r4-Projekte: Die Rohstoffbasis für Zukunftstechnologien sichern

Ziel der BMBF-Fördermaßnahme ist es, wirtschaftsstrategische mineralische Primär- und Sekundärrohstoffe in Deutschland zu erschließen und den Hightech-Standort zu sichern.

Deutschlands Versorgungslage bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien ist kritisch und seine Import-Abhängigkeit groß. Um die Rohstoffbasis an Hightech-Ressourcen zu sichern, legte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2012 ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm für wirtschaftsstrategische Rohstoffe auf. Die Projekte der daran anschließenden Fördermaßnahme für „Innovative Technologien für Ressourceneffizienz“ – kurz r4 – haben jetzt ihre Zwischenberichte verfasst. Sechs dieser Projekte wurden auch auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz am 20. März 2018 in Berlin vorgestellt.

Rewita: Rohstoffpotenzial von Tailings untersucht

Im früheren Harzer Erzbergwerk Rammelsberg im Harz lagern als Reste aus der Erzaufbereitung feinkörnige Schlämme der Bergeteiche. Diese sogenannten Tailings enthalten Wertstoffe wie Bariumsulfat, Kupfer, Zinn, Blei, Cobalt, Gallium und Indium, sind aber so fein, dass mechanische Sortierverfahren keine endgültigen Konzentrat- und Bergequalitäten hervorbringen können werden.

Durch Feinkornflotation lassen sich jedoch verschiedene werthaltige Vorkonzentrate wie Barytkonzentrat, Sulfidkonzentrat oder Bergematerial trennen. Das Projekt „Recycling bergbaulicher Aufbereitungsrückstände zur Gewinnung wirtschaftsstrategischer Metalle am Beispiel der Tailings am Bollrich in Goslar“ – kurz Rewita – untersucht das anthropogene Rohstoffpotenzial dieses Materials. Eine erste Abschätzung ergibt nach gegenwärtigem Stand ein Potenzial von circa 30 bis 50 Tonnen Indium bei einem Mittelwert von ~ 6 μg/g, 130 bis 200 Tonnen Gallium bei einem Mittelwert von ~29 μg/g und 700 bis 1.300 Tonnen Kobalt bei einem Mittelwert von ~280 μg/g. Der Wert des enthaltenen Indiums, Galliums und weiterer Metalle sowie des Industrieminerals Baryt wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Die Projektmitarbeiter Madita Flamm und Torsten Zeller (CUTEC Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum) gehen davon aus, dass die Projektergebnisse auf vergleichbare Tailings zur Gewinnung von Wertstoffen übertragen werden können.

Lan-Tex: Lanthan aus Prozesswässern separieren

Zu den r4-Projekten für die Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen gehört auch Lan-Tex. Es hat sich darauf konzentriert, Lanthan aus Prozesswässern der Erdölindustrie zu separieren. Bislang lohnten sich die klassischen Metallrückgewinnungsverfahren nicht. Eine neue Methode soll die Seltene Erde aus den Abwasserströmen herausfiltern – durch Einsatz von Polyelektrolyt-ausgerüsteten Textilien.

Allerdings ist eine direkte Abscheidung aus den Prozesswässern nicht möglich: In einem vorgeschalteten Prozess muss zunächst Aluminium selektiv abgetrennt werden, bevor Lanthan aus der verbleibenden Lösung über eigens entwickelte Textilien separiert werden kann. Die Textilien sollen über viele Zyklen wiederverwendet werden können. Das von Klaus Opwis (Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West gGmbh) vorgestellte Verfahren kann mittelfristig in unterschiedlichster Weise eingesetzt werden: sowohl bei der Rückgewinnung von Edelmetallen wie auch bei der Dekontamination von schwermetallhaltigen Grund- und Oberflächenwässern.

AddResources: Antimon und Titan recycelt

Lassen sich Antimontrioxid und Titandioxid aus Kunststofffraktionen von Elektroaltgeräten rückgewinnen und wiedereinsetzen? Dieser Frage geht seit Projektbeginn im März 2015 das Verbundprojekt AddResources nach, das Martin Schlummer und Fabian Wolff (Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV) auf dem Berliner Kongress vorstellten. Mithilfe des CreaSolv-Verfahrens werden die Gehäusekunststoffe aufgelöst, Antimon und Titan aus der Kunststofflösung separiert und zu Sekundär-Additiven aufbereitet, die keine Wirkungseinbußen zeigen und besser als Neuware abschneiden sollen. Der Prozess soll technisch möglich und wirtschaftlich evident sein, die Resultate sind RoHS-, REACh- und CLP-konform. Allerdings – so der Ausblick der Forscher – bestehe in Deutschland ein Umsetzungsdefizit aufgrund fehlender Kapazitäten zur Trennung flammschutzfreier und flammschutzhaltiger Kunststoffe aus Elektroaltgeräten. Die Kapazitäten in den Niederlanden (Coolrec) und Österreich (MGG Polymers) sind zehnfach höher als hierzulande.

AgREE: Silberrecycling aus Elektrolyse-Elektroden

Das Interesse der im AgREE-Projekt arbeitenden Forscher richtet sich auf die sogenannte Sauerstoffverzehrkathode (SVK) der Covestro Deutschland AG. Diese Gasdiffusionselektrode findet bei der Chloralkali-Elektrolyse Anwendung, da sie gegenüber dem Stand der Technik bis zu 30 Prozent an elektrischer Energie spart. Gebrauchte SVKs enthalten 70 Prozent Silber, 25 Prozent Nickel und fünf Prozent Polytetrafluorethylen (PTFE), bekannt als Teflon.

Ziel dieses r4-Projektes ist die Entwicklung und technische Umsetzung eines Recyclingprozesses für diese Elektrodenmetalle: Bislang wird die Rückgewinnung von Silber und Nickel durch PTFE massiv behindert. Durch effektiv recycelte SKV könnten in einigen Jahren 350 Tonnen Silber und 125 Tonnen Nickel jährlich recycelt werden. Bislang konzentrierte sich das Projekt auf Verfahren zur Abtrennung von PTFE, zur Trennung von Silber und Nickel und zum Wiedereinsatz des gewonnenen Silbers in neuen SKV-Elektroden. Die nächsten Schritte sehen die detaillierte ökologische und ökonomische Bewertung der Teilverfahrensschritte vor.

Dibras: Metalloxide zur Briketts

Der „direkte Einsatz von selbstreduzierenden Briketts“ in den Aggregaten der Stahl- und Gießereiindustrie ist das Ziel von „Dibras“. Dabei geht es um in Schlacken und Filterstäuben als Metalloxide gebundene Metalle wie Chrom, Kobalt, Molybdän, Nickel, Niob, Vanadium, Tantal und Wolfram. Schlacken, Filterstäube und Walzzunder, aber auch Späne und Schlämme dieser wirtschaftsstrategischen Materialien können in der Stahl-, Nicht-Eisen-, Metall- und Gießereiindustrie nur bedingt wiederverwendet werden. Zur Rückgewinnung erarbeiten die Dibras-Forscher keine aufwändigen Aufbereitungsprozesse, sondern wollen die Stoffe in Form aufkonzentrierter, legierter Briketts wieder in den ursprünglichen Prozess rückführen. Die Besonderheit: Eisenoxid Magnetit (Fe3O4) dient als „Sammler“ für besonders hohe Metallkonzentrationen. Wie Rüdiger Deike (Universität Duisburg-Essen, Institut für Technologien der Metalle) verdeutlichte, lässt sich der Magnetit relativ leicht und kostengünstig separieren und die anderen Legierungselemente somit aufkonzentrieren. Anschließend wird die magnetische Fraktion durch Reduktion konditioniert und zu Briketts verdichtet.

Semarec: Aufbereitung von NdFeB-Magneten?

Kernthema des Semarec-Projekts (Seltenerd-Magnet-Recycling) ist die Rückgewinnung von Seltenen Erden wie Neodym, Dysprosium, Praseodym oder Terbium. Insbesondere wurde untersucht, wo und in welcher Menge Neodym-Eisen-Bor-Abfälle verfügbar sind, welche Demontage- und Aufbereitungsverfahren zur Verfügung stehen und inwieweit die Materialien wirtschaftlich rückgewonnen werden können. Dafür wurden unter Federführung der Technischen Universität Clausthal/Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik vier Stoffstromgruppen – Festplatten, Industriemotoren, Pedelecs und Lautsprecher – einer genaueren Analyse hinsichtlich Demontierbarkeit sowie Magnet- und Seltenen Erden-Gehalten unterzogen. Sie ergab, dass mit bisherigen Verfahren keine rentable Aufbereitung von NdFeB-Magneten erfolgen kann, aber eine solche bei veränderten Schrott- und Ankaufspreisen und verbesserten Rückgewinnungsprozessen möglich ist. Auch könnte sich industrielles Recycling bei größeren Mengen oder besserer Kennzeichnung NdFeB-haltiger Geräte rechnen.

Die entsprechenden vollständigen Beiträge können in S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, d. Goldmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 11, Neuruppin 2018, ISBN 978-3-944310-40-4 nachgelesen werden. Die Kurzberichte zu den Zwischenständen sämtlicher r4-Projekte sind unter www.fona.de/mediathek/pdf/18_Broschuere_R4_gesamt_final.pdf erhältlich.

Abbildung: Inna / fotolia.com

(EU-Recycling 05/2018, Seite 60)

Anzeige