Stark schwankende Qualitäten beim Altpapier

Für die deinkende Papierindustrie wird es immer schwieriger neues grafisches Papier, zu ökonomisch vernünftigen Bedingungen aus Altpapier herzustellen. Der Kostendruck ist wegen gestiegener Altpapierpreise enorm und das Aufkommen an grafischem Altpapier geht insgesamt zurück.

Zu dieser Erkenntnis gelangte das diesjährige Symposium der Internationalen Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik e.V. (Ingede) am 8. Februar in München. Ein Grund ist das veränderte Konsumverhalten, wie der neue Vorsitzende der Ingede, Thomas Krauthauf, in seinem Vortrag zu den Aktivitäten der Vereinigung verdeutlichte: Die Menschen lesen weniger Zeitungen und Zeitschriften und die Printmedien verlieren gegenüber digitalen Formaten allgemein an Marktanteilen, wobei auch hier die Werbeeinnahmen – ohne die bekanntlich kein Medium finanzierbar ist – rückläufig sind. Stark schwankende und auch mangelnde Sortierqualitäten beim Rohstoff Altpapier stellen die deinkende Papierindustrie vor weitere Herausforderungen.

Über diesbezügliche Erfahrungen eines Herstellers von Hygienepapieren berichtete Anne-Katrin Klar: Das Unternehmen SCA Hygiene Products produziert am Standort Mainz-Kostheim mit 17 Fertigungslinien im Jahr rund 145.000 Tonnen Falthandtücher, Rollenhandtücher und Putzrollen für Krankenhäuser, Arztpraxen, Werkstätten, Restaurants und Hotels. Die Erzeugnisse sind Teil des SCA-Geschäftsbereichs „Away from Home“ und werden unter der Markenbezeichnung „Tork“ vertrieben. Das Werk ist nach ISO 9001 (Qualitätsmanagement), ISO 14001 und EMAS (Umweltmanagement) sowie HACCP (Produktsicherheit) zertifiziert.

„Man muss ständig hinterherregeln“

Den Informationen nach setzt SCA in der Produktion zu 75 Prozent Altpapier der E 643 Sortengruppen 2 (medium grade) und 3 (high grade) ein. Bei den höheren Sorten macht einfach sortiertes Office-Papier der Sorte 2.05.00, das zuerst in einem speziellen Waschschritt von Feinstaub und Aschen gereinigt wird, etwa 40 Prozent aus. Wie Anne-Katrin Klar dazu ausführte, hat die Verfügbarkeit der Sorte deutlich abgenommen. Auch stimmt die Qualität der Eingangsware oft nicht. Der gewünschte Weißgrad am Ende des Produktionsprozesses wird nicht erreicht, und Klebstoff-Anhaftungen stellen sich ebenfalls als Problem in puncto Wirtschaftlichkeit und Effizienz dar. „Klassisches Office-Papier ist immer mehr mit anderen Papierqualitäten durchsetzt“, konstatierte Klar. „Ein Beweis dafür ist der hohe Aschegehalt von 20 bis 40 Prozent. Nur in der Sorte 2.05.00, die wir seit 2014 einkaufen, ist der Aschehalt derart groß. Diese Sorte wird außerdem fast nur geschreddert und zu Ballen gepresst gehandelt, was das Detektieren sortenfremder Bestandteile erschwert.“ Für SCA Hygiene Products ist Schreddern kein Qualitätskriterium, „sondern ein nicht erwünschter Prozessschritt“. Faserverluste durch den speziellen Waschschritt und die Druckfarbenentfernung müssten jedoch in Kauf genommen werden. Bedingt durch den hohen Aschegehalt bei der Altpapiersorte 2.05.00 hat sich dieser Verlust aber laut Klar auf durchschnittlich 38 Prozent erhöht. Und beim Weißgrad „muss man ständig mit der Chemie hinterherregeln“. Die Qualitätsprüfung und -sicherung sei entsprechend aufwändig, weshalb SCA hier die Abläufe automatisieren will. So soll in diesem Sommer eine NIR-Eingangskontrolle auf dem Werksgelände in Mainz-Kostheim eingerichtet werden: Die Papierballen werden bei der Anlieferung auf dem Lkw angebohrt. Eine Sonde wird eingeführt, die dann feuchte Asche- und Kunststoffanteile misst.

Das Projekt wurde nach einem Unfall, der sich bei SCA Hygiene Products ereignete, vorangetrieben: Geliefert wurde Altpapier der Sorte 2.05.00. Nach dem Öffnen der Ballen begann das Material zu qualmen. Ein pestilenzartiger Gestank trat aus, die Feuerwehr wurde alarmiert und Mitarbeiter mussten wegen Beschwerden ins Krankenhaus gebracht werden. Das Unternehmen konnte dann mithilfe von Wärmebildkameras biologische Aktivität aufgrund von enthaltenen Lebensmittelresten in den Ballen feststellen. Hotspots von 30 Grad Celsius wurden hier gefunden. Die Außentemperatur betrug zu diesem Zeitpunkt null Grad.

Verständnisfragen zur DIN SPEC 55700

Welche Probleme Fotobücher beim Recycling bereiten, hatte die Diskussion nach dem Vortrag von Matthias Hausmann von CEWE zum Thema. Das Unternehmen setzt für das Drucken von Fotobüchern Flüssigtoner von HP Indigo ein, die nicht für das Deinking geeignet sind, und will hier künftig andere, nachhaltigere Wege gehen. Andreas Faul von der Ingede reflektierte zuvor den Entwicklungsstand bei Datenbanken und Scorecards zur Rezyklierbarkeit und Deinkbarkeit von Altpapier samt Bewertungsschemata für ISO-Zertifizierungen und Umweltzeichen. So wurde die Deinking-Scorecard, die sich auf die Ingede-Methode 11 (Deinkbarkeitstest für Printprodukte) bezieht und für die ISO-Standardisierung von Bedeutung ist, redaktionell neu aufbereitet und herausgegeben. Ein zweites Bewertungsschema steht für Klebstoffanwendungen zur Verfügung, beschränkt sich aber auf Macro Stickies. Ein verlässliches Bewertungsverfahren für Micro Stickies gibt es derzeit nicht.

Verständnisfragen ergaben sich zur DIN SPEC 55700, die von Peter Hengesbach (Stora Enso) vorgestellt wurde. Im Wesentlichen gilt es nach den ergänzenden Erläuterungen von Andreas Faul, aus der Ingede-Methode 11 eine ISO-Norm zu machen. Die DIN SPEC 55700 dient dabei als Zwischenlösung und versteht sich als Basisdokument, das die Kriterien einer ISO-Norm erfüllt. Gleichzeitig wurden auch einige Verbesserungen vorgenommen. Und wenn die ISO-Norm geschaffen ist, „wird die DIN SPEC wieder verschwinden. Dann hat sie ihren Zweck erfüllt“, kündigte Faul an.

Wenn sich damit Geld verdienen lässt

Im Vortrag von Axel Fischer von Ingede ging es um vernetzte Druckfarben, die sich beim Deinken nur schwer entfernen lassen und Schmutzpunkte hinterlassen. Auch dieses Thema wird die Branche noch beschäftigen, da die Einsatzmengen zunehmen. Anhand mehrerer Beispiele zeigte Fischer, dass die Produkte der Farbenhersteller zwar als nachhaltig, weil entfernbar, beworben werden, aber die Deinkbarkeitstests der Ingede in vielen Fällen nicht erfüllen. Und wie der Experte in diesem Zusammenhang bemerkte, findet Recycling nur statt, wenn sich damit Geld verdienen lässt.

Weitere Referenten auf dem Ingede-Symposium 2017 in München waren Lisa Labriga von der Association of Cities and Regions for Recycling and sustainable Resource management (ACR+), die das von der Europäischen Union geförderte Projekt „ImpactPapeRec“ vorstellte – Gegenstand der Untersuchungen sind die unterschiedlichen Erfassungsquoten von Altpapier in den EU-Mitgliedstaaten –, und Sylvain Lhôte von der CEPI in Brüssel, der auf die „Roadmap 2050“ der europäischen Papierindustrie einging. Manfred Geistbeck (UPM) und Manuela Suttnig (Redwave) informierten schließlich über den Stand bei Sortiertechniken.

Foto: O. Kürth

(EUR0417S36)

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