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Sag, wo die Altautos sind! Wo sind sie geblieben?

Eine Arbeitsgruppe hat jetzt den Verbleib von Altfahrzeugen statistisch untersucht.

Im Jahr 2013 wurden laut Umweltministerium und Umweltbundesamt geschätzte 3,26 Millionen Pkw in Deutschland endgültig stillgelegt. Davon wurden nachweislich 1,23 Millionen als Gebrauchtfahrzeuge in andere EU-Staaten und 0,34 Millionen in Nicht-EU-Staaten exportiert; hinzukommen laut Abfallstatistik 500.000 Altfahrzeuge. Statistisch nicht erfasste Exporte, gestohlene Fahrzeuge oder solche, die auf nicht-öffentlichem Gelände genutzt werden, summieren sich als „sonstige“ auf 1,18 Millionen Pkw. „Wo sind diese Fahrzeuge geblieben?“ wollte eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der Ökopol GmbH und des Wuppertal-Instituts wissen.

Werden Fahrzeuge außer Betrieb gesetzt, so unterscheidet die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nicht, ob dies vorübergehend oder endgültig geschieht. Bislang ging man davon aus, dass rund 40 Prozent – 3,26 Millionen Pkw – zur Gruppe der endgültig stillgelegten Fahrzeuge gehört. Aufgrund einer neuen Analyse des Bundesamtes muss diese Zahl revidiert werden: Vier Prozent der Fahrzeuge wurden mehrmals im Jahr außer Betrieb gesetzt, tauchten in der Statistik also doppelt auf. Zudem betrachtete das KBA neben Pkw (8,15 Millionen Fahrzeuge der Klasse M1 mit einer Außerbetriebssetzungsquote von 33,3 Prozent) auch leichte Nutzfahrzeuge (0,36 Millionen Fahrzeuge der Klasse N1 mit einer Außerbetriebssetzungsquote von 41,4 Prozent). Die sich daraus ergebende, deutlich niedrigere Durchschnittquote inklusive einer Vier-Prozent-Korrektur reduzierte damit die Zahl der endgültig stillgelegten Fahrzeuge auf rund 2,75 Millionen.

Exporte deutlich höher

Was die Gebrauchtwagenexporte in EU-Nachbarländer in Höhe von 1,23 Millionen Fahrzeugen anlangt, so summiert sich deren Anzahl aus der Regina-Wiederanmeldungsstatistik und der Intrahandelsstatistik einiger Mitgliedstaaten. Nachdem das KBA den Vollständigkeitsgrad der verfügbaren Regina-Daten abgeschätzt und durch andere Informationen erweitert hatte, musste diese Zahl für 2013 um etwa 140.000 erhöht werden.  Gebrauchtwagenexporte in Nicht-EU-Nachbarländer dokumentiert die Außenhandelsstatistik. Um die bisherige Datenbasis zu verbessern, wurden die Gebrauchtwagen- und Wohnmobil-Ausfuhren in Höhe von 344.551 durch die Exporte von Gebraucht-Lkw bis fünf Tonnen, die größtenteils der N1-Fahrzeugklassen angehören dürften, erweitert. Die aktualisierte Ausfuhrmenge liegt daher um 41.157 Fahrzeuge höher und beträgt 385.708.

290.000 anstatt 1,18 Millionen Pkw

Die Daten des deutschen Zolls unterscheiden sich leicht von der Außenhandelsstatistik und kommen auf 374.030 M1- und N1-Fahrzeuge. Allerdings zeigen sie, dass 62 Prozent der ausgeführten M1-Fahrzeuge und 18,3 Prozent der N1-Fahrzeuge dem sogenannten einstufigen Ausfuhrverfahren unterliegen und daher von der deutschen Zollstatistik nicht systematisch erfasst werden. Am Beispiel der Ausgangsstelle Hafen Antwerpen lässt sich für 2013 eine Nichterfassung von mindestens 116.732 M1-Gebrauchtfahrzeugen nachweisen, die vergleichbare Lücken auch andernorts vermuten lässt. Die Arbeitsgruppe hat daher die Außenhandelsstatistik um rund 210.000 exportierte Fahrzeuge nach oben korrigiert. Damit erhöht sich die Anzahl der in Nicht-EU-Länder ausgeführten Fahrzeuge auf etwa 590.000.

In der Gesamtrechnung ergeben sich für das Jahr 2013 damit 2,75 Millionen Außerbetriebssetzungen, die sich nach 0,5 Millionen Altfahrzeugen, 1,37 Millionen EU-Exporten und 0,59 Millionen Ausfuhren in Nicht-EU-Länder aufschlüsseln. Die Zahl der Fahrzeuge mit nicht genauer geklärter Verwendung reduziert sich somit auf 290.000.

Auch innerhalb Deutschlands „verschwunden“

Für den Verbleib dieser Fahrzeuge außerhalb Deutschlands gibt es mehrere Szenarien. Sie könnten als Gebrauchtfahrzeuge exportiert und nicht wieder angemeldet beziehungsweise entsorgt worden sein, was jedoch die Notifizierung nach EU-Abfallverbringungsverordnung erschwert. Sie könnten durch Unfall im Ausland zum Altfahrzeug werden und dort verbleiben. Oder sie könnten in osteuropäische Länder verbracht worden sein und dort ohne Wiederzulassung beispielsweise als Ersatzteil-Lager dienen.

Für „sonstige“ Altfahrzeuge innerhalb Deutschlands besteht die Möglichkeit, dass sie in einem anerkannten Demontagebetrieb demontiert, aber statistisch nicht erfasst sind. Eine Größenordnung von 20.000 Fahrzeugen schätzt die Arbeitsgruppe als realistisch ein. Eine Umfrage unter anerkannten Demontagebetrieben ergab aber auch, dass eine Reihe von Autoverwertern aktiv ist, die ohne die erforderliche behördliche Anerkennung operieren. Als Betreiber werden hauptsächlich Hinterhofwerkstätten, Autohändler, Reparaturbetriebe oder Privatpersonen benannt. Deren Fahrzeugdurchsatz gilt als im Einzelnen relativ gering, in Masse aber als relevant. In der Hauptsache soll den Angaben nach der Absatz von Ersatzteilen an Schrotthändler, aber auch zertifizierte Demontagebetriebe und Shredder gehen. Die Menge der letztlich im Internet angebotenen Ersatzteilen lässt sich zwar über dortige Verkaufsplattformen erfahren; die Zahlen geben aber keinerlei Hinweise auf Herkunft und Absatzrouten. Insgesamt wird der Verbleib von Restkarossen in Deutschland auf 130.000 geschätzt.

Verbindliche Abgrenzungen vorgeben

Die Arbeitsgruppe hat daher eine Reihe von Empfehlungen unterbreitet, wie die statistische Datenerfassung und damit die Lokalisierung von Erfassungslücken optimiert werden kann. Nicht von ungefähr trug ihr Projekt den Titel „Entwicklung von Lösungsvorschlägen, einschließlich rechtlicher Instrumente, zur Verbesserung der Datenlage beim Verbleib von Altfahrzeugen“. Zu den Vorschlägen gehören eine alle drei Jahre erneute Bestimmung der endgültigen Außerbetriebssetzungsquoten, die baldige Einführung der automatisch übermittelten Wiederanmeldungsdaten durch das „European Car and driving License Information System“ – kurz: Eucaris – und die Umsetzung eines modernen IT-Systems im Zuge der Umsetzung des modernisierten EU-Zoll-Kodexes.

Es wird ein geändertes Zulassungs- und Außerbetriebssetzungssystem vorgeschlagen, das ununterbrochen Informationen über den aktuellen Fahrzeughalter bis zum Verwertungs- oder Export-Nachweis enthält. Die Verwertungsnachweise von Demontagebetrieben sollten direkt an das Zentrale Fahrzeugregister gehen. Der Vollzug gegen nicht anerkannte Demontage von Altfahrzeugen sollte gestärkt und unterstützt werden. Und schließlich müssten zur Trennung von Gebraucht- und Altfahrzeugen für die Praxis verbindliche Abgrenzungen vorgegeben werden, vergleichbar den Mindestanforderungen an die Verbringung von Elektroaltgeräten in der WEEE-Richtlinie.

Der Artikel ist eine Zusammenfassung von „Klärung des Verbleibs von außer Betrieb gesetzten Fahrzeugen“, erschienen in: Karl J. Thomé-Kozmiensky, Daniel Godmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 190, Neuruppin 2017, ISBN 978-3-944310-34-3.

Foto: Marc Weigert

(EUR0517S14)

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