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Wie können Autos in Zukunft recycelt werden?

Elektromobilität, Fahrzeugbatterien und Materialien für die „Autos der Zukunft“ – sie waren die Topthemen des Internationalen Automobilrecycling-Kongresses (IARC) vom 14. bis 16. März in Wien. Wie können die zukünftigen Fahrzeuggenerationen recycelt werden? Welche Technologien braucht es dafür, und welche Zukunft hat das Auto, wenn der Handel in wichtigen Absatzmärkten durch Protektionismus – siehe die Importzölle der US-Administration auf Stahl und Aluminium – erschwert wird?

Das beschäftigt die Branche. Dabei werden nach Einschätzung des IARC-Referenten Rajesh S. Desor (Adams Scrap Recycling, USA) Importzölle den schwächelnden US-Fahrzeugmarkt nicht fit machen. Wie kann das auch gelingen, wenn die Vereinigten Staaten gewisse Stahlqualitäten für die Fahrzeugproduktion gar nicht mehr selber fertigen und daher importieren müssen? Erwähnt sei außerdem die Entwicklung der Ökonomie des Teilens: Auch in den USA und vor allem in den amerikanischen Großstädten ist das Carsharing auf dem Vormarsch; nicht das Besitzen eines Fahrzeugs ist wichtig, sondern die zweckgebundene Nutzung – dass man via Fahrgemeinschaften von A nach B kommt. Studien belegen, dass das Auto als Statussymbol bei den heute 18- bis 30-Jährigen an Bedeutung verliert.

Wie auf dem Internationalen Automobilrecycling-Kongress in Wien mit über 200 Branchenteilnehmern weiter zu erfahren war, wird die moderne Fahrzeug-Leichtbauweise stark geprägt durch ein Multimaterialdesign. So informierte Dr. Beate Kummer (Scholz Recycling GmbH & Co. KG, Deutschland) darüber, dass immer mehr Verbundmaterialien, Kunststoffe, hochfeste Stähle und neue Aluminiumlegierungen in Fahrzeugen eingesetzt werden. Die hohe Komplexität der Fahrzeugkomponenten stellt das Recycling vor große Herausforderungen. Insbesondere für kohlefaserverstärkte Kunststoffe, die zunehmend in Strukturbauteilen Verwendung finden – weil sie große Lasten auffangen können, gibt es noch keine geeigneten und wirtschaftlichen Aufbereitungsverfahren. Carbonfasern können mit konventionellen Methoden praktisch nicht abgetrennt und stofflich verwertet werden. Müllverbrennungs- oder Waste-to-Energy-Anlagen nehmen Mono-Carbonfaserfraktionen wegen ihrem schlechten Ausbrandverhalten und Gefahren für die Anlagentechnik in der Regel nicht an. Eine Untersuchung der RWTH Aachen hat ergeben, dass Carbonfasern mit den üblichen Verbrennungsverfahren für Abfälle nicht vollständig zerstört werden können. Übrig bleiben oft winzige Faserbruchstücke, die als krebserregend einzustufen sind.

Worauf die Gesetzgebung reagieren muss

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Dr. Beate Kummer (Scholz Recycling), Foto: ICM AG

An die Automobilindustrie appellierte Kummer, beim Produktdesign auch die Entsorgung der jeweiligen Materialien zu bedenken und die Recyclingfähigkeit zu berücksichtigen. Die Hersteller sollten ihrer Produktverantwortung gerecht werden. An die Politik und an Artemis Hatz-Hull von der EU-Kommission gewandt, die sich zuvor zur Zukunft der ELV-Direktive äußerte, appellierte Kummer, sich für eine neue EU-Rahmenrichtlinie einzusetzen, die die rasante Fortschritte bei der Materialzusammensetzung von Fahrzeugen aufgreift. Das schließt die Entwicklung von Elektro- und Hybridautos und entsprechenden Fahrzeugbatterien (Lithium-Ionen-Batterien) ein. „Darauf muss die europäische und nationale Gesetzgebung reagieren“, erklärte Kummer. Die Recyclingziele könnten sonst nicht erreicht werden. Die Behandlungsanlagen in Europa seien nicht vorbereitet auf Carbonfasern, Verbundmaterialien, elektronische Ersatzteile und gemischte Kunststofffraktionen.

Immer noch ungelöst ist auch das Dauerproblem der illegalen Verschiebungen von nicht mehr funktionstüchtigen, als Gebrauchtwagen deklarierten Altfahrzeugen nach Afrika und Asien. Nur 20 Prozent der End-of-Life-Vehikel (ELV) in Europa werden laut Kummer recycelt – in modernen Anlagen, nach neuestem Stand der Technik. Der Rest verschwinde oft spurlos. Jedes Jahr gingen den EU-Mitgliedstaaten zwölf Millionen Tonnen Kunststoffe, Stahl und Aluminium verloren. Effektive Kontrollen blieben weiterhin aus, und Entsorgungszertifikate zeigten selbst in fortschrittlichen Recyclingländern wie Deutschland zu wenig Wirkung.

Wie könnte eine neue ELV-Direktive aussehen? Sie bindet Stakeholder ein, bestimmt Mindestsammelquoten sowie Qualitäts- statt Quantitäts-Recyclingquoten für ELV, implementiert neue Technologien, definiert die Herstellerverantwortung, schreibt fest, was ein Gebrauchtwagen ist, und führt einen Identitätsnachweis für End-of-Life-Vehikel ein. Beate Kummer sprach sich zudem für ein finanzielles Anreizsystem aus: durch das Fahrzeugletztbesitzer bei der Abgabe ihres Altautos bei einem zertifizierten Verwertungsbetrieb bis zu 500 Euro – je nach Zustand – bekommen können. Wichtig seien transparente Stoffstromwege, Entsorgungssicherheit und ein regelmäßiger Dialog innerhalb der Lieferkette.

Was hineinkommt, kommt zurück

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Auf dem Podium (v.l.): Olivier François, Chris Slijkhuis, Jens Warsen und Julien Van Damme (Foto: ICM AG)

Olivier François (EuRIC, Galloo Recycling, Belgien) verwies in seinem Vortrag auf den steigenden Anteil an Persistenten organischen Schadstoffen (POP) und gefährlichen Flammschutzmitteln in Autotextilien (Sitzpolstern, Fußmatten, Teppichen und vielem mehr). „Wenn eine Substanz hineinkommt, kommt sie auch zurück“, stellte François fest und kritisierte hier die mangelnde Informationsbereitschaft der Hersteller: „Die Recycler brauchen Informationen, was in den zu behandelnden Stoffen drin ist. Die Hersteller müssen besser und transparenter informieren. Die Umweltauswirkungen gehen zu 80 Prozent auf das Design zurück. Die bestehenden Regularien müssen europaweit harmonisiert werden. Sie widersprechen sich und gehen auf das wachsende POP-Problem zu wenig ein.“

Chris Slijkhuis (Müller-Guttenbrunn Group, Österreich) unterstrich, dass der Anteil an mehrschichtigen Kunststoff-/Metallverbunden, POP-Materialien sowie bromierten Flammschutzmitteln im Fahrzeugbau zunimmt und dadurch das Recycling erschwert. Den Anteil an Kunststoffen, die für Elektro(nik)geräte und Fahrzeuge gebraucht werden, bezifferte der Experte mit acht Millionen Tonnen – Tendenz steigend. Die Komponenten könnten zu 65 Prozent werkstofflich, das heißt für technische Anwendungen wiederverwendet werden, was allerdings nicht geschieht. Keine zehn Prozent der in Fahrzeugen und in Elektro(nik)geräten verbauten Kunststoffe gelangten in Recyclingprozesse. Die zu 35 Prozent schadstoffbelasteten Kunststoffe gingen ausnahmslos in die Verbrennung, berichtete Slijkhuis. Die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten sollten die POP-Problematik nicht auf die lange Bank schieben, sondern wirklich ernst nehmen und endlich handeln. In den Diskussionsrunden mit dem Publikum wurde auch die Befürchtung geäußert, dass die Leichtbauweise moderner Fahrzeuge auf Kosten der Fahrzeugsicherheit geht. Was in diesem Zusammenhang Lithium-Ionen-Batterien in Elektro- und Hybridautos alles anrichten können, stellte Johan van Peperzeel (Van Peperzeel B.V., Niederlande) dar. So entzündete sich im Fall eines Elektrorollers zur Entsorgung das Lithium-Ionen-Batteriepack. Erst nach zehn Minuten konnte das Feuer mit Sand erstickt werden. Das Batteriepack qualmte aber weiter und wies noch 24 Stunden später eine Temperatur von 98 Grad Celsius auf. Das Unternehmen Van Peperzeel entwickelt und vertreibt spezielle Brandschutz-Transportcontainer und Löschmittel für Lithium-Ionen-Batterien.

Barrieren für das Recycling in Japan

Ein interessanter Länderbericht richtete den Blick auf das Automobilrecycling in Japan. Wie Referent Kazunori Kitagawa (Japan Productivity Center) hier einräumte, sind aber noch einige Barrieren zu beseitigen. Zwar wachse im Land das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft, für Umwelt-, Klima-und Ressourcenschutz, doch passiere diesbezüglich auf gesetzlicher Ebene viel zu wenig. Als Fortschritt wird seitens der Regierung die erweiterte Herstellerverantwortung gesehen. Wer in Japan ein Auto kauft, muss eine Recyclinggebühr in Höhe von umgerechnet 50 bis 100 Euro an eine offizielle Stiftung zahlen. Über die Recyclinggebühr werden die Abfallbehandlungskosten und der Transport zu den Einrichtungen finanziert. Denn die Fahrzeughersteller sind nur dazu verpflichtet, Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), Airbags und Reststoffe aus der Autoverwertung zu entsorgen. Wird das Altfahrzeug exportiert, wird dem letzten Fahrzeughalter die Recyclinggebühr erstattet. Plänen zufolge könnten die Käufer von der Recyclinggebühr ganz befreit sein, wenn ein gekauftes Fahrzeug mehr Kunststoffrezyklate enthält.

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Der IARC – ein idealer Treffpunkt für Ideenaustausch und Networking (Foto: ICM AG)

Recycling in Japan ist an strenge gesetzliche Auflagen gebunden. Und bei Sammlung, Trennung und Behandlung von Abfällen hat sich in den letzten Jahren einiges verbessert. Allerdings schreibt jedes Gesetz etwas anderes vor, beklagte Kitagawa, was Verwirrung und Widersprüche schaffe. Es gibt zu viele Einzelgesetze und keinen übergeordneten Rechtsrahmen. Die Herstellerverantwortung sei ungenügend geregelt und halte viele Schlupflöcher offen. Auch werde es einem als Unternehmer fast unmöglich gemacht, auf sich verändernde Marktbedingungen zu reagieren. Wenn jemand als Kunststoffrecyclingbetrieb firmiert, darf er nur Kunststoffe recyceln. Schredderbetriebe, die für Autos zugelassen sind, dürfen nur Autos schreddern und nichts anderes – ganz gleich, ob sich das Geschäft für den Betrieb lohnt oder nicht. Genehmigungen für neue und andere Behandlungsanlagen würden von den zuständigen Behörden in den Kommunen kaum mehr erteilt.

Der nächste Internationale Automobilrecycling-Kongress (IARC) findet vom 20. bis 22. März 2019 in Wien statt.


EU-Studie zum unbekannten Verbleib von Altfahrzeugen

Das Ökoinstitut hat im Auftrag der Europäischen Kommission ermittelt, dass in den Jahren 2008 bis 2014 in der EU-28 rund 3,5 bis fast 4,7 Millionen Altfahrzeuge pro Jahr verschwanden. Der Anteil in Deutschland von 2010 bis 2013 lag bei 1,25 Millionen Altfahrzeugen pro Jahr. Die Datenermittlung war nach Aussage der Gutachter schwierig, weil es kein einheitliches Registrierungs- und Deregistrierungssystem gibt. Eine europaweit einheitliche Harmonisierung zur Überwachung des Fahrzeugbestands, der Anmeldung und Abmeldung sei deshalb dringend angezeigt.

Das Ausmaß illegaler Aktivitäten wurde ebenfalls untersucht. So wurde in behördlichen Kontrollen, die in Frankreich sowie Großbritannien durchgeführt wurden, ermittelt, dass es in diesen beiden Ländern allein etwa 1.500 illegale Altfahrzeughändler und Demontagebetriebe gibt. In allen anderen Mitgliedstaaten gibt es dazu bislang keinen Überblick. Das Gutachten bestätigt die Auffassung der Scholz Gruppe, finanzielle Anreize für den Letztbesitzer einzuführen. Es sei nun an der Zeit, schnellstmöglich die vorgeschlagenen Maßnahmen politisch und mit allen Stakeholdern zu diskutieren. Um den Rücklauf der Altfahrzeuge zu erhöhen, soll das „CoD (Certificate of Destruction)“ oder in Deutschland „der Verwertungsnachweis“ mit einem Sanktionsmechanismus kombiniert werden. Wenn bei einer endgültigen Abmeldung der Behörde kein CoD vorgelegt werden kann, soll dies strafbewährt sein. Zudem schlagen die Gutachter vor, finanzielle Anreize für den Letztbesitzer vorzusehen, damit das Altfahrzeug in zertifizierten Anlagen abgegeben wird.


Foto: ICM AG

(EU-Recycling 05/2018, Seite 42)

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