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Gefahrstoffe – eine ständige Herausforderung

Im Jahr 2016 gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Vergleich zum Vorjahr erheblich mehr Anerkennungen von Berufskrankheiten (+23,7 Prozent), mehr berufsbedingte vorzeitige Rentenfälle (+5,4 Prozent) und mehr Todesfälle infolge einer Berufskrankheit (+6,7 Prozent).

Besonders stark stiegen die neu eingeführte Berufskrankheit Hautkrebs durch UV-Strahlung und astbestbedingte Berufskrankheiten. Wie wichtig das Thema Gefahrstoffe für den Arbeitsschutz ist, unterstreicht auch die neue Kampagne der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Dr. Rolf Packroff, wissenschaftlicher Leiter des Fachbereichs „Gefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffe“ der Bundesanstalt, erläutert die Beweggründe in einem Interview mit „baua Aktuell“.

Herr Dr. Packroff, warum eine europäische Kampagne zu Gefahrstoffen? Sind nicht alle Gefahrstoffe in Europa geprüft und gekennzeichnet?

Längst nicht alle Gefahrstoffe tragen eine Kennzeichnung oder werden von den Beschäftigten als solche wahrgenommen. Dazu gehören beispielsweise so alltägliche Dinge wie Quarzstaub, Asbest in Baumaterialien, Holzstaub oder auch Wasser bei Feuchtarbeit. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass gerade solche Stoffe die meisten Berufskrankheiten verursachen. Oft werden die Risiken nicht richtig eingeschätzt, weil es keine akuten gesundheitlichen Auswirkungen gibt, denn häufig dauert es sehr lange, bis eine Erkrankung auftritt. So hat beispielsweise Asbestose eine Latenzzeit von fast 40 Jahren. Umso wichtiger ist es, die Beschäftigten auf diese nur schwer zu erkennenden Risiken aufmerksam zu machen. Dazu kann die Kampagne der Europäischen Arbeitsschutzagentur einen wichtigen Beitrag leisten.

Welche Rolle kommt dabei den Betrieben zu?

Den Betrieben kommt nicht nur durch die Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung der Be­schäftigten eine zentrale Rolle zu. In der Praxis zeigt sich jedoch oft, dass angesichts der Vielzahl von Gefahrstoffen und den damit verbundenen Tätigkeiten ein systematisches Vorgehen im betrieblichen Alltag auf der Strecke bleibt. Manchmal erscheint den Verantwortlichen der Gefahrstoffschutz als zu komplex und wird deshalb nachrangig behandelt. Statt eines ganzheitlichen Ansatzes werden Probleme nur punktuell behandelt. Umso wichtiger ist es deshalb, praxiserprobte Ansätze und Unterstützungsangebote aufzuzeigen. Dazu gehören beispielsweise Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), das Einfache Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) mit seinen Schutzleitfäden und nicht zuletzt Beispiele guter Praxis, die auch im Rahmen der europäischen Kampagne kommuniziert werden.

Welche Herausforderungen gibt es aktuell?

Mit dem Ende der letzten Registrierungsphase unter dem europäischen Chemikalienrecht REACH*) wird eine große Menge von Prüfdaten und sicherheitsrelevanten Informationen zu chemischen Stoffen vorliegen. Die Risikobewertung und Ableitung von Schutzmaßnahmen ist jedoch damit noch lange nicht abgeschlossen. Auch zu langfristigen Wirkungen werden dann noch viele Prüfdaten fehlen, weil sie erst bei hohen Produktionsmengen gefordert sind. Zudem sind neu entwickelte Stoffe und innovative Materialien eine ständige Herausforderung. Es besteht die Gefahr, dass sich „alte“ Gefährdungen im neuen Gewand in die Arbeitswelt schleichen. So haben wir in unserer Forschung Beispiele für die Freisetzung asbestähnlicher Faserstäube aus innovativen Materialien gefunden. Rechtsvorschriften, Prüf-und Messverfahren müssen deshalb kontinuierlich an aktuelle Entwicklungen angepasst werden; auch hier ist die Bundesanstalt als Ressortforschungseinrichtung des Bundes gefordert.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

*) Stichtag war der 31. Mai 2018, die EU-Recycling-Redaktion.

Foto: Foto Fay, Burkardroth (Kommunalunternehmen Lk Bad Kissingen) / abfallbild.de

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Wussten Sie schon,

■ dass trockenes Fegen in gewerblichen Bereichen verboten ist?
■ dass elektrische Trenn- und Bearbeitungswerkzeuge eine wirksame Absaugung haben müssen?
■ dass bei Feuchtarbeit sogar Wasser zum Gefahrstoff wird?
■ dass das Abblasen von Staub mit Druckluft untersagt ist?
■ dass ständiges Tragen von Atemschutz an Dauerarbeitsplätzen für einen schlechten Arbeitsschutz spricht?
■ dass die Gefahrstoffe, die die meisten Berufskrankheiten verursachen, keine Gefahrensymbole tragen?
■ dass ungeeignete Schutzausrüstung, wie beispielsweise nicht geeignete Schutzhandschuhe, mehr schadet als nützt?
■ dass die Anwendungshinweise auch auf Produkten ohne Gefahrensymbole berücksichtigt werden sollten, um Gesundheitsrisiken zu verringern?

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

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(EU-Recycling 07/2018, Seite 12)

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