- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Phosphat-Rückgewinnung und die Frage nach der besten Methode

In der Gesamtbetrachtung präsentieren sich die verfügbaren Ansätze zur Phosphat-Rückgewinnung mit unterschiedlichen Kosten, aber auch unterschiedlichen Nutzen für die Umwelt.

Anfang März hat der deutsche Bundestag die Pflicht zur Phosphat-Rückgewinnung aus Klärschlämmen beschlossen. Vor einem Vierteljahr verabschiedete auch der Schweizer Bundesrat eine Verordnung, die die Rückgewinnung von Phosphor aus Abfällen wie Klärschlamm und Tier- und Knochenmehl verbindlich vorschreibt. Grund genug für das Schweizer Bundesamt für Umwelt, eine gesamtheitliche Beurteilung für Technologien zur Phosphat-Wiedergewinnung vornehmen zu lassen und zu veröffentlichen. Aus heute bekannten Technologien wählte die Studie jene aus, deren Umsetzung innerhalb der vorgeschriebenen Übergangsfrist von zehn Jahren für die Schweiz realistisch erschien. 20 in Frage kommende Technologien wurden sieben Bewertungsdimensionen unterzogen und über 14 Kriterien beziehungsweise 25 Unterkriterien differenziert. Dabei kristallisierten sich fünf Verfahrensgruppen heraus: (1) Kristallisation aus Klärschlamm beziehungsweise Schlammwasser, (2) Säure-Aufschluss von Klärschlamm mit anschließender Kristallisation, (3) thermochemischer Aufschluss von Klärschlamm, (4) Säure-Aufschluss von Klärschlamm-Asche sowie (5) thermochemischer Aufschluss von Klärschlamm-Asche.

1. Kristallisation aus Klärschlamm/Schlammwasser

Die Verfahren greifen auf Klär- oder Faulschlamm vor der Entwässerung beziehungsweise auf Schlammwasser nach der Klärschlammentwässerung zu. Dem im wässrigen Medium gelösten Phosphor und Stickstoff wird Magnesium zugegeben, unter pH-Anhebung in einem Rühr- oder Wirbelschichtreaktor zu Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP, „Struvit“) kristallisiert und schließlich ausgetragen. Die für den Klärschlamm geeigneten Verfahren sind Airprex, Ekobalans und NuReSys; zu den Schlammwasser-Verfahren zählen Crystallactor, NuReSys, Ostara Pearl und Struvia. Rund 40 bis 60 Anlagen sind in Europa, Nordamerika und Asien in Betrieb. Alternativ kann aus dem Schlammwasser durch Zugabe von Calcium auch Calciumphosphat ausgefällt und ausgetragen werden. Der Restschlamm lässt sich mit konventionellen Mitteln verwerten.

2. Säure-Aufschluss mit anschließender Kristallisation

Diese Technologien schließen den Klärschlamm mithilfe von Säure auf, um Phosphor in Lösung zu bringen. Das Carbonic Acid Verfahren (Budenheim-Verfahren) kommt vor der Entwässerung des Klärschlamm zum Einsatz. Dazu wird Kohlensäure unter Druck eingesetzt, die im Prozess weitgehend rückgewonnen wird; Schwermetalle werden durch Kohlensäure nicht gelöst und gelangen nicht ins Produkt, das aus Calciumhydrogenphosphat besteht. Bei den übrigen Verfahren, die nach der Entwässerung des Klärschlamms zum Einsatz kommen, wird Schwefel- oder Salzsäure eingesetzt und im Prozess weitgehend verbraucht. Auch hier löst die Säure Schwermetalle ab, die sich durch Komplexbildung und sequentielle Fällung entfernen lassen. Das resultierende Endprodukt des Gifhorner Verfahrens oder des Stuttgarter Verfahrens ist Struvit. Auch hier kann nach Ende des Recyclingvorgangs der Schlamm mit konventionellen Methoden weiterverwertet werden.

3. Thermochemischer Aufschluss von Klärschlamm

Bei diesen Verfahren ist nach der energetischen Verwertung von getrocknetem Klärschlamm und Tier- und Knochenmehl das Phosphat in Asche beziehungsweise Schlacke gebunden und wird anschließend so weit als möglich aufgeschlossen. Das Pyreg- und das Susteen-Verfahren setzen relativ niedrige Temperaturen von 650 bis 700 Grad Celsius ein, um eine Phosphat-haltige Schlacke und ein Calcium-Silicium-haltiges Mischphosphat zu erzielen. Die Mephrec- und Kubota-Prozesse nutzen eine Schmelze von über 1.250 Grad Celsius, bei der sich Phosphat-haltige Biokohle und ein Calcium-Aluminium-haltiges Mischphoshat entwickeln. Durch die hohen Temperaturen lassen sich Schwermetalle abscheiden, wobei flüchtige Metalle evaporiert werden und nichtflüchtige eine Metallschmelze bilden.

Die Energieausbeute fällt geringer als die einer modernen Schlammverbrennungsanlage aus. Während mehrere großtechnische Anlagen mit Kubota-Technologie in Japan ihren Betrieb aufgenommen haben, stehen für  Mephrec, Pyreg und Susteen Demonstrationsanlagen im deutschsprachigen Raum zur Verfügung.

4. Säure-Aufschluss von Klärschlammasche

Bei diesem Recycling-Typ kamen fünf Verfahren in die engere Auswahl, die alle auf einen Rohstoff zurückgreifen: Asche. Sie sollte aus der Monoverbrennung von Klärschlamm, Tiermehl oder Biomasse stammen, um einen hohen Phosphatgehalt zu gewährleisten. Die Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich der Phosphat-Abscheidung durch Säure oder Fällmittel, dem Recyclingprodukt und der Schwermetallabscheidung. Reco-Phos, das als einziges Verfahren auf jegliche Schwermetall-Abreicherung verzichtet, resultiert in einem hohen Gehalt an Mono- oder Dicalcium-Mischphosphaten. Mithilfe der EcoPhos-Technologie liefert eine großindustrielle Anlage in Dunkirchen – je nach Verfahrensführung – Dicalciumphosphat oder Phosphorsäure. Während LeachPhos ein Kalzium-Aluminium-Mischphosphat produziert, sind TetraPhos und LeachPhos /ZAR für die Gewinnung von Phosphorsäure geeignet.

5. Thermochemischer Aufschluss von Klärschlammasche

Auch diese Verfahren beruhen auf der thermochemischen Verwertung von phosphorreicher Asche aus der Mono-Verbrennung von organikhaltigen Reststoffen. In einer Pilotanlage in Leoben setzt ASH-DEC Temperaturen von rund 950 Grad Celsius und ein Alkalisalz ein, um Phosphor aufzuschließen und flüchtige Schwermetalle wie Arsen, Cadmium, Quecksilber und Zink abzureichern. Als Endprodukt entsteht Calciumhydrogenphosphat. Hingegen bringt RecoPhos P4 – ebenfalls im Pilotbetrieb in Leoben – Phosphor und flüchtige Schwermetalle in die Gasphase. Die Schwermetalle werden aus dem Gas abgetrennt, der resultierende elementare Phosphor kann zu Phosphorsäure hydrolisiert werden. Übrig bleibt Schlacke, die sich zum Zement-Zuschlagstoff eignet.

15 bis 90 Prozent  Extraktionsgehalt

Die Beurteilung der „besten“ Technologie zur Rückgewinnung von Phosphaten fällt schwer, da sie unterschiedliche Medien – Schlammwasser, entwässerten oder getrockneten Klärschlamm und Verbrennungsasche – und unterschiedliche Behandlungsweisen – nasschemisch und thermochemisch – miteinander zu vergleichen hat. Legt man dabei den Schwerpunkt auf den Extraktionsgehalt, so variiert dieser von rund 15 Prozent bei Ausfällverfahren aus wässrigen Medien bis zu über 90 Prozent bei thermochemischen Extraktionsverfahren wie ASH DEC, Pyreg und Susteen. Was die Entsorgungssicherheit anlangt, so schneiden die Verfahren der Gruppe (1) am besten ab, da sie keine weiteren Abfälle verursachen, eine vergleichsweise einfache Verfahrensführung benötigen und Struvit als Rohphosphat-Ersatz für die Düngerindustrie liefern – im Gegensatz zur den thermochemischen Verfahren der Gruppe (3) zum Aufschluss von Klärschlämmen, die hochkomplex ablaufen, problematische Sonderabfälle hervorbringen und mit einem schwierigen Absatz der Produkte konfrontiert sind.

Deutliche Unterschiede zeichnen sich auch ab in der Kompatibilität der Technologien mit Infrastrukturen wie Abwasserreinigung,  Klärschlammentsorgung sowie regionalen Gegebenheiten. So erscheinen – bezogen auf die Entsorgungslandschaft der Schweiz – die Technologien der Gruppe (2) als hochgradig integrierbar, da sie unabhängig von bestehenden Klärschlamm-Mengen und Verwertungsrouten wie Müllverbrennungsanlagen, Schlammverbrennungsanlagen oder Zementwerken eingesetzt werden können. Prinzipiell gilt dies auch für die Verfahrenstypen der Gruppe (1), die mit den Prozessen der in der Schweiz betriebenen Abwasserreinigungsanlagen aber nicht kompatibel sind. Von den Technologien der übrigen drei Gruppen sollen insbesondere jene mit Klärschlamm-Mitverbrennung von Vorteil sein, da ihre Rauchgase zur Klinkerherstellung in der Zementindustrie oder zur Energiegewinnung in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden können.

Investitionskosten versus Produkterlöse

Selbstverständlich unterscheiden sich auch die Kosten der verschiedenen Technologien erheblich. So liegt beispielsweise der Investitionsbedarf für Anlagen der Gruppe (1) niedrig bei gleichzeitig vergleichsweise hohen Erlösen aus dem Produktabsatz. Der Carbon Acid Process zeichnet sich durch geringere Investitions- und Betriebskosten aus, wirft aber auch nur schwache Erlöse ab; die beiden anderen Verfahren der Gruppe (2) benötigen hohe Investitions- und laufende Kosten und erwirtschaften wenig Gewinn. Hohen Investitionskosten für die thermochemischen Aufschlussverfahren für Klärschlämme der Gruppe (3) stehen geringe Produkterträge gegenüber. Die Technologien der Gruppe (4) zeigen ein uneinheitliches Bild. Die beiden Verfahren der Gruppe (5) benötigen gemäßigten Investitions- und Betriebskostenbedarf, der bei ASH DEC mit niedrigen Produkterträgen honoriert wird, bei RecoPhos P4 jedoch hohe Erlöse erzielt.

In der Gesamtbetrachtung präsentieren sich die verfügbaren Ansätze zur Phosphat-Rückgewinnung mit unterschiedlichen Kosten, aber auch unterschiedlichen Nutzen für die Umwelt. Die Frage nach der „besten“ Methode lässt sich damit nicht beantworten. Denn es kommt – wie die Studie resümiert – darauf an, wie viel einem Land die Ökologie wert ist. Dazu müssen andere Parameter zu Rate gezogen werden.

Die Studie steht unter www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/abfall/externe-studien-berichte/Beurteilung%20von%20Technologien%20zur%20Phosphor-Rueckgewinnung.pdf.download.pdf/EBP-Bericht_P-Technologien.pdf [1] zum Download bereit.

Foto: cpt212 / fotolia.com

(EUR0517S30)

[2]

Anzeige