Was das Recycling von Elektronikschrott-Komponenten erleichtert

Die Rückgewinnungsrate von strategischen und kritischen Metallen aus Elektro(nik)-altgeräten entspricht nicht dem hohen Ressourcenpotenzial. Die Thermische Konditionierung (Pyrolyse) als Vorbehandlungsmethode verspricht eine bessere Trenn­effizienz der elektronischen Komponenten sowie eine Optimierung des Materials für eine metallurgische Endbehandlung. Auch ermöglicht die Methode die Rückgewinnung von Edelmetallen und Kupfer aus Filterstaub.

Dazu wurden im Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) der RWTH Aachen Verfahren auf aktuelle Problemstellungen untersucht: Im hydrometallurgischen Schritt wird nach Stand der Technik die Rückgewinnung von Aluminium und Eisen durch den Übergang in die Schlackenphase erschwert. Dioxine können bedingt durch in Elektronikschrott enthaltene Flammschutzmittel entstehen, und bei der Laugung und Gewinnelektrolyse gehen viele kritische Elemente wie Tantal und nicht zuletzt Seltene Erden verloren.

Die IME-Vorgehensweise erfasste zwei Stoffströme: Mobiltelefon-Leiterplatten und Filterstaub, wie er bei der Zerkleinerung von Elektronikschrott anfällt. Die Leiterplatten (Polymermatrix mit Fiberglasverstärkung und Schichten aus Metall) wurden vom übrigen Mobiltelefon getrennt, durchliefen einen Pyrolyseschritt und wurden dann gemahlen, um die Bauteile von der Leiterplatten-Oberfläche zu trennen. Anschließend erfolgte eine Siebtrennung in unterschiedliche Größenfraktionen mit dem Ziel einer Aufkonzentrierung. Leiterplatten können bis zu 16 Prozent Kupfer, vier Prozent Zinn-Blei, drei Prozent Eisen und Ferrit, zwei Prozent Nickel, 0,05 Prozent Silber, 0,03 Prozent Gold und 0,01 Prozent Palladium enthalten. Und Tantal liegt oft in Keramik- und Kunststoff-Oberflächen gebunden vor.

Schematischer Aufbau des Pyrolyseversuchsstandes (Grafik: Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling – RWTH Aachen)

Versuchsreihen im Labormaßstab
Der Filterstaub mit hohen Edelmetall-, Kupfer-, Eisen-, oxidischen- und Organik-Anteilen in Form von Kunststoffen wurde ebenfalls pyrolysiert und das entstehende Abgas per FTIR-Analysator gemessen. Dabei galt es, die einzelnen Kunststoffarten mit unterschiedlichen thermischen Eigenschaften zu charakterisieren und einzugrenzen. Der Staub wurde dann mit Zusätzen kompaktiert, um im Schmelzprozess Metalle effektiv rückgewinnen zu können. Nach den Erkenntnissen des IME-Instituts erweist sich die Neuverteilung der Elemente während der Pyrolyse als Vorteil, „da sie einen praktikablen Prozess zur  Dehalogenierung darstellt“. Denn Probleme bereiten die in Elektro(nik)-altgeräten enthaltenen bromierten Flammschutzmittel und halogenierten Flammschutzverbindungen: Während des Pyrolyseprozesses sammeln sich die Halogene – Brom und Chlor – und auch Antimon als Ersatzstoff für halogenierte Flammschutzmittel in den Gas-, Öl- und Feststoffrückständen. Die Nachbehandlung ist aufwändig und kostenintensiv. Bei den Versuchsreihen im Labormaßstab wurde ein mit zwei Rohranleitungen versehener, zylindrisch aufgebauter Pyrolysereaktor in einen Widerstandsofen eingesetzt (zylindrischer Aufbau), mit Argon geflutet und für 90 Minuten auf 530 Grad Celsius aufgeheizt. Die erste Rohranleitung dient dem Zufluss des Schutzgases Argon und stellt eine nicht-reaktive Atmosphäre her, die zweite lässt Pyrolysegas einströmen. Um hier ein frühzeitiges Kondensieren des Abgases zu verhindern, wurde zudem ein auf 180 Grad Celsius beheiztes Abgasrohr angeschlossen: Das Abgas strömt in einen wassergekühlten Kondensator und nicht-kondensierbare Gase werden in einen Nasswäscher zur Abtrennung schädlicher Bestandteile wie Halogene geleitet. Die Abgase aus dem Nasswäscher verbrennen kontinuierlich nach und können mittels FTIR-Abgasanalysator (FTIR) direkt an der Abflussleitung gemessen werden.

Nach Abkühlung des Reaktors wurden die pyrolysierten Leiterplatten in einer Kugelmühle gemahlen, die elektronischen Bauteile von den kupferhaltigen Platten getrennt, die kondensierten Gase sowie die Lösung aus dem Nasswäscher für Analysen gesammelt und das Mahlgut in acht Fraktionen gesiebt – entsprechend der Komponenten in Größen von 0,125, 0,250, 0,5, 1,0, 2,0, 5,0 und 16,0 Millimeter –, mit einer Planetenkugelmühle pulverisiert und zuletzt in drei Fraktionen (<90 µm, 90 bis 200 µm und >200 µm) separiert.

Aufwertung im Sinne von Aufkonzentration
Die Zersetzung der Leiterplatten erfolgt schon bei 400 Grad Celsius. Mit einem Heizwert von 28,1 Megajoule pro Kilogramm eignet sich das in einem wassergekühlten Behälter aufgefangene Pyrolyseöl mit Halogenkonzentrationen von 0,9 Prozent Brom und 0,09 Prozent Chlor als Brennstoff. Auch enthält das Öl pro Kilogramm etwa 213 Milligramm Antimon, das sich rückgewinnen lässt. Die Leiterplattenfraktion größer 16 Millimeter ist nach dem Vibrationssieben nahezu frei von elektronischen Bauteilen. Im Ergebnis ermöglicht die Pyrolyse die Trennung der kupferhaltigen Leiterplattenfraktion von der Metallfraktion, welche die Bauteile enthält, so das IME-Institut. Und die Forscher stellten eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung der Fraktionen fest: Mechanische Teile fanden sich in Fraktionen mit einer Korngröße von zwei Millimeter und mehr. Fraktionen mit einer Korngröße von einem Millimeter und darunter enthielten vor allem Kondensatoren (wie Keramiken und Metalloxide). Den Erkenntnissen zufolge stellt die Pyrolyse mit Masseverlusten von 114,4 Kilogramm pro Tonne Einsatzmaterial einen „wesentlichen Aufwertungsprozess im Sinne der Aufkonzentration wertvoller Metalle dar“. Durch die Senkung des organischen Anteils in den Leiterplatten ergeben sich für den pyrometallurgischen Recyclingprozess einige Vorteile:

■    Eine Überhitzung durch exotherme Organik-Verbrennung lässt sich vermeiden – bessere Kontrolle der Schmelzanlage
■    Deutlich weniger Abgase – große Abgasreinigungsanlagen sind nicht erforderlich
■    Minimierung der Halogenmenge – verhindert Abnutzung des Ofen-Feuerfestmaterials
■    Höhere Auslastung der Schmelzanlage mit WEEE-Materialien

Laut IME lassen sich mittels Pyrolyse Leiterplatten besser vorbehandeln: „Die  Aufkonzentrierung der elektronischen Bauteile in verschiedene Fraktionen erleichtert das Recycling.“ Bei der Pyrolyse des Filterstaubes in der Versuchsreihe mit identischem Versuchsaufbau wurde der Einfluss von Aufheizgeschwindigkeit, Haltezeit und Atmosphäre untersucht, um die optimalen Parameter zu bestimmen. Dabei wurde neben reinem Argon eine Mischung aus Argon und Sauerstoff in die Zelle geleitet. Erkenntnisse über die in den Abgasen enthaltenen Kunststoffarten lieferte eine FTIR-Messung.

Durchgeführt wurden diese Experimente mit einer Einwaage von drei bis fünf Gramm Material. Die Forscher konnten oberhalb einer Temperatur von 200 Grad Celsius die Entstehung von Kohlenwasserstoffen sowie Styrol und Chlorwasserstoff im Abgas nachweisen, was auf die Zersetzung der Kunststoffe Acrylnitril-Butadien-Styrol, Polystyrol und Polyvinylchlorid hindeutete. Durch eine Verdopplung der Aufheizrate von 300 auf 600 Grad Celsius blieb das entstehende Volumen der Kohlenwasserstoffe im Abgas konstant. Die Entstehung von Chlorwasserstoff war erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen. Die Pyrolyse und damit Zersetzung der Kunststoffe bedingte eine deutliche Abnahme des Kohlenstoffs. Das Argon-Sauerstoff-Gasgemisch machte aus der Pyrolyse eine Thermolyse. So führte die Einleitung des Gasgemisches zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration um den Faktor 10 – Kohlenwasserstoffe wurden nur geringfügig freigesetzt. Die enthaltenen Metalle sammelten sich dann im Pyrolyserückstand und konnten nahezu ohne Verluste angereichert werden. Der Rückstand erwies sich als hochschmelzend.

Der Artikel basiert auf den Beitrag „Thermische Konditionierung (Pyrolyse) zur Verbesserung der Rückgewinnbarkeit kritischer Metalle aus Elektro- und Elektronik-Altgeräten“ von Fabian Diaz, Anna Trentmann, Damien Latacz und Bernd Friedrich. Nachzulesen in: Recycling und Rohstoffe, Band 9, hrsg. v. K. J. Thomé-Kozmiensky, TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2016.


Prozess der chemischen und thermischen Zersetzung

Die Pyrolyse spaltet die makromolekulare Struktur von Polymermaterialien in kürzere Moleküle (Monomere oder Oligomere) auf. Die gasförmigen Bestandteile können wiederum in nicht-kondensierbare und kondensierbare Gase aufgeteilt werden. Letztere lassen sich in ein Öl umwandeln, das meist aus Naphtenen, Aromaten, Paraffinen und Olefinen zusammengesetzt ist. Die Art und Weise, in der die Polymere zersetzt werden, enthält mehrere Mechanismen. In den meisten Fällen erfolgt eine Spaltung der Polymerkette (am Ende oder zufällig entlang seiner Länge) und das Abspalten von Seitengruppen oder Elementen, welche nicht fester Teil der Polymerkette sind. Die Art, wie das Polymer zersetzt wird und welche Produkte entstehen, ist bis zu einem gewissen Grad von den Dissoziationsenergien, den Kettenfehlern des Polymers und der Anwesenheit von Additiven wie Halogenen oder Heteroatomen in der Kette abhängig.


Foto: poko42 / fotolia.com

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