schrottpreise von 260 bis 270 US-Dollar pro Tonne CFR Türkei für angemessen halten. Möglicherweise kommt ihnen die Entwicklung auf dem US-Markt bei ihrer Taktik entgegen, den Druck auf die Lieferanten zu erhöhen. Dort scheinen die Preise im kommenden Monat aufgrund eines gewissen Schrottüberhangs sowie mangelnder Exportmöglichkeiten etwas nachzugeben. Darüber, in welchem Umfang dies der Fall sein wird, wird noch spekuliert.

Positives Marktumfeld im Inland
Die großen Unbekannten für die Preisbildung wie Wetter, Transport und vor allen Dingen die unberechenbaren weltweiten geopolitischen und wirtschaftlichen Einflüsse machen es den Händlern immer schwerer, den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Preis zu finden, um die Ware zu veräußern. Das Marktumfeld im Januar charakterisierte der Handel zudem als sehr anspruchsvoll. Außerdem hat der anhaltende Mangel an Vormaterial dazu geführt, dass im Handel Preise gezahlt wurden, die sich mit den in den Werken zu erzielenden Preisen nicht deckten.

Bei isolierter Betrachtung des deutschen Marktes sollte das positive Marktumfeld durch die zumindest im ersten Quartal weitgehend ausgelasteten Auftragsbücher der Stahlwerke sowie gestiegene Stahlpreise eine gute Schrottnachfrage und eher stabile Schrottpreise garantieren. Unter Berücksichtigung des enormen Einflusses des türkischen Einkaufverhaltens auf das Marktgefüge erwarten die meisten befragten Händler im kommenden Monat eine Seitwärtsbewegung beziehungsweise leicht fallende Preise bis zu 10 oder 15 Euro pro Tonne. Sollte die türkische Seite zudem die gewünschten Abschläge durchsetzen können, werden Preisanpassungen in Europa folgen. Abgesehen davon, ist wegen der uneinheitlichen Preise im deutschen Markt im Januar von Ausgleichsbewegungen auszugehen. Manch ein Marktteilnehmer hält es allerdings für wahrscheinlich, dass die im Februar und vor allen Dingen im März gebrauchten Schrottmengen nicht in dem Umfang zur Verfügung stehen, wie es das Angebotsverhalten des Handels im Januar suggeriert hat.

Redaktionsschluss 20.01.2017, BG-J/bvse

Alle Angaben/Zahlen ohne Gewähr.

Foto: pixabay

(EUR0217S24)

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