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Unterauslastung, fehlender Vollzug, unklare Regelungen

Das Umweltbundesamt veröffentlichte im Juni die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zum unbekannten Verbleib von über einer Million Altfahrzeugen. Wie erwartet, lässt sich die „statistische Lücke“ schließen, das Kernproblem jedoch ist ungelöst. Den von Ökopol ermittelten Daten müssen endlich Taten folgen, fordert die Branche.

Dazu Kai Lohmann, Geschäftsführer der Scholz Recycling GmbH: „Die Altauto-Branche leidet unter Unterauslastung, fehlendem Vollzug, unklaren Regelungen und illegalem Export. Sie hat kein zusätzliches Altfahrzeug in ihren Anlagen, wenn nun bekannt ist, wie viele Fahrzeuge tatsächlich in nicht-anerkannten Betrieben behandelt werden oder ins EU-Ausland exportiert werden. Den vorgelegten Daten müssen nun endlich Taten folgen.“ Zudem sei nicht zufriedenstellend, dieses Instrument weiter als geeignetes Mittel für einen funktionierenden Vollzug anzusehen, wenn nur bei zehn Prozent der zurückgenommenen Altfahrzeuge Verwertungsnachweise vorliegen. Der boomende Online-Handel mit riesigem Wachstumspotenzial, über den in der Zwischenzeit ein Großteil der Teilevermarktung stattfindet, trage erschwerend dazu bei, dass der Vollzug immer schwieriger und aufwändiger wird.

Quoten auf neue Füße stellen

Alle geplanten politischen und rechtlichen Maßnahmen müssten nun in enger Abstimmung mit der gesamten Branche stattfinden. Dies gelinge aber nur im gegenseitigen Austausch mit Herstellern und Lieferanten, denn der Einfluss der Automobilindustrie reiche massiv in die Verwerterbranche hinein. „Wir wollen keinen Protektionismus der Rohstoffe proklamieren, fordern aber klare Verhältnisse bei der Aufgabenverteilung in der Behandlung von Altfahrzeugen und die Beendigung illegaler Exporte aus der EU“, erklärt Lohmann. Neben einem besseren Vollzug sei dringend die Anpassung der Richtlinie an neue Marktbedingungen notwendig. Dazu gehöre beispielsweise eine rechtsverbindliche Beweislastumkehr beim Export. Die gemeinsame Produktverantwortung der Hersteller, Demontagebetriebe und Verwerter müsse eindeutiger definiert werden. Zudem sei mehr Kommunikation, Information und eine Kostenbeteiligung seitens der Hersteller an Forschungsvorhaben für neue Recyclingtechniken notwendig. Das Konzept der Recyclingquoten sollte auf neue Füße gestellt werden. Quoten, die ausschließlich auf Massenmetalle abzielen, seien nicht mehr zeitgemäß und marktgerecht – ebenso eine gesetzlich festgelegte kostenlose Rücknahme.

Um der Produktverantwortung exportierter Altfahrzeuge gerecht zu werden, sollten neue Wege gegangen werden. Lohmann: „Die europäische Industrie muss ihrer Verantwortung gerecht werden und auch den riesigen afrikanischen Markt erschließen. Die Scholz Gruppe kann ihre Recyclingkompetenzen einbringen.“ Steigende Exporte von (Alt-)Fahrzeugen vom europäischen Markt machen Investitionen in Recyclingtechniken auch in Afrika notwendig. „Bis heute werden die Altautos ausschließlich händisch demontiert, Stahlschrott wird in heimischen Stahlwerken eingeschmolzen und Nichteisenmetalle werden exportiert, weil keine Metallschmelzhütten vorhanden sind“, berichtet ein Experte des Unternehmens City Waste Recycling in Ghana. „Ohne Shreddertechnik oder andere großtechnischen Aggregate ist es jedoch kaum möglich, das Fahrzeug vollständig zu zerlegen. Restkarossen werden deshalb entweder erneut exportiert oder verschwinden in Anlagen mit geringsten Umweltstandards. Der Rücktransport nach Mitteleuropa in Shredder- und Post-Shredderanlagen könnte für alle Wirtschaftsbeteiligten zur Wertschöpfung beitragen – solange keine Großaggregate existieren.“

Aus der Not eine Tugend machen

Das Potenzial des afrikanischen Markts ergibt sich durch viel geringere Arbeitskosten. Dieses sollte genutzt werden, weil gleichzeitig Arbeitsplätze geschaffen und gesichert würden. Der stark zunehmende Anteil an Elektronik in Fahrzeugen erhöhe den Druck für händische Vordemontageschritte. Der Ausbau der händischen Demontage sei in Mitteleuropa nicht wirtschaftlich. Die Umwelt- und Ausbildungsstandards in Ghana und Nachbarstaaten sollten dringend angehoben werden. Kooperationsprojekte mit den dortigen Recyclingpartnern, der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und den Auslandshandelskammern können hier wertvolle Entwicklungshilfe leisten.

Die Scholz Gruppe engagiert sich seit Jahren gegen illegale Exporte von Altfahrzeugen. „Unsere Investments sind in Gefahr, wenn Politik und Behörden weiterhin die Augen verschließen statt den illegalen Betrieb von Anlagen in der EU und die illegalen Exporte von Altfahrzeugen konsequent zu verfolgen“, kommentiert Lohmann die aktuellen Entwicklungen. Der weiter hohe Anteil an unbekanntem Verbleib oder außerhalb der EU exportierten Altfahrzeuge sei zwar durch das veröffentlichte Vorhaben auf nunmehr 590.000 Altfahrzeuge geschrumpft, ein Großteil davon werde aber illegal exportiert. Kai Lohmann abschließend: „Weil die Politik und Behörden diesen Abfluss bis heute nicht stoppen können, müssen wir aus der Not eine Tugend machen. Wir können den afrikanischen Staaten helfen, indem wir unser Recycling-Know-how mitbringen; gleichzeitig müssen wir gemeinsam mit den afrikanischen Partnern einen geordneten Rücktransport von Restkarossen für die Shredderanlagen organisieren.“

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 09/2017, Seite 4)