Ohne Vermeidung keine wirksame Abfallwirtschaft

Abfallvermeidung muss zum Ausgangspunkt einer transformativen Innovationsagenda werden, fordert das Wuppertal Institut. Und das nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Notwendigkeit. Abfälle sollten nicht nur am Ende des Lebenszyklus‘ von Waren und Dienstleistungen unter dem Aspekt der Recycelbarkeit betrachtet werden.

„Gib Dingen ein zweites Leben“ lautete das Motto der letzten „Europäischen Woche der Abfallvermeidung“ im vergangenen November. In diesem Sinne sprach sich auch das Bundesumweltministerium für die Langlebigkeit von Produkten aus und ließ durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold verlautbaren: „Reparieren lohnt sich. Wir können Dingen ein zweites Leben geben, wenn wir sie nicht gleich wegwerfen, sondern sie reparieren. Damit kann jeder dazu beitragen, die Abfallmengen zu verringern, natürliche Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen.“ Das Bundesumweltamt schloss sich dem an und plädierte gar für die steuerliche Absetzbarkeit von Reparaturen. Und beim diesjährigen Ecodesign-Wettbewerb erhielt kaputt.de, ein bundesweites Vergleichsportal zu Reparaturlösungen, einen der begehrten Preise.

Nachfrage nach Nischen-Entwicklungen

Die Kunden sind hinsichtlich Langlebigkeit von Produkten und deren Reparierbarkeit eher skeptisch. So ergab eine Umfrage der Arbeiterkammer Wien im Sommer 2015, dass vor allem einkommensschwache Personen aus Angst vor Fehlinvestitionen das Risiko scheuen, höherpreisige Produkte anzuschaffen. Viele Befragte hatten negative Erfahrungen mit Geräten gemacht, die frühzeitig ihren Geist aufgaben. Das senkte die Erwartungen an die Lebensdauer bei Ersatzkäufen, wodurch ihr Vertrauen in die Langlebigkeit von Produkten noch mehr verloren ging.

Auch hinsichtlich des Interesses ist Reparierbarkeit mittlerweile ins Hintertreffen geraten. Das ergab eine Untersuchung am Wuppertal Institut, die 3.000 deutsche Patentanmeldungen in den letzten 20 Jahren ins Visier nahm. Und die an den Tag brachte, dass – obwohl die Zahl der publizierten Patente um 71,6 Prozent zulegte – die Veröffentlichung von Patenten zur Reparaturfähigkeit sich um 21,6 Prozent reduzierte. Andererseits erfreuen sich Nischenentwicklungen wie Repair-Cafés, „Unverpackt“-Läden und lokale Sharing-Initiativen steigender Nachfrage. Solche Trends machen jedoch unter Umweltschutz-Aspekten nur Sinn, wenn sie Effekte zur Ressourceneinsparung bringen und diese Vorteile nicht wieder durch Rebound-Effekte verspielen: Es hilft ökologisch wenig, Lebensmittelabfälle zu vermeiden und das gesparte Geld in eine Flugreise zu stecken. Und auf den ersten Blick erscheint es auch wirtschaftlich riskant, in Abfallvermeidung zu investieren, da es so gut wie keine Datenbasis für Maßnahmen zur Umweltschonung gibt.

Dennoch lässt das Beispiel Irland aufhorchen. Im Jahr 2004 verpasste sich der Inselstaat ein nationales Abfallvermeidungsprogramm. Die 25 Unterprogramme lassen nach Ansicht des Wuppertal Instituts erkennen, „dass durch konkrete Abfallvermeidungsmaßnahmen enorme ökonomische Potenziale freigesetzt werden können“. Die Investitionen bewegten sich im Bereich von 30.000 bis 374.000 Euro – insgesamt 1.428.000 Euro. Die erzielten Einsparungen hingegen lagen zwischen 142.000 und 6.000.000 Euro – insgesamt 23.241.000 Euro. Die kleinste Rendite erzielte das Ressourcenförderungsprogramm „Green Retail“. Der größten ökonomischen Effekte konnten sich „Green Healthcare“ und „Smart Farming“ erfreuen: Das Projekt zur „Einführung von Ressourceneffzienz und Abfallvermeidung in Gesundheitseinrichtungen“ brachte es auf eine 35fache und das Unternehmen „für ein besseres Ressourcenmanagement im Landwirtschaftssektor“ auf eine 44fache Rendite.

Solche Innovationsschübe sind mit einer Umweltpolitik nach Schema F nicht zu erzielen. So haben die politischen Vorgaben für Recyclingquoten und die Deponierung unbehandelter Abfälle zwar Investitionen und Innovationen in Deutschland in Gang gesetzt. Doch fehlen hierzulande weiterhin praktikable Rahmenbedingungen für Maßnahmen zur Abfallvermeidung. Nach Kenntnisstand des Wuppertal Instituts sind solche insbesondere dort wirksam, wo sie durch Investitionen unterstützt wird. Und wo „ein breites Spektrum an Akteuren vorausschauend eingebunden“ ist in den Lebenszyklus von Waren und Dienstleistungen. Als Beispiele werden beim schwedischen Umweltministerium die Abteilung „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren“ und die gemeinsame Stelle für Lebensmittelabfälle mit Unterstützung der Abfall- und Landwirtschaftspolitik in Belgien erwähnt. Deutschland sollte darum nicht nur seine Geschichte als Recyclingvorreiter weiterschreiben, sondern auch versuchen, sich in der Abfallvermeidung einen Namen zu machen, die schließlich an der Spitze der EU-Abfallhierarchie steht.

Dafür empfiehlt das Wuppertal Institut die Setzung von klar definierten und quantifizierbaren Indikatoren und Zielen. Schlägt die Einbindung von Kommunen und Industrie nach dem Vorbild des englischen Courtauld Commitment zur Reduktion von Lebensmittel- und Verpackungsabfällen vor. Regt an, sich Gedanken über die Art der Maßnahmen zu machen, die das Abfallaufkommen vermindern und/oder zur Kostenersparnis beitragen könnten. Und fragt nach Ansatzpunkten, die helfen, das Verhalten aller am Lebenszyklus von Waren und Dienstleistungen Beteiligten zu verändern.

Foto: YakobchukOlena / fotolia.com

(EU-Recycling 01/2018, Seite 21)

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