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Österreich: „Scheinverwertung“ auf Deponien wird ausgeschlossen

Mit der Veröffentlichung des neuen Bundesabfallwirtschaftsplans (BAWP) definiert Österreich als erster EU-Mitgliedstaat, was „Scheinverwertung“ ist. Damit gibt es erstmalig Anhaltspunkte, wann eine „echte“ Substitution von Roh­stoffen stattfindet und wann nicht.

Der Bundesabfallwirtschaftsplan nimmt Bezug auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2002, das dem Versandstaat zugesteht, die geplante Entsorgungsmaßnahme im Empfängerstaat zu bewerten. Demnach sind gemäß dem österreichischen Gesetzgeber auch die bautechnischen Maßnahmen auf einer Deponie – wie die Errichtung von Zwischenabdeckungen mit Baurestmassen oder die Errichtung von Stabilisierungs- und Trenndämmen – lediglich „Scheinverwertungen“, weil keine Rohstoffsubstitution stattfindet. Diese Maßnahmen sind lediglich kostengünstigere Entsorgungsverfahren im Vergleich zu stofflichen Verwertungsverfahren.

In der Konsequenz wird dies nach österreichischem Recht als Beseitigung eingestuft, unterliegt einer Notifizierungspflicht und damit dem Altlastensanierungsgesetz. Für diese „Scheinverwertung“ ist deshalb die Altlastenabgabe zu entrichten. Manfred Födinger, Geschäftsführer von Scholz Rohstoffhandel in Wien, kommentiert diese Definition wie folgt: „Es ist höchste Zeit, dass wir innerhalb der EU die gleichen Entsorgungsstandards einführen. Nationale Spezialinterpretationen des europä­ischen Abfallrechts führen zur Wettbewerbsverzerrung. Österreich hat die Messlatte nun höher als Deutschland gelegt.“

Mehr Handlungsspielräume eröffnen

Ob der neue Bundesabfallwirtschaftsplan Konsequenzen auch auf aktuelle Notifizierungsverfahren hat, ist derzeit nicht abzusehen. Deutschland befindet sich seit 2014 in einem
Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht EU-rechtskonformer Umsetzung der EU-Abfallhierarchie. So ist die Bundesrepublik dem Vorwurf ausgesetzt, dass die im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelte Hierarchie einer hochwertigen stofflichen Verwertung nicht Rechnung trägt. Gemäß deutschem Recht gibt es meist wirtschaftliche Gründe, von der Hierarchie abweichen zu können. Die jüngst beschlossene Abschaffung der Heizwertklausel – zur Abgrenzung der stofflichen und energetischen Verwertung – stellt einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer unionsrechtskonformen Umsetzung der Abfallhierarchie durch die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrwG) dar. Da sich die Kritik der Europäischen Kommission an der Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie im KrWG nicht nur auf die Heizwertklausel beschränkt, müssen nun weitere Schritte folgen.

Aus Sicht der Vertreter anspruchsvoller Recyclingverfahren bleibt zu wünschen, dass die deutsche Bundesregierung die bestehende Chance ergreift, durch eine konsequente Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie im nationalen Recht Handlungsspielräume für mehr stoffliche Verwertung zu eröffnen. Die „Scheinverwertung“ auf Deponien sei vor dem Hintergrund neuer Vorgaben in Österreich auf den Prüfstand zu stellen, um die Chancengleichheit der Entsorgungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern.

Foto: Andi Karg

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