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ICBR 2017: Wer soll die steigenden Batteriemengen recyceln?

Die EU-Kreislaufwirtschaft erfordert die Verringerung von Abfällen, längere Dienstdauer der Gerätschaften und deren Wiederverwendung oder Recycling. Speziell für Batterien wurde daher im Jahr 2008 die Batterie-Richtlinie in allen EU-Mitgliedstaaten implementiert. „Neun Jahre danach sind viele Fragen entstanden, entweder beim Gesetzgeber oder bei der Industrie und bei allen Akteuren und Endnutzern am Lebensende von Batterien“, formulierte Jean-Pol Wiaux, der Vorsitzende des ICBR-Präsidiums, im Vorfeld des 22. Internationalen Batterie-Recycling-Kongresses. Zu Recht, denn der Kongress, der am 20. bis 22. September 2017 in Lissabon stattfand, deckte deutliche Lücken in Europa auf.

Der Batteriemarkt ist in Bewegung. Seit der Jahrhundertwende ist die Anzahl der verkauften Mobiltelefone mit Lithium-Ionen-Batterien (LIB) von 100 auf über 2.000 Millionen pro Jahr gestiegen, während Nickel-Metallhydrid-Akkumulatoren (NiMH) praktisch vom Markt verschwanden. Im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl jährlich verkaufter Tablets und Laptops mit LIB von rund 15 auf insgesamt über 350 Millionen. Parallel stieg der Bedarf von anfänglich 7.000 Tonnen an Kathodenmaterial auf über 200.000 Tonnen. Der Preis entwickelte sich gegenläufig: Wiederaufladbare 18650-Lithium-Ionen-Akkuzellen kosteten im Jahr 2000 noch 2,6 US-Dollar pro Wattstunde, 2016 nur noch 15 US-Cent. Insgesamt erlebten Lithium-Ionen seit der Jahrhundertwende einen fulminaten Aufstieg: Ihre jährliche Wachstumsrate betrug allein ab 2010 rund 25 Prozent pro Jahr.

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Foto: GRS-Batterien

Bleibatterien hielten allerdings mit über 350.000 Megawattstunden (MWh) und damit 90 Prozent auch 2016 den größten Kapazitätsanteil; ihr Marktwert lag in diesem Jahr – ebenso wie der der LIB – bei etwas über 30 Milliarden US-Dollar. 90.000 MWh entfielen auf Lithium-Ionen-Batterien, die sich auf rund 30.000 MWh in Elektrogeräten, rund 15.000 MWh in Fahrzeugen und Elektrobussen außerhalb Chinas und auf knapp 30.000 MWh in Fahrzeugen und Elektrobussen innerhalb Chinas beliefen. Letzten Zahlen zufolge setzt sich die weltweite Wertschöpfungskette für Lithium-Ionen-Batterien zusammen aus 211.000 Tonnen Kathodenmaterial, 104.000 Tonnen Anoden, 103.000 Tonnen Elektrolyten und 1.500 Millionen Kubikmetern an Separatoren. Umsatz und jährliche Wachstumsrate betrugen 2016 bei Kathoden 4,75 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 14 Prozent, bei Anoden 1,16 Milliarden US-Dollar gleich 13 Prozent, für Elektrolyte 1,4 Milliarden US-Dollar und damit 19 Prozent, und für Separatoren 1,6 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 15 Prozent. Der Umsatz für Zellbatterie-Hersteller belief sich auf 22,5 Milliarden US-Dollar, der der Akku-Hersteller auf 31 Milliarden US-Dollar; beider Handelsspanne lag unter zehn Prozent.

Sprunghafter Anstieg für LIB erwartet

Christophe Pillot (Avicenne Energy, Frankreich) schätzt, dass der Markt für Lithium-Ionen-Speicher in den nächsten zehn Jahren bei Mobiltelefonen von 10.000 auf über 25.000 MWh steigen wird. Der Anteil in Laptops wird mit rund 10.000 MWh ebenso stagnieren wie der Anteil in Tablets mit rund 5.000 MWh. Andere tragbare Elektronik soll sich auf über 10.000 MWh verdoppeln. Die weitere Zukunft hängt allerdings auch von der Entwicklung der Automobilindustrie in der nächsten Dekade ab. Was die Kapazitäten anlangt, sollen Kraftfahrzeuge mit Hybridantrieb außerhalb Chinas und Hybridelektrokraftfahrzeuge kaum eine Rolle spielen. Die Kapazitäten für Elektrofahrzeuge mit aufladbarer Batterie werden sich aber von rund 10.000 auf über 40.000 Mwh, die für Elektrobusse einschließlich China von rund 10.000 auf über 45.000 MWh erhöhen. Der größte Zuwachs ist durch China bei Kraftfahrzeugen mit Hybridantrieb und Elektrofahrzeuge mit aufladbarer Batterie zu erwarten, die einen Sprung von weniger als 10.000 auf rund 70.000 MWh bewirken sollen.

Damit wird insgesamt der Markt für Lithium-Ionen-Batterien von 90 GWh im Jahr 2016 auf 300 GWh im Jahr 2025 anwachsen. Die jährlichen Steigerungsraten für Elekto(nik)-geräte belaufen sich auf sechs Prozent, die für Fahrzeuge und Busse außerhalb Chinas auf 17 Prozent und jene für Fahrzeuge und Busse innerhalb Chinas auf 22 Prozent; für industrielle Zwecke und für Energiesicherungs-Systeme werden nochmals 22 Prozent benötigt. Somit werden die Anwendung in der Automobilbranche und der Industrie die Lithium-Ionen-Batterie vorantreiben und neue Einsatzgebiete schaffen. Noch liefern Bleibatterien insgesamt 367 Gigawattstunden (GWh) im Jahr und stehen für 33,4 Milliarden US-Dollar; industrielle Bleibatterien stehen für eine Kapazität von 58 GWh und belaufen sich auf 10,4 Milliarden US-Dollar. Doch Christophe Pillot prognostiziert: „Bleibatterien werden – was Gewicht anlangt – 2025 an erster Stelle im Markt stehen, aber der Lithium-Ionen-Markt wird den Bleibatteriemarkt von 2020 übertreffen.“

Wo sind die Recyclingkapazitäten?

Die Frage bleibt, wie diese Mengen nach Gebrauch stofflich adäquat weiterbehandelt werden können. Nach Darstellung von Bernd Friedrich und Liliane Peters (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Deutschland) existieren weltweit nur drei Gesellschaften, die über eine Recyclingkapazität von mehr als 2.000 Tonnen pro Jahr verfügen. Und lediglich zwölf Unternehmen auf der Welt besitzen eine Recyclingeinrichtung für Batterien, die mehr als Vor-Behandlungen ermöglicht. Schon jetzt – verdeutlichten Bernd Friedrich und Lilian Peters – bestehe in Europa eine große Diskrepanz zwischen der Menge der Lithium-Ionen-Altbatterien und ihrer gesammelten Menge. Lautete das Verhältnis 2016 noch 18.000: 3.000 Tonnen (also 6:1), wird es für 2020 auf 38.000: 7.000 (5,4:1) veranschlagt. Tendenz steigend.

Nach Ansicht von W. Robert Kang (Blue Whale Materials, USA) wird Europa keineswegs der geeignete Recyclingmarkt sein: Für die nächsten sieben Jahre verspricht er sich vom südkoreanischen Markt für Lithium-Ionen-Batterien einen enormen Aufschwung. Er hält den dortigen Markt zur Wiederverwertung von Altbatterien für erfolgversprechend, und zwar für alle Teilnehmer der Versorgungskette. Hier seien viele der führenden Batteriehersteller ansässig, sodass ein starker Wettbewerb um Materialversorgung, hohe Transparenz über die gelieferten Materialien und ein Nachbarschaftseffekt unter Zwischenprodukthändlern und Herstellern mit der Perspektive entsteht, ein möglichst lückenloses Recycling zu realisieren.

Die in Korea ansässigen Unternehmen für Lithium-Ionen-Recycling bedienten sich einer effizienten Zwei-Stufen-Methode. In der Vorbehandlung werden Batterien und Abfälle entladen, zu „Schwarzem Sand“ mit feiner Konsistenz zermahlen und getrennt. Der anschließende hydrometallurgische Prozess entzieht durch chemisches Leaching und Reinigung die wertvollen Metalle. Dieses Procedere sei nicht nur umweltschonend und ökonomisch effizient, sondern führe auch zu einer 75-prozentigen Batterie-Recyclingrate, einer 95-prozentigen Metallrecyclingquote und einer 99,99-prozentigen Reinheit der wiedergewonnenen Metalle.

EU-Sammelquote von 45 Prozent: selten erreicht

Die auf dem Kongress vorgestellten Zahlen für Europa fallen tatsächlich deutlich weniger euphorisch aus. Wie Eurico Cordeiro (Ecopilhas, Portugal) für Portugal erklärte, organisiert beispielsweise sein Unternehmen mit zwei Dritteln Marktanteil Batterie-Sammlungen an über 10.000 Stellen – in der Hauptsache mit aufgestellten Boxen, zusätzliche 10.000 Sammelpunkte betreuen Kommunen, und ATM hat weitere 12.400 eingerichtet. Die portugiesische Sammelquote erreichte im Jahr 2016 allerdings nur 39 Prozent und lag damit unter der europäischen Zielmarke von 45 Prozent. Die Wiederverwertungsrate wird auf 80 Prozent veranschlagt; das Material soll spätere Verwendung in unterschiedlichen Industrieanwendungen finden.

Für die Tschechische Republik waren nach Darstellung von Dr. Petr Kratochvíl (Ecobat, Tschechien) die Sammelquoten von 25 Prozent für 2012 und 45 Prozent für 2016 zunächst „ein Albtraum“: 2006 lag die Sammelquote noch bei neun Prozent. Zehn Jahre später wurden bereits 1.638 Tonnen tragbarer Batterien erfasst und eine Sammeleffizienz von 45,3 Prozent erreicht. Von 20.500 Sammelstellen werden 60 Prozent vom Rückhol-System Ecobat bedient; die restlichen betreuen Abfallgesellschaften, Kommunen, Batteriehändlern und WEEE-Systeme.

Screlec organisiert in Frankreich ein System, das sich um Sammlung und Recycling von Altbatterien kümmert. Nach Angaben von Yann Caillant (Screlec, Frankreich) wurden 2016 rund 4.500 Tonnen erfasst – 19,2 Prozent mehr im Jahresvergleich – und damit eine Sammelrate von 43,5 Prozent – 8,2 Prozent mehr als im Vorjahr – erreicht. Als einen wesentlichen Faktor des Aufwärtstrends sieht Screlec die letztjährige nationale Ereignis-Kampagne in Zusammenarbeit mit NGOs an.

Nach Aussage von Vladimir Matsyuk (Megapolis Resource Group, Russland) kommen in Russland jährlich 25.000 Tonnen Altbatterien auf den Markt. Ihr Recycling habe in den letzten Jahren deutlich zugelegt: Waren es 2013 noch lediglich einige Dutzend Tonnen, so soll die Menge für 2017 auf 600 Tonnen angestiegen sein. Das seien drei Prozent der Verkaufsmenge und somit noch „keine kritische Masse“. Die Sammlung über Einzelboxen ist die zurzeit gängige Lösung.

Festgelegte Quoten: „sehr herausfordernd“

Für den Verbleib tragbarer Batterien legte lediglich Thomas Nigl (Montanuniversität Leoben, Österreich) detailliertere Zahlen aus einem EU-Land vor. Danach stieg die Sammelquote von 2011 bis 2015 von 50 auf 55 Prozent. Was die Stoffströme anlangt, endet der Anteil der Nicht-Lithium-haltigen Batterien nach Verbrauch zu 51 Prozent in der entsprechenden Sammlung, während 17 Prozent im Restmüll landen und 0,5 Prozent in der Kunststoff-Sammlung. Lithium-Batterien mit kleinem Anteil anderer Batterien werden zu schätzungsweise 20 Prozent gelagert, während neun Prozent auf unbekannten Wegen verschwinden und der informelle Sektor an 2,5 Prozent partizipiert.

Ohnehin sei es aus verschiedenen Gründen schwierig, dass alle Mitgliedstaaten die Sammel-Zielmarke erreichen, formulierte Hans Craen (EPBA/European Partable Battery Association, Belgien) in seinem Diskussionspapier zur ICBR-Podiumsdiskussion. Mit Termin zum September 2016 hätten lediglich elf Länder die 45 Prozent-Sammelrate erfüllt. Es sei für die meisten EU-Staaten „sehr herausfordernd – wenn nicht unmöglich“, die gesetzlich festgelegten Quoten einzuhalten. Daher sei eine Revision der zu kalkulierenden Ziele notwendig: Sie müssten realistisch und erreichbar sein und den aktuellen Markt für tragbare Batterien wiedergeben.

Auch mit bester Technologie unprofitabel?

In diese Kerbe hieb auch EBRA-Generalsekretär Alain Vassart (European Battery Recycling Association, Belgien). Er unterstrich, dass das aktuelle Sammelziel von 45 Prozent nicht überall in Europa erreicht werde. Auch sei die Sammeleffizienz für wiederaufladbare Batterien zu niedrig und sollte gesteigert werden, da dieser Batterietyp kritischere Rohstoffe enthalte und ein höheres Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheits-Risiko darstelle. Vor diesem Hintergrund habe die Steigerung der Sammelquantitäten eine deutlich höhere Wirkung als die Steigerung der Recycling-Effizienz, was aufgrund ihres Risikogrades insbesondere für wiederaufladbare Batterien gelte.

Sein Verband – so Vassart – trete zudem ein für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Recycler. Speziell befürworte der Verband ein Zertifizierungssystem, das die Kalkulierungsmethode der Recycling-Effizienz für inner- und außereuropäische Batterie-Recycler betrifft. Auch sei ein abgestimmtes Berichtssystem für Sammel- und Recycling-Effizienz zu begrüßen, das die Qualität der diesbezüglichen europäischen Statistik anheben würde. Und schließlich müsse eine klare Definition der Erweiterten Produzenten-Verantwortlichkeit für wiederaufladbare Batterien getroffen werden, um ihr Recycling technisch und finanziell zu sichern.

Somit müsste Li-Cycle-Präsident und CEO Ajay Kochar (Li-Cycle Corporation, Kanada) recht gegeben werden, der kurz und knapp formulierte: „Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien ist zurzeit auch mit bester Technologie unprofitabel.“ Das könnte zumindest auf Europa zuzutreffen. Kochars Unternehmen hingegen ist im kanadischen Mississauga beheimatet, hat einen gesicherten Zugriff auf mehr als 5.000 Tonnen gebrauchter Lithium-Ionen-Batterien und verfügt über eine „profitable, nachhaltige und sichere Technologie zum Recycling von Lithium-Batterien“.

www.icm.ch [2]

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(EU-Recycling 11/2017, Seite 30)