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Teerhaltiger Straßenaufbruch wird in Deutschland zum Problem

Gemische aus Pech und Bitumen erschweren eine eindeutige Stoff-Identifizierung und stellen eine große Altlast im Straßenbestand der Bundesrepublik dar. Es bleibt die Frage: Wohin damit?

„Teerhaltiger“ Straßenaufbruch besteht aus einem Bindemittel- und Mineralstoffe-Verbund unter Verwendung von Pech, einem Destillationsrückstand aus der Teeraufbereitung. Der hohe Schadstoffgehalt von Pech an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) mit kanzerogenen Eigenschaften führte in den 1980er Jahren zum vermehrten Einsatz von Bitumen als Bindemittel. Die übergangsweise entstandenen Gemische aus Pech und Bitumen erschweren eine eindeutige Stoff-Identifizierung und stellen immer noch eine große Altlast im Straßenbestand dar.

Der jährliche Asphalt-Abbau per Bagger oder Fräse beläuft sich auf 14 Millionen Tonnen, davon 2,6 Millionen Tonnen gefährlicher oder teerhaltiger Asphalt gemäß AVV 17 03 01. Je nach Bundesland unterscheiden sich die einzelnen Gemische in ihrem Schadstoffgehalt. Während in Niedersachsen durchschnittlich ein PAK-Gehalt von 25 Milligramm pro Kilogramm gemessen wird, liegt er in Hessen bei 400 Milligramm pro Kilogramm und in Bayern und Nordrhein-Westfalen bei 1.000 Milligramm pro Kilogramm.

Getrennt nach PAK-Gehalt

Liegt der PAK-Gehalt unter 25 Milligramm pro Kilogramm, so kann das Material als Verwertungsklasse A im Asphaltmischwerk zu heißem Neuasphalt verarbeitet und ungebunden als Straßenbaustoff eingesetzt werden. Liegt der Gehalt unter 25 Milligramm pro Kilogramm, bestehen mehrere Möglichkeiten: Aufbereitung im Kaltmischverfahren zu hydraulisch gebundener Tragschicht und Wiedereinbau in den Straßenkörper mit Behördenbeteiligung, thermische Verwertung vorzugsweise in einer Verbrennungsanlage, unter bestimmten Bedingungen der Deponieverordnung baustoffliche Verwertung im Deponiebau oder Beseitigung auf einer Deponie.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass bislang für teerhaltigen Straßenaufbruch der Klassen B und C eine Verwertung im Straßenbau, ein Einsatz auf der Deponie oder die Beseitigung nicht in Frage kamen. Daran trägt nicht zuletzt ein Rundschreiben des Bundesverkehrsministerium aus dem Jahr 2015 an die obersten Straßenbaubehörden der Bundesländer Schuld, in dem empfohlen wird, den Einbau teerhaltiger Baustoffgemische ab 2018 nicht mehr zuzulassen und die thermische Verwertung bevorzugt vorzusehen. Aber auch in Nordrhein-Westfalen wurde in einem Einzelfall eine Weiterverwendung von 45.000 Tonnen dieses Materials mit dem Urteil „Die Entsorgung in einer Deponie ist nicht zugelassen“ blockiert. Ebenso wird in Hessen die Thermik bevorzugt, da Aufbereitung und Verwertung außerhalb von Deponien ausgeschlossen sind.

Thermische Verwertung: pro oder kontra?

In den Niederlanden wurde ein Verfahren entwickelt, dass das Material zunächst auf Temperaturen zwischen 850 und 1.000 Grad Celsius erhitzt und dadurch organische Verunreinigungen wie PAK eliminiert. Übrig bleiben – unbelastet – ein Kies-Sand-Gemisch, Granulat, Füllstoff sowie Gips, die in Asphalt- und Betonmischwerken verwendet werden können.

Auf die Frage, ob diese thermische Verwertung umweltschonender ist, gibt es unterschiedliche Antworten. Dafür spricht, dass dadurch das Schadstoffpotenzial zerstört wird und die Gesteinskörnung wiederverwendet werden kann. Dagegen ist ins Feld zu führen, dass große Transportwege – wenn auch teilweise per Binnenschifffahrt – zurückgelegt werden müssen, da in Deutschland keine Kapazitäten zur thermischen Behandlung bestehen. Außerdem muss viel Energie aufgewandt werden, um das Asphalt-Granulat vom Teer zu befreien. Und schließlich geben Experten zu bedenken, dass der Wiedereinsatz des Materials im Straßenbau von dessen mechanischer Festigkeit abhängt, die sich bei größerer Erhitzung durch den sogenannten Quarzsprung verändern kann.

Dieser Entsorgungspfad birgt weitere Risiken. Die niederländischen Kapazitäten sind auf eine Verwertungsanlage sowie ein Zementwerk begrenzt und auf rund eine Million Tonnen pro Jahr limitiert. Schwierigkeiten könnten durch Anlagenstillstand oder Insolvenz des Betreibers auftreten. (Diese Befürchtung ist grundlos: Der Betreiber der niederländischen Anlage, die Recycling Kombinatie Reko B.V., hat bereits vor Jahren mit der Planung einer zweiten Anlage begonnen.) Die Notifizierung für den grenzüberschreitenden Verkehr könnte verweigert werden, falls die Niederlande die Entsorgung ihrer eigenen Mengen sichern will. Und durch das Entsorgungsmonopol ist eine Preissteigerung absehbar.

Für PAK-Eliminierung und Materialstabilität

Da es in Deutschland mehr als 600 stationäre Asphaltmisch­anlagen gibt, wäre bei ihrer Verbindung mit thermischen Behandlungsanlagen auch eine flächendeckende, dezentrale Behandlung von teerhaltigem Straßenaufbruch ohne lange Transportwege denkbar. Eine weitere Alternative hat Fraunhofer Umsicht entwickelt: Sie erfüllt doppelte Anforderungen durch ein Temperaturfenster, das sowohl eine vollständige Eliminierung von PAK-Verbindungen wie auch die Vermeidung von Veränderungen der Materialfestigkeit verspricht. Dabei wird der Aufbruch zunächst mechanisch aufbereitet, vorgetrocknet und bei Temperaturen unter 600 Grad Celsius und Luftsauerstoff-Ausschluss dekontaminiert. Die Organik-Stoffe verdampfen und werden in einem Brenner oxidiert; die entstehende Wärme lässt sich direkt nutzen. Die noch heiße Mineralik kann direkt im Asphaltmischwerk eingesetzt werden. Damit eignet sich das Verfahren zur integrierten thermischen Verwertung unter Einbindung von Asphaltmischwerken. Ob das Verfahren im industriellen Maßstab Anwendung findet und sich für alle Einsatzmöglichkeiten eignet, muss noch untersucht werden.

Wettbewerb der Verwertungswege

Insgesamt stellt sich die jetzige Situation so dar, dass die öffentlichen Ausschreibungen eine thermische Verwertung bevorzugen und eine Deponierung teilweise kategorisch ausschließen. Auch ist der Ausschluss alternativer Verwertungswege bei Ausschreibungen für eine zukünftige Verbesserung der Entsorgungslage wenig hilfreich. Zudem können durch die thermische Entsorgung Transport-, Haftungs-, Kapazitäts- und wirtschaftliche Risiken nicht ausgeschlossen werden. Investitionen in zusätzliche Kapazitäten sind nicht in Sicht, zumal ab 2018 der Einbau von Asphaltaufbruch in Bundesfernstraßen unterbunden bleibt.

Für Berthold Heuser, Prokurist der Remex Mineralstoff GmbH, gilt es daher zu überlegen, ob nicht ein offener Wettbewerb der Entsorgungsalternativen zugelassen werden sollte. Jonathan Aigner und Matthias Franke, beide Mitarbeiter am Fraunhofer Umsicht, regen Investitionen in den Ausbau inländischer Behandlungskapazitäten und in Forschung und Entwicklung an. Und Uwe Neumann von der Eisenmann Anlagenbau GmbH & Co. KG konstatiert einen Stillstand in Deutschland und erwartet seitens der Politik die Definition entsprechender Randbedingungen, die es Anlagenbauern und -betreibern erlauben, entsprechende Anlagen zu realisieren.

Der Artikel ist eine Zusammenfassung eines Vortrags von Berthold Heuser über „Teerhaltigen Straßenaufbruch“ auf der Recycling-Technik am 10. Mai 2017 in Dortmund sowie eines Vortrags von Jonathan Aigner und Matthias Franke über dessen „Status quo und Verwertungsoptionen“ am 27. April 2017 auf dem 29. Kasseler Abfall- und Bioenergieforum.

Foto: skatzenberger / fotolia.com

(EU-Recycling 09/2017, Seite 10)