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Kreislaufwirtschaft – Anspruch und Wirklichkeit

Wie könnte die Kreislaufwirtschaft der Zukunft aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Initiatoren*), Referenten und Teilnehmer der 26. Kölner Abfalltage, die am 23. und 24. November vergangenen Jahres im Medienpark Köln stattfanden.

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Plädierte für eine „ökologisierte“ Wirtschaft: Prof. Dr. Klaus Töpfer (Foto: Kölner Abfalltage/Bureau Akkurat)

In seinem Eröffnungsvortrag erläuterte Prof. Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister (1987 bis 1994) und früherer Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi (1998 bis 2006), seine Vision von einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. In diesem Zusammenhang konstatierte er, dass der Erfolg einer solchen Wirtschaftsweise in Deutschland meist mit der Frage nach den Recyclingquoten verbunden ist. Seiner Ansicht nach trifft dies aber nicht den Kern der Sache. „Als wir mit der Kreislaufwirtschaft angefangen haben, sollten die Kosten dort anfallen, wo sie entstehen“, sagte Klaus Töpfer mit Blick auf die Einführung des „Grünen Punktes“ im Jahr 1991 als Finanzierungszeichen für die Teilnahme an einem dualen Sammel- und Verwertungssystem für gebrauchte Verkaufsverpackungen. Deshalb seien Kreisläufe geschlossen worden.

Im Hinblick auf die Produzentenverantwortung stellte der ehemalige Bundesumweltminister fest, dass diese oft „outgesourct“ wird; dabei sollten die Kosten in die Produktentwicklung fließen. Die Verantwortung der Produzenten für ihre Produkte könnte laut Töpfer – in einem breiteren Rahmen als bislang – marktfähig werden, wenn als Voraussetzung dafür eine „ökologisierte Wirtschaft“ eingeführt würde. Gemeint ist, dass beispielsweise aus gasförmigen Abfällen durch die Rauchgasentschwefelung Gips entsteht, der unter anderem in der Bauindustrie Verwendung findet**). In diesem neuen Verständnis von Wirtschaft werde die Trennung von festen, flüssigen und gasförmigen Abfallstoffen dann aufhören, zeigte sich Klaus Töpfer überzeugt.

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Die meisten Initiatoren der Kölner Abfalltage (von links nach rechts): Prof. Dr. Martin Faulstich, Monika Lichtinghagen-Wirths, Dr. Beate Kummer, Dr. Jochen Hoffmeister, Prof. Dr. Wolfgang Klett, Helmut Schmidt, Ulrich Koch, Prof. Dr. Peter Quicker (Foto: Kölner Abfalltage/Bureau Akkurat)

In Verbindung mit neuen Modellen des Konsumierens (Stichwort: Sharing Economy) würden Unternehmen auch ein positives Interesse daran haben, ihre Produkte zu vermieten, glaubt Klaus Töpfer. In diesem Zusammenhang unterstrich der frühere Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen die Notwendigkeit, über den entstehenden Abfall hinauszudenken. „Wir können keine Klimapolitik betreiben, ohne dies zu berücksichtigen“, so der Redner, der dafür plädiert, alle Abfallstoffe zu nutzen. Seiner Meinung nach werden jene Unternehmen Vorteile haben, die integrierte Lösungen anbieten.

Nach Klaus Töpfers Urteil hat Deutschland zwar „große Schritte in Richtung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft gemacht“, aber es seien noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Im internationalen Kontext besetze das Land nach wie vor eine führende Position, werde dieser jedoch nur noch ansatzweise gerecht. „Es wird Zeit, dass Produzenten für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft eine finanzielle Mitverantwortung für das, was sie in Verkehr bringen, übernehmen und zwar bis hin zur Entsorgung.“ Es reiche nicht aus, nach Brüssel zu schauen und Neuregelungen oder bessere Regulierung einzufordern. Jeder Staat, jedes Unternehmen und jeder Bürger könne etwas beitragen. „Der Ruf nach mehr Ordnungspolitik zog sich durch die gesamte Veranstaltung“, hieß es auch von Seiten der Organisatoren der zweitägigen Veranstaltung. „Auch einige Teilnehmer erhoben diese Forderung im Rahmen der Diskussion der Fachbeiträge.“ Darüber hinaus wurde eine Verbesserung der Ressourceneffizienz durch mehr „Recyclingfähigkeit“ der Produkte gefordert sowie klare Vorgaben zur Abfallvermeidung.

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Darya Gerasimenko: Die großen Fragen der Kreislaufwirtschaft können nur mit einem „Multi-Stakeholder-Ansatz“ gelöst werden (Foto: Kölner Abfalltage/Bureau Akkurat)

Die russische Professorin Darya Gerasimenko, Wissenschaftlerin für Kreislaufwirtschaft an der Schweizer École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und Dozentin an der Universität St. Gallen, hob in ihrem Vortrag hervor, dass mit der Kreislaufwirtschaft das Ziel verfolgt wird, Abfälle zu vermeiden – nicht nur durch Recyclingprozesse, sondern auch während der Lebenszyklen der Produkte und Verpackungen, indem ihr Wert erhalten wird. Dies erfolge unter anderem durch die verbesserte Gestaltung von Materialien, Produkten und Geschäftsmodellen, die verlängerte Nutzung von Produkten und die Kreislaufführung der Ressourcen zur weiteren Wertschöpfung, wenn Produkte ihr Lebensende erreicht haben. Ihrer Auffassung nach könnten die großen Fragen der Kreislaufwirtschaft nur mit einem „Multi-Stakeholder-Ansatz“ gelöst werden, bei dem Interessenvertreter aus allen relevanten Bereichen zusammenarbeiten, um Innovationen und Geschäfte auszubauen. Dafür gebe es bereits interessante Ansätze und Beispiele. So existiere in Kanada ein Vorzeigeprojekt: Das sogenannte „Circular Economy Living Lab“ bringt den Angaben zufolge die öffentlichen und privaten Interessen in Ontario zusammen; die Beteiligten arbeiten an Lösungen, um die Kreislaufwirtschaft lokal zu verbessern. Aber auch in Europa gibt es „Living Labs“. Die Städte Helsinki (Finnland), Manresa (Spanien), Lissabon (Portugal), Eindhoven (Niederlande) und Riga (Lettland) haben laut Dr. Darya Gerasimenko solche Initiativen gestartet, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft vorzubereiten.

Wie die Rednerin weiter hervorhob, findet Forschung zum Thema „Living Labs“ an der belgischen Universität Gent statt, die eine entsprechende Test- und Experimentierplattform eingerichtet hat.

Die Organisatoren der 26. Kölner Abfalltage halten solche Initiativen, die die verschiedenen Interessengruppen einbinden, für einen guten Weg, die Kreislaufwirtschaft in Deutschland weiter voranzubringen, geht aus der Pressemitteilung zur Veranstaltung hervor.

Brigitte Weber

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*) Das Initiatorenteam wurde erweitert und besteht nun aus folgenden Persönlichkeiten der Branche: Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich, Dr.-Ing. Jochen Hoffmeister, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Klett, Ulrich Koch, Dr. Dipl.Chem. Beate Kummer, Monika Lichtinghagen-Wirths, Prof. Dr.-Ing. Peter Quicker, Helmut Schmidt und Dr.-Ing. Helmut Schnurer.

**) Nach Angaben des Internet-Lexikons Wikipedia wurden 2014 in Deutschland von elf Millionen Tonnen Gips sieben Millionen Tonnen durch die Rauchgasentschwefelung gewonnen; vier Millionen Tonnen Gips stammten aus Naturgips-Lagerstätten.

Foto: CrazyCloud / fotolia.com

(EU-Recycling 01/2018, Seite 26)

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