Freie Fahrt für die Elektromobilität

Primär- und Sekundärrohstoffe für zukünftige Batterien könnten zur Verfügung stehen.

Der weltweite Fahrzeugbestand lag 2015 bei 1,1 Milliarde und soll sich bis 2030 auf 1,8 Milliarden erhöhen. Der Anteil konventioneller, spritbetankter Fahrzeuge wird dann seine Spitze erreicht haben und vollelelektrisch-, hybrid- oder Brennstoffzellen-betriebenen Gefährten weichen. Die zunehmende Elektromobilität wird die Nachfrage nach produktionswichtigen Rohstoffen steigen lassen. Aber wie und wie lange kann der Bedarf durch Primär- und Sekundärstoffe gedeckt werden? Eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Agora Verkehrswende gibt darauf Antworten.

Lithium: Noch kaum recycelt

Die starke Nachfrage wird den Lithiumbedarf bis 2030 auf knapp 160.000 Tonnen und bis 2050 auf knapp 500.000 Tonnen anwachsen lassen. Durch Sekundärmaterialien lässt sich der Primärbedarf bis 2030 auf 180.000 Tonnen und bis 2050 auf etwas über 300.000 Tonnen zurückschrauben. Zwar existiert zurzeit in Europa kein Lithiumrecycling, doch sind erste Ansätze in Südkorea erkennbar und eine deutliche globale Verbesserung zu erwarten. Im Bereich der Elektromobilität wird durch Rückgewinnung aus Lithium-Ionen-Batterien mit Sekundärmaterial in Höhe von zehn Prozent (2030) und 40 Prozent (2050) gerechnet. Die weltweite Minenförderung von Lithium wurde 2016 von Australien (49 Prozent) und Chile (34 Prozent) bestimmt; die globalen Lithium-Reserven in Höhe von 14 Millionen Tonnen sind zu 52 Prozent in Chile verortet. Trotz Nachfragedruck ist daher langfristig keine Verknappung oder gar Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zu erwarten.

Kobalt: Zur Hälfte aus dem Kongo

Der Bedarf nach Kobalt im Fahrzeugsektor wird auf 260.000 Tonnen im Jahr 2030 geschätzt, der für 2050 gar auf 800.000 Tonnen. Bereits heute besteht ein gutes Kobaltrecycling aus Katalysatoren, Superlegierungen und auch Batterien, sodass Primärstoffe durch Sekundärmaterial ersetzt werden kann: Die Studie geht schon heute von einer Einsatzquote über alle Anwendungen von 35 Prozent aus. Sollte der Markt für Recyclingkobalt stabil bleiben, könnte mit der Verwendung von Sekundärmaterial aus recycelten Lithium-Ionen-Batterien in Höhe von zehn Prozent im Jahr 2030 und 40 Prozent im Jahr 2050 zu rechnen sein. Die weltweite Minengewinnung von Kobalt summierte sich 2016 auf 123.000 Tonnen; 66.000 Tonnen stammten aus der Demokratischen Republik Kongo. Auch an den insgesamt sieben Millionen Tonnen der globalen Kobalt-Reserven ist der Kongo mit 49 Prozent der Hauptlieferant. Schätzungen der Kobalt-Ressourcen gehen von 25 Millionen Tonnen an mit Kupfer-, Nickel- oder Kupfernickel-haltigen Erzen vermischten Kobalt-Vorkommen aus, ungeachtet der 120 Millionen Tonnen Kobalt in Manganknollen auf dem Meeresboden. Auch eine deutliche Nachfragesteigerung etwa infolge zunehmender Elektromobilität könnte demnach keine materielle Verknappung dieses ferromagnetischen Übergangsmetalls hervorrufen.

Nickel: Auf viele Förderländer verteilt

Der Bedarf nach Nickel für die Elektromobilität steigt bis 2030 auf rund 830.000 Tonnen. Das Recycling von Nickel bringt es in der Stahlindustrie auf Einsatzquoten von 25 bis 50 Prozent, und auch die Rückgewinnung aus Lithium-Ionen-Batterien ist kein außergewöhnliches Verfahren. Daher liegt der Einsatz von Sekundärmaterial aus recycelten Batterien in Höhe von sieben Prozent (2030) und 40 Prozent (2050) im Bereich der Möglichkeiten. Für Nickel wurde im Jahr 2016 eine globale Minenförderung von 2,25 Millionen Tonnen angegeben, die von 15 Ländern mit Anteilen von 22 bis ein Prozent betrieben wird. Auch die weltweiten Reserven an Nickel verteilen sich neben Australien (24 Prozent), Brasilien (13 Prozent) und Russland (10 Prozent) auf zwölf weitere Staaten. Die terrestrischen Nickel-Reserven sind mit 130 Millionen Tonnen veranschlagt, sodass auch hier längerfristig keine physischen Engpässe zu befürchten sind.

Graphit: Bedarf durch Synthesestoff gedeckt

Die Nachfrage nach Graphit im Elektromobilitätssektor soll 2030 bei 1,6 Millionen Tonnen liegen und sich 2050 auf rund fünf Millionen Tonnen steigern. Allerdings scheint sich ein Graphitrecycling aus Batterien nicht zu lohnen: Ohnehin wird anstelle von natürliche Graphit ein synthetisches Material eingesetzt, da es Qualitätsvorteile gegenüber dem Naturstoff bietet. Die Minenproduktion von natürlichem Graphit wird für 2016 mit 1,2 Millionen Tonnen angegeben, davon 66 Prozent von der Volksrepublik China gefördert. Seine globalen Reserven betragen 250 Millionen Tonnen, die weltweiten Ressourcen 800 Millionen Tonnen. Da die zunehmende Nachfrage nach dem Material durch Synthesegraphit gedeckt wird, ist mit einer Verknappung nicht zu rechnen.

Platin: 60 Prozent Recycling denkbar

Der Bedarf für Platin resultiert aus dem Einsatz in Brennstoffzellen und in Katalysatoren von Verbrennungsmotoren. Momentan besteht lediglich Nachfrage nach Katalysatoren-Platin in Höhe von rund 70 Tonnen für diesel- und benzinbetriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Bis 2030 soll der Bedarf insgesamt inklusive der Fahrzeuge mit Brennstoffzellen bei 110 Tonnen liegen. Die ausschließliche Nachfrage nach Platin für Brennstoffzellen-Fahrzeuge soll 2050 den Bedarf auf über 250 Tonnen anschwellen lassen. Platin wird bereits heute weltweit so gut recycelt, dass der weltweite Bedarf zu 23 Prozent aus Sekundärmaterial befriedigt werden kann. Im Fahrzeugbereich liegt die Recyclingquote für Platin laut UNEP-Angaben bei über 50 Prozent; bis 2050 soll sie sogar auf 60 Prozent steigen. Daher soll der Bedarf für Primärplatin für Brennstoffzellen- beziehungsweise konventionelle Fahrzeuge im Jahr 2030 auf zehn beziehungsweise 45 Tonnen und im Jahr 2050 auf 103 Tonnen ausschließlich für Brennstoffzellen-Fahrzeuge gedeckelt werden können. Die Minenförderung belief sich 2016 auf 172 Tonnen, die zu 70 Prozent in Südafrika gewonnen wurden. Die globalen Reserven der Platingruppe werden auf 20.100 Tonnen geschätzt, wovon 94 Prozent auf Südafrika entfallen. Weltweite Platinressourcen existieren in Höhe von über 100.000 Tonnen.

Mehr Materialeffizienz oder Substitution

Die bisherigen Kalkulationen gehen von einer ungehinderten Entwicklung der Elektromobilität, der Materialvorkommen sowie der Verwertungswege aus. Selbstverständlich können sie durch geopolitische oder -wirtschaftliche Veränderungen wie Kriege, Monopolbildung, Naturereignisse, neue Marktlagen oder Nachfrageverschiebungen modifiziert werden. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Nachfrage nach natürlichem Lithium, Kobalt, Platin, Nickel und Grafit gedämpft werden – durch Steigerung der Materialeffizienz oder durch Substitution. So sind beispielsweise Magnethersteller, Elektromotorenhersteller sowie Automobilindustrie inzwischen dazu übergegangen, für hybride oder vollelektrischen Fahrzeuge Motorenkonzepte zu entwerfen, die nicht mehr auf Seltene Erden wie Neodym, Praseodym, Dysprosium und Terbium zurückgreifen.
Und laut Umicore lässt sich in der nächsten Generation von Nickel-Mangan-Kobalt-Zellen das Verhältnis der Elemente modifizieren, was den Gehalt und damit die Kosten für Kobalt senken sollte.

Um das trotz allem notwendige Wachstum der Primärförderung zu gewährleisten, empfiehlt die Studie faire sowie umwelt- und sozialverträgliche Kooperationen mit den Primär-Förderländern. Zu ihren strategischen Forderungen der Studie gehört die Einrichtung einer weltweiten Industrieinitiative, um den Einsatz von nachhaltig gewonnenem Primärlithium zu gewährleisten und ein globales Recyclingsystem für Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Außerdem wird die Weiterentwicklung der EU-Batterierichtlinie speziell für Antriebsbatterien der Elektromobilität empfohlen, um rohstoffspezifische Recyclingraten festzuschreiben. Und schließlich ein „konsequentes Recycling“ zur „Prophylaxe gegen temporäre Verknappungen und Preissteigerungen“ angeregt.

Die vollständige Studie zu „Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität“ kann unter www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2017/Nachhaltige_Rohstoffversorgung_Elektromobilitaet/Agora_Verkehrswende_Synthesenpapier_WEB.pdf heruntergeladen werden.

Foto: pixabay

(EU-Recycling 12/2017, Seite 34)

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