Nach zähem Ringen: Neues Verpackungsgesetz passierte Bundesrat

Das Verpackungsgesetz hat die letzte parlamentarische Hürde genommen und wird am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen haben die Länder den Kompromiss akzeptiert, den das Bundesumwelt­ministerium erarbeitet hatte.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks begrüßte die Entscheidung des Bundesrats als einen Sieg der Vernunft. Der Bundestagsabgeordnete der Südpfalz, Dr. Thomas Gebhart, glaubt, dass nun deutlich mehr Abfälle recycelt werden. Neue Kontroll- und Organisationsstrukturen stärkten den Wettbewerb und sorgten für faire Rahmenbedingungen. Und die Rechte der Kommunen seien gestärkt worden: Sie hätten nun mehr Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten bei der Sammlung des gelben Sacks oder der gelben Tonne.

Deutlich höhere Recyclingquoten

Die von Industrie und Handel finanzierten dualen Systeme müssen künftig deutlich höhere Recyclingquoten für die bei ihnen lizenzierten und von ihnen erfassten Verpackungen erreichen. So steigt zum Beispiel die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von bisher 36 Prozent bis zum Jahr 2022 auf 63 Prozent. Bei Verpackungsmaterialien aus Metallen, Glas und Papier werden die Quoten auf 90 Prozent erhöht. Außerdem sind bei den Lizenzentgelten der dualen Systeme ökologische Aspekte stärker zu berücksichtigen. Hersteller sollen somit Anreize erhalten, bei der Gestaltung von Verpackungen das Recycling zu berücksichtigen. Von den hohen Anforderungen sollen auch spürbare Impulse zur Abfallvermeidung ausgehen. Zudem werden Mehrwegverpackungen gefördert. Bei Getränkeverpackungen wird ein Mehrweganteil von 70 Prozent angestrebt. Dazu sollen eine Hinweispflicht an den Getränkeregalen sowie die Ausweitung der Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen, zum Beispiel auf Fruchtschorlen, beitragen.

Die Entsorgung im Wettbewerb soll zudem für Effizienz und – im Interesse der Verbraucher – für niedrige Kosten sorgen. Um einen fairen Wettbewerb und einen konsequenten Vollzug zu gewährleisten, wird eine Zentrale Stelle eingerichtet, die von den Produktverantwortlichen, das heißt von Handel und Industrie, finanziert wird. Die Zentrale Stelle dient als Registrierungs- und Standardisierungsstelle. Wie die örtliche Sammlung durchgeführt wird, bestimmen die Kommunen. Sie entscheiden zum Beispiel darüber, ob in Tonnen gesammelt wird oder in Säcken. Sie entscheiden auch, wann und wie oft abgeholt wird und ob sie weitere Abfälle aus Kunststoff und Metall gemeinsam mit den dualen Systemen in einer Wertstofftonne sammeln wollen. Eine Verständigung auf ein Wertstoffgesetz, das bundesweit die verpflichtende Einführung von Wertstofftonnen vorsah, war zwar nicht möglich. Wenn die Kommunen das wollen, können die Bürger nun jedoch auf der Grundlage des Verpackungsgesetzes flächendeckend Wertstofftonnen bekommen.

Einige Stimmen aus der Branche

„Die Entscheidung des Bundesrates, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen und damit das Verpackungsgesetz nicht mehr aufzuhalten, war gut und richtig“, zeigte sich bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock erleichtert. „Die Recyclingquoten sind deutlich erhöht worden. Das ist ein gutes Signal für alle Kunststoffrecycler in Deutschland.“ Entscheidend sei nun, dass die Zentrale Stelle für faire Rahmenbedingungen sorgt, sodass die mittelständischen Unternehmen der Branche sich auch weiterhin aktiv im Markt engagieren können. „Nur mit einem starken Mittelstand, der für tragfähige und nachhaltige Marktstrukturen sorgt, kann die Kreislaufwirtschaft weiter vorangetrieben werden. Mit der Verabschiedung des Verpackungsgesetzes ist eine wichtige Weichenstellung vorgenommen und eine Perspektive für die Zukunft geschaffen worden“, betonte Rehbock. Für Übermut oder gar Überheblichkeit gebe es aber keinen Anlass. Es komme darauf an, dass die Schützengräben verlassen werden und man nun gemeinsam konstruktiv und in praktischen Schritten die Kreislaufwirtschaft im Bereich der Leichtverpackungen optimiere. „Darüber hinaus bleiben die Themen Sortierqualität, Förderung der Verwendung von Recyclingprodukten und Überregulierung auf unserer Agenda“, versprach Rehbock.

Die BDSV wertet die Abstimmung im Bundesrat als einen Akt der politischen Vernunft. Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Cosson: „Wäre der Vermittlungsausschuss angerufen worden, hätte man wohl vom Scheitern des Gesetzes in dieser Legislaturperiode ausgehen müssen. Angesichts des vehementen Ringens, das uns etliche Monate in Atem gehalten hat, wäre dies auf eine Blamage für sämtliche politische Akteure herausgelaufen. Dass die Kommunalisierung der Entsorgung von Verkaufsverpackungen und die Ausweitung auf Nichtverpackungen aus Metall verhindert worden ist, nehmen wir mit Genugtuung zur Kenntnis. Gewerbliche Schrottsammlungen werden damit in ihrer Bedeutung gestärkt. Die Notwendigkeit, in der kommenden Legislaturperiode das Fass Wertstoffgesetz erneut aufzumachen, sehen wir nicht. Die Politik sollte zunächst alles daran setzen, dass das neue Verpackungsgesetz eine Erfolgsgeschichte wird.“

Der BDE hält die Recyclingquoten für ambitioniert. Auf der Zentralen Stelle ruhten einige Hoffnungen: „Sie wird noch zeigen müssen, ob es gelingt, fairen Wettbewerb auch durchzusetzen.“ Nicht geregelt wurde nach Ansicht des BDE, unter welchen Voraussetzungen die dualen Systeme die Fortsetzung bestehender Sammelaufträge gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgern verlangen müssen, wenn bestehende Abstimmungsvereinbarungen geändert werden. Dies könnte für alle Unternehmen, die ein Angebot abgeben, zu unabsehbaren Kalkulationsrisiken führen, insbesondere wenn die Kommunen im jeweiligen Ausschreibungsgebiet von der im Verpackungsgesetz angelegten Möglichkeit Gebrauch machen, Abstimmungsvereinbarungen zu erneuern oder Rahmenvorgaben zu erlassen. Abstimmungsvereinbarungen sind nach dem Verpackungsgesetz ab dem 1. Januar 2019 möglich, neue Rahmenvorgaben können ab dem 1. Januar 2020 wirksam werden. BDE-Geschäftsführer Dr. Andreas Bruckschen: „Im Einzelfall kann das bedeuten, dass für 2020, dem letzten Jahr der Leistungserbringung, eine Umstellung in der Gefäßstellung von Sack und Tonne verlangt wird. Wir empfehlen daher allen betroffenen Unternehmen, für diese Fälle spätestens im Vergabegespräch eine Klarstellung herbeizuführen. Nur so können unkalkulierbare Risiken für den Bieter sicher ausgeschlossen werden.“

Laut Dr. Carl Dominik Klepper, dem Vorstandsvorsitzenden der AGVU, bringt das Verpackungsgesetz deutlich höhere Recyclinganforderungen und stärkt die Kreislaufwirtschaft. Mit der Verabschiedung habe die Wirtschaft nun endlich Investitionssicherheit. Sortier- und Recyclingtechniken würden einen Innovationssprung machen: „Im Gesetzgebungsprozess hatte sich die AGVU für ein Festhalten an der Produzentenverantwortung und dem Wettbewerbsprinzip in der Kreislaufwirtschaft engagiert. Wir begrüßen den Ausbau dieser Systematik. Mit der Bestätigung der Produzentenverantwortung stellt das Verpackungsgesetz auch einen Bezug zum europäischen Kreislaufwirtschaftspaket her, das sich derzeit in der politischen Abstimmung befindet. Auch europaweit soll der In-Verkehr-Bringer von Verpackungen dafür Sorge tragen, dass die Wertstoffe nach Gebrauch einem hochwertigen Recycling zugeführt werden.“

Foto: Solveig Schmidt | EKM Mittelsachsen | abfallbild.de

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