- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

„Augenmaß und Vernunft – dann könnten wir beruhigt in die Zukunft schauen“

Gäbe es eine gute Fee, dann könnte sie der Branche im neuen Jahr 2018 drei Wünsche erfüllen: Dass die unternehmerische Freiheit nicht weiter eingeschränkt wird. Dass Herausforderungen konstruktiv angenommen und dass Lösungen hierfür gesucht und gefunden werden. [1]

2018 erscheint das Fachmagazin EU-Recycling (1984 bis 2010 Sekundär-Rohstoffe) im 35. Jahrgang. Mit Blick nach vorne stellen wir daher diese erste Ausgabe im neuen Jahr unter das Motto „Zukunft der Abfall- und Recyclingwirtschaft“. Dazu haben wir einige Persönlichkeiten aus der Branche um eine Stellungnahme zu folgender Frage gebeten: „Was erwarten Sie von der Abfall- und Recyclingwirtschaft in den nächsten Jahren? Was erhoffen Sie sich für die nächsten Jahrzehnte von der Branche? Und was wünschen Sie ihr für die Zukunft?“

Unter folgendem Link können Sie sich die EU-Recycling Jubiläumsausgabe 01/2018 jetzt ansehen:

http://bit.ly/eur0118jubi [2]

 

[3]

Foto: EuRIC

Michael Schuy, Präsident European Recycling Industries‘ Confederation AISBL (EuRIC): Die von Menschen gemachte, CO2-bedingte Klimaerwärmung der Erde lässt nur den einen Schluss zu: Recycling ist eine unabdingbare Notwendigkeit in der Zukunft, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen. Insbesondere bei der Herstellung von Stahl aus Eisenerz wird viermal mehr CO2 produziert als beim Einschmelzen von Stahlschrott. Dessen ist man sich auch von politischer Seite bewusst. So hat die EU-Kommission ein Kreislaufwirtschaftspaket initiiert, das das Recycling in der EU voranbringen soll. Nun werden allerdings von Seiten der Gesetzgeber die Auflagen für unsere Branche immer höher und teilweise unerfüllbar. So sieht sich EuRIC unter anderem mit der Forderung nach wissenschaftlich unbegründeten Grenzwerten für Störstoffe im Abfall konfrontiert, bei deren Überschreitung Sekundärrohstoffe zu gefährlichen Abfällen würden. Damit käme ein Recycling nicht mehr in Frage!

Da es unmöglich ist, bei Millionen von Tonnen jedes Stück Abfall zu analysieren, müssten wir entweder unseren Beruf aufgeben oder uns zwangsläufig illegal verhalten. An der Schnittstelle von Chemikalien-Regulierung und Kreislaufwirtschaft fordern wir von den Gesetzgebern den völligen Verzicht auf Grenzwerte der für Mensch und Umwelt unbedenklichen Legierungsbestandteile sowie Augenmaß und Vernunft bei Auflagen. Dann könnten wir beruhigt in die Zukunft schauen.

[4]

Foto: BDSV

Andreas Schwenter, Präsident Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. (BDSV): Es ist unbestritten, dass das Stahlrecycling erhebliche Umweltvorteile gegenüber der Herstellung von Stahl aus Eisenerz und Kohle hat. Was ich mir wünsche, ist, dass deshalb die Tätigkeit unserer Mitgliedsbetriebe deutlich mehr Anerkennung als Umweltdienstleister erfährt. Ich habe in diesem Zusammenhang die Einführung eines „Umwelt-Bonus“ in die Diskussion gebracht und hoffe, dass wir darüber bald mit der Politik in einen konstruktiven Dialog eintreten können. Des Weiteren kann ich nur dringend fordern, dass die unternehmerische Freiheit unserer Recyclingbetriebe nicht weiter eingeschränkt wird. Anstatt ständig Abwehrkämpfe führen zu müssen, damit Überlassungspflichten gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nicht immer weiter ausgedehnt werden, müssen wir uns darüber unterhalten, wieder mehr Marktwirtschaft einzuführen. Potenziale sehe ich zum Beispiel bei der Elektroaltgeräte-Entsorgung.

[5]

Foto: VBS

Otto Heinz, Präsident Verband Bayerischer Entsorgungsunternehmen e.V. (VBS): Ziel der nächsten Jahre muss es sein, Stoffkreisläufe zu schließen, um das in den Abfällen schlummernde Potenzial an Sekundärrohstoffen noch besser zu nutzen.
Mögliche Ansatzpunkte wären beispielsweise:

■ in Europa: EU-weites Deponieverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle.
■ auf Bundesebene: Einführung eines Recyclinglabels, an dem der Verbraucher erkennt, welches Produkt besonders recyclingfreundlich hergestellt und verwertet wird.
■ auf Landesebene: Flächendeckende Einführung der Biotonne, wie es das Kreislaufwirtschaftsgesetz bereits seit 2015 vorsieht.

Ich erhoffe mir, dass unsere Branche trotz des Digitalisierungstrends langfristig ihre mittelständische Prägung behalten wird. Noch vor einigen Jahren konnte sich niemand vorstellen, wie neue Wettbewerber mit neuen Geschäftsmodellen traditionelle Branchen, wie beispielsweise das Taxigewerbe (Uber) oder die Hotellerie (Airbnb), unter Druck setzen. Es wäre naiv, ähnliches im Entsorgungsbereich für unmöglich zu halten. Ferner wünsche ich mir, dass unsere Branche keinem schleichenden Rekommunalisierungstrend zum Opfer fällt und der Wettbewerb um Entsorgungsdienstleistungen erhalten bleibt. Der Anteil kommunal bewirtschafteter Landkreise im Freistaat hat in den letzten zehn Jahren um mehr als 60 Prozent zugenommen – von 20 Kreisen (2006) auf 32 Kreise (2016). Diese Entwicklung hat vor allem auch negative Auswirkungen auf das Portemonnaie des Bürgers, denn wie eine Studie von IW Consult belegt, kommen dort trotz Mehrwertsteuerprivileg der Kommunen im Schnitt 14 Prozent höhere Gebühren zum Tragen.

[6]

Foto: PlasticsEurope Deutschland

Dr. Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer PlasticsEurope Deutschland e.V.: Die Verwertung von Altkunststoffen hat sich nach einigen Geburtswehen kurz nach Veröffentlichung der ersten Verpackungsverordnung in eine Erfolgsstory verwandelt, die fortgeschrieben und weiterentwickelt werden muss. Die deutsche Abfallwirtschaft nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Neue Sortiertechnologien trennen schon heute selbst heterogene Stoffströme effizient und führen sie je nach Güte zurück in den Wertstoffkreislauf. Stark verschmutzte Kunststofffraktionen wiederum werden dank neuester Verfahrenstechnik als Ersatzbrennstoffe in Zementwerken oder zur Erzeugung von Energie und Wärme genutzt. Künftig kommen rohstoffliche Verwertungsverfahren dazu, die Chemiebausteine zurück in den Chemieverbund führen. Daraus ergeben sich wichtige Potenziale: natürliche Ressourcen schonen, Treibhausgasemissionen vermeiden, Rohstoffe bereitstellen, Kreisläufe schließen.

Mein Wunsch für die Zukunft? Stoffliche und energetische Verwertung dürfen nicht vorschnell gegeneinander ausgespielt und rohstoffliche Verfahren müssen vorangebracht werden. Die Kombination aller Verwertungsarten ist derzeit die effizienteste Methode, um das Beste aus Wertstoffen herauszuholen. Und noch stärker Hand in Hand mit allen Partnern in der Wertschöpfungskette zusammen zu arbeiten, ist einer der dringlichsten Wünsche für die kommenden Jahre. Ziel muss dabei eine optimierte Systemausrichtung der Kunststoffnutzung und -verwertung nach den Vorgaben einer modernen Kreislaufwirtschaft sein. Kunststoffe sind nicht nur vielseitige und innovative Problemlöser in der Anwendung, sie lassen sich auch auf vielfältige Art und Weise verwerten.

[7]

Foto: Swiss Recycling

Markus Tavernier, Präsident Swiss Recycling: Über die letzten Jahrzehnte ist der Anteil stofflich verwerteter Abfälle stetig gestiegen. Mit über 50 Prozent konnte man das rezyklierfähige Potenzial der Siedlungsabfälle großmehrheitlich ausschöpfen. Wir sind damit nahe am Optimum – „end-of-pipe“ betrachtet. Neue Separatsammlungen wie zum Beispiel Kunststoffe zeigen, dass der ökologische Mehrnutzen tief und die ökonomischen Mehrkosten hoch ist. Es gilt darum in Zukunft, das Optimum aus einer gesamtheitlichen Perspektive zu finden. Hierfür braucht es ein umfassendes Zielsystem über simple Quoten hinaus, zum Beispiel mit Öko-Effizienz und Umwelt-Gesamtnutzen.

Damit heute noch nicht rezyklierfähige Produkte und Verpackungen in Zukunft stofflich verwertet werden können, gilt es das Thema „Eco-Design“ beziehungsweise „Design for Recycling“ stärker in die Entwicklungsprozesse zu integrieren. Branchen-Standards zum Einsatz von Materialien und der Vermeidung von Schadstoffen helfen, das Recycling weiter zu verbessern. Nur so können die ambitionierten Ziele der Kreislaufwirtschaft erreicht werden. Neben dem Eco-Design spielt die Erweiterte Produzenten-Verantwortung eine wegweisende Rolle. Das systemische Denken und Handeln in der ganzen Wertschöpfungskette ist der Schlüssel zu einem hochwertigen Recycling und zum Einsatz der Sekundärrohstoffe in hoher Qualität. Fazit: Wir wünschen uns eine Weiterentwicklung des Produkt-Designs und ein System der Erweiterten Produzenten-Verantwortung als Grundlage für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft.

[8]

Foto: TK Verlag

Elisabeth Thomé-Kozmiens­ky, Geschäftsführerin Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH: Seit Mitte der 1960er Jahre, zu Beginn der modernen Abfallwirtschaft, hat Deutschland bereits viel erreicht. Und doch können und wollen wir uns auf den vergangenen Erfolgen nicht ausruhen. Ganz aktuell bewegt die Branche derzeit das Thema Klärschlamm, welches seit der novellierten Verordnung in aller Munde ist, nicht nur bei den Vertretern der Abfall- und Recyclingwirtschaft. Aber gerade in diesem Bereich können wir in den nächsten Jahren viele technische Neuerungen und kreative Ansätze erwarten – die herrschende Aufbruchstimmung ist fast greifbar.

Ein weiteres Thema, das uns noch viele Jahrzehnte beschäftigen wird, ist der drohende Klimawandel. Diese Herausforderung wurde mittlerweile nicht nur von allen Nationen als reales Problem im Rahmen des Pariser-Protokolls anerkannt, es gibt auch kaum einen Wirtschaftsbereich, der von diesem Thema unberührt bleibt. Für die Abfall- und Recyclingwirtschaft brachte der Klimawandel in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit und (endlich) eine höhere Wertschätzung. Diese Anerkennung ist verdient und motiviert zum Weitermachen. Dank unserer Ingenieure werden wir auch in Zukunft zu den Vorreitern der Abfallwirtschaft gehören und damit einen wichtigen Beitrag im Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen leisten. Die zu erwartenden technischen und strukturellen Innovationen für einen sinnvollen und nachhaltigen Umgang mit unseren Abfallströmen werden weiterhin viel Stoff für spannende Diskussionen bieten. Für die Zukunft wünsche ich der Branche, dass sich die Politik nun verstärkt den EU-Ländern widmet, deren Abfallwirtschaft rudimentär bis unterentwickelt ist. Damit erreichen wir gesamtgesellschaftlich mehr, als wenn bereits hohe Umweltstandards immer weiter angehoben werden (zum Beispiel steigende Recyclingquoten oder sinkende Emissionswerte).

[9]

Foto: VDMA

Naemi Denz, Geschäftsführerin VDMA-Abfall- und Recyclingtechnik e.V.: Abfallwirtschaft ist international geworden! Wachstumsimpulse kommen aktuell nicht mehr aus dem heimischen Markt, sondern eher aus anderen Regionen der Welt. Für die Hersteller von Abfall- und Recyclingtechnik steigt die Exportquote seit Jahren kontinuierlich an. Hauptabsatzmarkt ist Europa mit einem Anteil von etwa 60 Prozent. Nach einer Umfrage des VDMA-Fachverbandes Abfall- und Recyclingtechnik sind die Erwartungen der Hersteller für das Jahr 2018 positiv. Fast die Hälfte rechnet mit einem Wachstum von bis zu fünf Prozent. Aber für eine Reihe von Technologien ist nicht sicher, ob sie vom Boom mittelfristig profitieren werden. Verbrennungstechnologien finden in Deutschland kaum einen Markt, im Ausland sieht das anders aus. China mit seinen riesigen Abfallmengen braucht schnelle Lösungen. Differenzierter ist das Bild in der Recyclingtechnik. Das Verständnis für die Produktion von Sekundärrohstoffen steigt an. An der Umsetzung hapert es allerdings häufig. Das braucht Zeit.

Know-how-Transfer und die kontinuierliche Entwicklung lokaler Lösungen ist die Aufgabe der Branche. Internationale Treffen, zum Beispiel auf Leitmessen für die Umwelttechnik, sind schon heute eine geeignete Plattform. Der Schwerpunkt verlagert sich allerdings rasant. Das Beispiel IFAT in München zeigt deutlich, wie sich Messeveranstaltungen erfolgreich an die Gegebenheiten anpassen. Regionale Ableger auf der ganzen Welt finden Zuspruch, auf die Leitmesse in Deutschland kommen die Entscheider trotzdem. Denn dort trifft sich die Branche und findet das entsprechende fachliche Rahmenprogramm statt.

[10]

Foto: Trimet Aluminium SE

Thomas Reuther, Präsident Verband Deutscher Metallhändler e.V. (VDM): Die mehrheitlich im VDM organisierten Unternehmen der Abfall- und Recyclingwirtschaft haben immer wieder die durch die Märkte oder die Politik entstandenen neuen Herausforderungen offen und konstruktiv angenommen und gelöst. Hierdurch hat die Branche wesentlich dazu beigetragen und tut dies noch, dass das Thema Nachhaltigkeit in Deutschland nicht nur eine leere Worthülse ist, sondern vielmehr im Weltmarktvergleich führend umgesetzt und gelebt wird.

Ich gehe auch davon aus, dass die vor uns liegenden Herausforderungen, sei es politischer oder wirtschaftlicher Art, konstruktiv angenommen und Lösungen hierfür gesucht und gefunden werden. Als Beispiel sei genannt, dass die neuen Herausforderungen an die unterschiedlichen Metallzusammensetzungen im Transportwesen (hybride Fertigungstechniken) zu neuen Lösungen in der Trennung und Sortierung führen müssen und werden. Den damit verbundenen Personal- und Investitionsaufwand stemmen heute schon viele Recyclingunternehmen; und dies, ohne zu wissen, ob eine gesicherte Amortisation in der Zukunft erfolgen wird.

Die Branche hat schon in den letzten Jahrzehnten gezeigt – denken wir an den Zerfall der Sowjetunion und der damit verbundenen Überflutung der Märkte mit NE-Metallen – dass sie schnell und kreativ auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren kann. Ich bin sicher, dass sie sich diese Flexibilität erhält und damit weiterhin wesentlich dazu beiträgt, dass dem Urban-Mining eine hohe Bedeutung beim Thema Rohstoffbeschaffung zukommt. Ich wünsche der Abfall- und Recyclingwirtschaft für die Zukunft, dass ihre volkswirtschaftliche Bedeutung in der Allgemeinheit mehr Beachtung findet. Dass die politischen und kommunalen Eingriffe und Auflagen zu keiner Situation führen, die ein wirtschaftliches Handeln unmöglich machen. Hiervon bin ich allerdings auch überzeugt.

[11]

Foto: ASA e.V./ASA GmbH

Thomas Grundmann, Vorsitz Arbeitsgemeinschaft stoffspezifische Abfallbehandlung e.V. (ASA): In den nächsten Jahren erwarte ich mehr Praxisorientierung. Die ASA und ihre Mitgliedsbetriebe sind stoffspezifisch orientiert und setzen sich für eine konsequente Umsetzung der Abfallhierarchie mit dem Ziel ein, die Kreislaufwirtschaft mit Blick auf Energieeffizienz sowie Ressourcen- und Klimaschutz langfristig mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Ich erhoffe mir, dass wir die abfallwirtschaftlichen Planungen verbessern und das Potenzial der stoffspezifischen Abfallbehandlung bei der Zusammenarbeit in der Praxis berücksichtigen. Die Branche ist eine der deutschen Zukunftsbranchen – durch innovative Technologien und hohe Standards weltweit führend und durch ihr Know-how auch zentral für den Umweltschutz hierzulande. Eine nachhaltige Ressourcenwirtschaft hat zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissionen geführt: durch das Recycling und die damit verbundene Energieeinsparung sowie dadurch, dass organische Abfälle nicht mehr unbehandelt auf Deponien abgelagert, sondern vorbehandelt und zu Sekundärbrennstoffen weiterverarbeitet wurden. Das Potenzial, dass die MBA-Anlagen kennzeichnen, sollte berücksichtigt werden. Dazu gehören der modulare Aufbau, eine hohe Flexibilität und ein großes Potenzial zur Weiterentwicklung. Der Branche wünsche ich für die Zukunft, dass sie es in Abstimmung mit der Politik schafft, klare und schlanke Regelungen auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen, und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern stringenter umgesetzt wird.

[12]

Foto: BRV

Martin Car, Geschäftsführer Österreichischer Baustoff-Recycling Verband (BRV): Die Recyclingbranche wird an Bedeutung gewinnen – einerseits ist das Verständnis für Recyclingbaustoffe und deren Akzeptanz in der Zwischenzeit in der Bauwelt vorhanden, andererseits berücksichtigen zwischenzeitlich einschlägige Normen und Standards diese hochwertigen Baustoffe. Die nachweislich und rechtlich über die europäische Bauprodukteverordnung und die nationale Gesetzgebung geforderte Qualität sichert dem Auftraggeber in Österreich die erwartete Qualität zu. Daher wäre der nächste logische Schritt, bei jedem Bauvorhaben eine Recyclingquote einzufordern, um möglichst regional und damit klimaschonend die Verwertung zu forcieren, wie dies auch vom Österreichischen Baustoff-Recycling Verband vorgebracht wird. Des Weiteren sollte die Entwicklung neuer Baustoffe beziehungsweise Bauteile zukünftig recyclinggerecht erfolgen: Wenig Schadstoffe, wenig Verbundbaustoffe, stattdessen trennbare Bauformen werden erforderlich sein, um ein sortenreines und hochwertiges Baustoffrecycling zu gewährleisten.

Beim Europäischen Baustoff-Recycling Kongress der EQAR am 22. März 2018 in Wien werden viele Zukunftsthemen angesprochen werden, darunter auch die Erwartung der Europäischen Kommission. Mit etwa 80 Prozent Recyclingquote hoffen wir, ein Vorbild zu sein, und zeigen, dass eine Recyclinggesellschaft im Bauwesen verwirklichbar ist. Ich wünsche der Recyclingwirtschaft einen fairen Wettbewerb und Anerkennung für ihre Leistungen, die einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.

[13]

Foto: bvse

Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse): Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden davon geprägt sein, die Kreislaufwirtschaft in unserem Wirtschaftssystem zu verankern. Noch stehen wir am Anfang. Wir werden erst dann am Ziel sein, wenn wir erreicht haben, dass wir Ressourcen so nutzen, dass wir sie gebrauchen, aber möglichst nicht verbrauchen. Das setzt gesicherte Stoffströme und eine Steigerung des Einsatzes von heimischen Sekundärrohstoffen in der gewerblichen und industriellen Produktion voraus. Für die erfolgreiche Umsetzung einer zukünftigen Kreislaufwirtschaft ist dabei nicht allein die Sammelmenge, sondern vor allem auch die Qualität der Sekundärrohstoffe entscheidend. Hier gibt es noch jede Menge Optimierungspotenzial, das gehoben werden muss.

Das betrifft auch die Sammelsysteme sowohl bei privaten Haushalten und teilweise immer noch bei gewerblichen Anfallstellen. Die Mischabfallsammlungen, egal in welcher Zusammensetzung, müssen konsequent zurückgedrängt werden. Die Qualität der gewerblichen Monofraktionssammlungen ist hier beispielgebend. Diese müssen daher ausgebaut und gestärkt und nicht zurückgedrängt werden, wie dies leider seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 zu beobachten ist.

Ohne starke privatwirtschaftliche und mittelständische Strukturen werden wir keine stabile und belastbare Kreislaufwirtschaft in unserer Volkswirtschaft, weder national noch auf europäischer Ebene, verankern können. Deshalb sollte das Instrument der kommunalen Inhousevergabe auch endlich in der Mottenkiste der Staatswirtschaft verstauben und Entsorgungsdienstleistungen für die Abfälle aus privaten Haushalten zwingend von den zuständigen Kommunen ausgeschrieben werden.

[14]

Foto: VOEB

Hans Roth, Präsident Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB): Den Wandel vom Abfallentsorger zum modernen Ressourcenmanager haben viele Unternehmen der Branche bereits vollzogen und mit Innovationen sowie Investments nicht nur ökologisch neue Standards gesetzt, sondern auch ökonomisch einen zukunftsträchtigen Markt eröffnet. Jetzt geht es darum, dass Politik und Verwaltung mit dieser Entwicklung Schritt halten und Rahmenbedingungen schaffen, damit wir diesen Erfolgsweg weiter beschreiten können.

Für Österreich bedeutet das etwa ein bundesweit einheitliches Ressourcenwirtschaftsgesetz statt neun unterschiedlicher Abfallwirtschaftsgesetze. Das bringt mehr Fairness am Markt und weniger Bürokratie in der Verwaltung. Auf europäischer Ebene wiederum gilt es in allen EU-Ländern ein Deponieverbot durchzusetzen, wie es in Österreich bereits seit 2004 in Kraft ist. Es kann nicht sein, dass in 23 Ländern noch immer jedes Jahr insgesamt 90 Millionen Tonnen Müll einfach vergraben werden. Hier muss voll und ganz in Richtung Recycling umgedacht werden – das sichert die Umweltqualität und ermöglicht ökonomischen Fortschritt.

Wenn wir mit effizientem Rohstoff- und Ressourcenmanagement einen Zukunftsmarkt zum Wohle von Umwelt und Wirtschaft erhalten wollen, müssen alle Teilnehmer gemeinsam dessen Weiterentwicklung vorantreiben. So wie Betriebe und Industrie ihre Prozesse laufend auf den Prüfstand stellen, um Erfolg und Sicherheit in einer immer komplexer werdenden Welt zu gewährleisten, muss das auch die Politik tun. Wir wünschen uns regelmäßigen Dialog und kontinuierliche Verbesserungen bei umweltpolitischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein gutes Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist das Gebot der Stunde – und kommt allen zugute.

[15]

Foto: DUH

Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH): Hohe Recyclingquoten sind nicht ausreichend, um eine bestmögliche Wertstoffnutzung sicherzustellen. Derzeit eignen sich zurückgewonnene Recyclingmaterialien zu häufig nicht für denselben Verwendungszweck. Um Kreisläufe zu schließen, müssen Standards zur Recyclingfähigkeit und ökonomische Anreizsysteme zur Verwendung von Rezyklaten entwickelt werden. Innovative und abfallvermeidende Geschäftsmodelle wie „Nutzen statt Besitzen“, „Leihen statt kaufen“ oder „Wiederverwenden statt Entsorgen“ sind entscheidende Treiber einer ressourceneffizienten Wirtschaft. Die Steuerlast der Arbeit muss in Richtung Ressourcenverbrauch oder Umweltbelastungen verlagert werden, damit Modelle der Wiederverwendung gegenüber linearen Konzepten der Einmalnutzung von Produkten eine tatsächliche Aufwertung erfahren. Abfallvermeidung und Wiederverwendung entsprechen der obersten Stufe der Abfallhierarchie und müssen gesetzlich mit verbindlichen Zielen verankert werden.

Ressourcenschutz lässt sich nur ganzheitlich gestalten: von der Rohstoffgewinnung über Verarbeitung, Gestaltung der Produkte, Handel und Konsum bis zur Wiederverwendung oder Entsorgung. Die DUH fordert, dass beispielsweise im Elektrogerätegesetz Vorgaben zur Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und zum Einsatz von Recyclingmaterial verankert werden. In der EU-Öko-Designrichtlinie und den zugehörigen produktspezifischen Ökodesign-Verordnungen sollten diese Prinzipien für alle Produkte europaweit verbindlich gemacht werden.

[16]

Foto: VKU

Patrick Hasenkamp, Vizepräsident Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU): Jedes Jahr verbrauchen die Menschen auf der Welt mehr Ressourcen, als reproduziert werden. Wie viele andere Akteure beschäftigen sich auch die kommunalen Unternehmen mit diesem Problem und erarbeiten Lösungen.

Die kommunalen Abfallwirtschaftsbetriebe entsorgen nicht nur, sie setzen die Abfallhierarchie um, schließen regionale Kreisläufe und sind erste Ansprechpartner für die Bürger. Sie kümmern sich darum, dass die Abfälle sortenrein erfasst werden – eine elementare Voraussetzung für hochwertiges Recycling. Außerdem betreiben sie Biogasanlagen und Müllheizkraftwerke, mit denen Strom, Wärme und Gas produziert werden. In der Kopplung mit den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr liegen große Potenziale für den Klimaschutz, die stärker genutzt werden müssen.

Ein Punkt darf aber nicht unerwähnt bleiben: Wenige Länder in Europa haben so ein hohes Abfallaufkommen wie Deutschland. Die kommunalen Unternehmen werben seit Jahrzehnten für Abfallvermeidung und Wiederverwendung. Das Aufkommen zu senken, liegt aber nicht primär in ihrer Hand. Insbesondere ist es an der Politik, geeignete Vorgaben für die Industrie zu machen. Die auf den Markt gebrachten Produkte müssen abfallarm gestaltet und lange verwendbar sein. Sie müssen repariert werden können und, wenn sie Abfall werden, gut recycelbar sein.

Das alles sind große Herausforderungen, die nur in einem branchenübergreifenden Dialog gelöst werden können. Die kommunale Abfallwirtschaft steht bereit, sich daran zu beteiligen.

[17]

Foto: BDE

Peter Kurth, Präsident Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE): Die Recyclingwirtschaft ist der Schlüssel zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die Bekämpfung des Klimawandels, der Vollzug der Energiewende und eine nachhaltige Ressourcenschonung lassen sich nur mit einer echten Kreislaufwirtschaft realisieren. Die Unternehmen der Recyclingwirtschaft sind bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Der Branchenschwerpunkt in Deutschland hat sich in den letzten Jahren bereits von der Transportdienstleistung hin zur Produktion von Recyclingrohstoffen gewandelt.

Ich erwarte, dass wir in den nächsten Jahren – nicht zuletzt durch die Einführung des Verpackungsgesetzes im vergangenen Jahr – intensiv daran arbeiten, unser Hauptziel zu erreichen, nämlich mit höheren Quoten eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen, die diesen Namen auch wirklich verdient. Voraussetzung ist, dass alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette effektiv miteinander kooperieren. Dazu sind sachgerechte Anreize nötig, insbesondere für die Industrie, damit sie Rezyklate stärker im Produktionsprozess zum Einsatz bringt. Eine echte Kreislaufwirtschaft trägt entscheidend zur Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme bei. Aufgabe der Politik wird es daher sein, verlässliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass der Kreis auch wirklich geschlossen wird. Den Unternehmen wünsche ich, dass sie die Zeichen der Zeit bei der Digitalisierung erkennen und sich mit klugen Entscheidungen in diesem Bereich fit für die Zukunft machen.

Foto: Sergey Nivens / fotolia.com

(EU-Recycling 01/2018, Seite 14)

[18]

Anzeige