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Chemisch gereinigt: Recyclingkunststoffe

Das Wort „Chemisches Recycling“ taucht im Zusammenhang mit Kunststoffverarbeitung – insbesondere bei maritimem Müll – immer häufiger auf. Welche Verfahren gibt es im Wesentlichen und inwieweit sind diese im Markt angekommen?

Im September 2017 erschien infolge eines Workshops zu „Chemical Recycling PET“ ein Papier, das fünf Unternehmen als die wesentlichen Entwickler auf diesem Gebiet benannte: Carbios, Garbo, Ioniqa Technologies, Loop und Gr3n.

Carbios setzt auf ein Fermentationsverfahren zur Herstellung von PTA und MEG; Garbo hat einen fünfstufigen Reinigungsprozess von PET-Abfällen zur Produktion von monomerem BHET (Bis(hydroxyethyl)terephthalat) entwickelt; Ioniqa sieht den Einsatz von magnetischen ionischen Flüssigkeiten zur BHET-Gewinnung vor; und Loops Technik basiert auf der PET-Depolymerisation in PTA (Gereinigte Terephtalsäure) und MEG (Mono-Äthylen-Glycol) bei Umwelttemperaturen in Verbindung mit Chemikalien. Im Gegensatz dazu behandelt der Gr3n-Prozess PET-Flocken mit einer kaustischen (ätzenden) Äthylen-Glycol-Lösung in einer Mikrowellen-geheizten Einheit zur Depolymerisation. Die Lösung aus PTA und PTA-Salzen wird dann gefiltert und destilliert, um das Äthylen-Glycol und Terephthalsäure zu gewinnen. Der destillierte Bodensatz wird mit Kohlenwasserstoff behandelt, um das PTA auszufällen. Für die Rückgewinnung von Kohlenwasserstoff und Natriumhydroxid ist ein Elektrolyseverfahren vorgesehen.

Das Gr3n-Verfahren und Demeto

Das erwähnte Papier, herausgegeben von petcore Europe, wertet alle Verfahren als fortgeschritten und zur Depolymerisation von PET zu Monomeren geeignet. Angemerkt wurde aber auch, dass alle Probleme mit den Kosten des chemischen Recyclingverfahrens wie auch der Ausgangsmaterialien und deren Aufbereitung haben. Und zusätzlich mit Schwierigkeiten kämpfen, den richtigen Partner zu finden und die Gelder, um sich zu vergrößern.

Das Gr3n-Verfahren fand beides. Schon am 30. Oktober 2017 stellte die EU Kommission das „Demeto“-Projekt vor, das auf der Gr3n-Technologie aufbaut: Es sei ein „Durchbruch“ zu einem „besseren Kunststoffrecycling“, biete Produzenten und Recyclern einen „profitablen Weg“ und schließe den Lebenszyklus von – auch farbigem – Material. Als EU-Projekt erhielt es angesichts von 9.890.857 Euro Gesamtkosten Zuschüsse aus dem Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm in Höhe von 7.808.937 Euro. Neben Italien als Koordinator partizipieren Belgien, Dänemark, Litauen, Schweden, Schweiz, Spanien das Vereinigte Königreich; das angeschlossene Konsortium umfasst 13 Partner, die im Juni 2018 durch Coca Cola erweitert wurden. Die Projektdauer wurde mit August 2020 angegeben.Der EU-Forschungsservice Cordis erklärte die Zielsetzung: „Aufbauend auf einer international patentierten Technologie beabsichtigt das Projekt, Mikrowellen als Konzept einzusetzen zur Intensivierung des Prozesses (durch elektromagnetische Katalyse) der wohlbekannten alkalischen Hydrolyse-Depolymerisations-Reaktion – und zwar auf industriellem Niveau durch eine vollständig funktionelle Pilotanlage.“

Bewältigung von drei Problemen

Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, aus PET-Flocken und Polyester Äthylen-Glykol und Terephthalsäure mit einer Reinheit von 98 bis 99 Prozent zu erreichen bei einer Ausschussrate für Additive von ein bis zwei Prozent. Ansonsten werden polyethylene Terephthalate hauptsächlich mechanisch behandelt, um feste Kunststoffabfälle zur Wiederverwendung zu gewinnen. Aufgrund ihrer Zersetzung und Heterogenität dieser Abfälle können nur Einzel-Polymer-Kunststoffe bearbeitet werden, was komplexere und kontaminierte Abfälle ausschließt. Qualität ist das Hauptthema, wenn es um die Behandlung von mechanisch recycelten Produkten geht, die – am Ende – nur verbrannt oder deponiert werden können. Das Demeto-Projekt steht bei der Entwicklung einer Pilotanlage auf Industrieniveau vor der Bewältigung von drei Problemen. Einem industriellen: Das gegenwärtige Recycling-PET kann lediglich für – zunehmend – minderwertigere Produkte eingesetzt werden. Einem ökonomischen: Die PET-Wertschöpfungskette ist hochgradig abhängig von den Markttendenzen von Petroleum und Gas. Und einem sozialen: Die Umwelteinflüsse von PET-Abfällen sind selbst im Fall von Energieproduktion am Ende ihrer Lebensdauer hoch.

Global über 500 Anlagen nötig

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Foto: EU-R Archiv

Dennoch – schätzt die EU-Kommission – liegt das weltweite Marktpotenzial dieser Technologie bei etwa 5,4 Milliarden Euro bei 270 Anlagen. Allein in Europa könnten 60 Anlagen einen Marktwert von bis zu 1,2 Milliarden erreichen. Das Demeto-Konsortium rechnet mit einem noch höheren Bedarf. Nach seiner Darstellung wurden 2016 in Europa 1,9 Tonnen an Verpackungs-PET gesammelt; davon waren 45 Prozent farblos und konnten mechanisch behandelt und zu rPet-Flocken verarbeitet werden. Zwar sei es schwer, PET-Verpackungen zu recyceln, aber mithilfe der Demeto-Technologie könnten über eine Million Tonnen jährlich bearbeitet werden.

Mit 100 derartigen Anlagen könnten auch problematische PET-Verpackungsabfälle in der EU bedient werden. Um weltweit schwierige Verpackungsabfälle zu behandeln, wären weitere 400 Anlagen für sechs Megatonnen notwendig. Und für die Bearbeitung auch der anderen gesammelten PET-Materialien und der noch nicht gesammelten Abfälle wie Polyester-Bekleidung würden global über 500 Anlagen nötig. Ein Report zum Thema, den Research & Markets vor kurzem vorstellte, erwartet für das Jahr 2025 einen weltweiten Markt mit recycelten polyethylenen Terephthalaten von 9,2 Milliarden Euro.

Carbios und Loop: weitere Schritte

Doch auch die mit Gr3n konkurrierenden Recyclingunternehmen blieben nicht untätig. So meldete Carbios (Clermont-Ferrand, Frankreich) im April 2018, einen wichtigen Meilenstein in der Optimierung seines Biorecycling-Prozesses für PET-basierte Kunststoffe erreicht zu haben. Nach Entdeckung eines teilweise passenden Enzyms sei es möglich, PET in seine ursprünglichen Monomere zu zerlegen. Die Zeit der Hydrolyse sei auf ein Drittel geschrumpft, sodass nach 24 Stunden Reaktionszeit eine Umwandlung von 97 Prozent erzielt wird. Alain Marty, Wissenschaftlicher Director bei Carbios, kommentierte: „Heute sind wir die ersten in der Welt, die solch ein hohes Leistungsniveau beim biologischen Recycling von PET-Kunststoff erlangen.“ Ende Juni 2018 gab Loop Industries, Inc. (Terrebonne, Kanada) einen weiteren Schritt in der Kommerzialisierung seiner Generation II-Technologie bekannt. Man habe eine vollständig integrierte Produktionsanlage entwickelt, um PET-Abfälle und Polyester-Fasern zu Loop PET-Harz und Polyester-Fasern in Primärstoff-Qualität aufzuwerten. Selbst Material wie Meeresplastik, das durch Sonne und Salzwasser abgebaut worden sei, könne in höchster Reinheitsqualität wiedergewonnen werden. Auf seiner Webseite erklärt Loop Industries: „Zurzeit sind wir weltweit das einzige Unternehmen, das PET-Kunststoff in Primärstoffqualität aus allen Arten von PET-Abfällen gewinnen kann, bei einem Einsatz von null Energie.“

Probeläufe bei Ioniqa und Garbo

Im März 2018 stellte das Start-up Ioniqa (Eindhoven, Niederlande) seine Planung vor, eine 10.000- Tonnen-Anlage in Betrieb zu nehmen, um PET-Kunststoffabfälle von fabrikneuer Qualität für die Industrie herzustellen. Tonnis Hooghoudt, CEO und Gründer des Unternehmens, war überzeugt: „Unser Verfahren entfernt Verunreinigungen wie beispielsweise Farbstoffe aus allen Arten von PET-Abfällen. Unser Endprodukt ist ‚ursprünglicher‘ Rohstoff in seiner reinsten Form auf einem preislich vergleichbaren Niveau. Somit wird Öl nicht länger benötigt, um Kunststoffe zu produzieren.“ Im April 2018 absolvierte die Testanlage im Hafen von Rotterdam ihren 50. Probelauf. Der Start der fertigen Industrieanlage ist für den Sommer 2019 geplant. Mittlerweile hat Uniqa mit Unilever und dem weltweit größten Produzenten von PET-Harzen, Indorama Ventures, eine Partnerschaft geschlossen.

Auch Garbo (Cerano, Italien) wurde mit Horizon 2000-Geldern für ein kleines Projekt namens ChemPET subventioniert. ChemPET belegte nach Ansicht des Unternehmens, das das Glycolyse-Verfahren zu Auflösung und Aufbruch von PET-enthaltendem Kunststoff effektiv eingesetzt werden kann. Das recycelte polyethylene Terephthalat könne dazu benutzt werden, ohne Zugabe von ursprünglichem Kunststoff neue PET-Flaschen zu produzieren. „Technisch gesehen können wir jede Art von PET recyceln, und langfristig gesehen muss dieses Material billiger sein“, ist Garbos Generaldirector Fabio Fizzotti überzeugt. Durch einen erfolgreichen Probelauf könnte nach seiner Meinung die richtige finanzielle Förderung dazu führen, dass Garbo seine erste Anlage innerhalb von sechs Monaten zur Behandlung von 50 Tonnen pro Tag eröffnet. Erfahrungen habe man mit Einrichtungen zum Glycolyse-Recycling von Silikon-Puder für die Solarindustrie gemacht.

Kein klar definierter Begriff

„Chemisches Recycling“ – das online-Magazin spectrum.de verwendete das Wort bereits im Dezember 1993 – ist inzwischen zu einem bekannten, aber keinem klar definierten Begriff geworden. Er lässt Interpretationen zu seiner Reichweite offen. Darunter könnte beispielsweise auch das Verfahren fallen, das die Merseburger APK Aluminium und Kunststoffe AG auf der diesjährigen IFAT erstmals ausstellte. Ein mehrstufiger chemisch-physikalischer Recyclingprozess trennt dabei Polyethylen und Polyamid aus Lebensmittelfolien. Nach Einsatz einer Lösung separiert eine Zentrifuge die beiden Kunststoffe. Bei der anschließenden Reinigung wird das Lösungsmittel wieder entfernt. Übrig bleiben Polyethylen und Polyamid – Kunststoffe in fast reiner Form, die sich als Mersalen und Mersamid vermarkten lassen. Im vergangenen Jahr verarbeitete APK in Merseburg bereits 300 Tonnen Folien versuchsweise. Derzeit wird die Produktionsanlage zur industriellen Reife weiterentwickelt. Auch das „Waste to Chemistry“-Projekt, das in Kooperation von Air Liquide, AkzoNobel Specialty Chemicals, Enerkem und dem Hafen von Rotterdam entstand, wurde schon mit dem Genrebegriff „Chemisches Recycling“ belegt. Es baut auf dem 2014 gestarteten „Waste2chemistry“ auf. Unterstützt vom Niederländischen Ministerium für Ökonomische Angelegenheiten und Klimapolitik, soll hier eine Technologie entstehen, die 360.000 Tonnen an Kunststoff- und anderen Mischabfällen in 220.000 Tonnen/270 Millionen Liter „grünes“ Methanol umwandeln will. Die Anfangsinvestitionen sollen neun Millionen Euro betragen; das Konsortium hofft auf eine endgültige Investitionssumme von 200 Millionen Euro in der zweiten Hälfte von 2018.

Zu Methanol und Öl

Ein ähnliches Ziel verfolgt die gemeinnützige Umweltorganisation One Earth – One Ocean e.V. (OEOO), die das Konzept einer „Maritimen Müllabfuhr“ umsetzen versucht. Mitte Juni veröffentlichte OEOO eine Meldung, wonach in einer Raffinerie ihres Partners Biofabrik Technologies GmbH in Dresden die weltweit ersten erfolgreichen Verölungsversuche von Plastikmüll aus dem Meer umgesetzt wurden. Dabei wurde der zerkleinerte Plastikmüll den Angaben zufolge über einen mehrstufigen Prozess einer sogenannten Kompaktraffinerie in Öl umgewandelt. Die Kompaktanlage soll bis zu 750 Kilogramm Plastikmüll pro Tag verarbeiten und in Kraftstoff umwandeln können. Allerdings sieht Oliver Riedel, CEO und Gründer der Biofabrik Technologies GmbH, das Verfahren eher als eine „Waste-to-Energy-Komplettlösung“.

Remondis steigt ein

Wie dem auch sei: Spätestens seit dem chinesischen Importstopp muss Kunststoffrecycling von PE, PP und PET neue technische Wege gehen. Das haben auch die Verfahrensingenieure von Remondis erkannt und leiten derzeit eine Projektphase zu Entwicklung und Betrieb von Anlagen für Chemisches Recycling ein. Erklärte Ziele sind Planung und Bau einer Pilotanlage in Kooperation mit einem großen deutschen Chemieunternehmen. Chemisches Recycling – so Remondis in einer Pressemitteilung – könne „mittels Depolymerisation fast alle gängigen Kunststoffe in ihre chemischen Ausgangsstoffe zurückführen und somit zu 100 Prozent recyclingfähig machen“.

Das Unternehmen hat daher eine eigene Rohstoffinitiative gestartet und unter anderem in den Bau einer Recyclinganlage für Polystyrol und andere Kunststoffe investiert. Die neue Anlage soll spätestens Ende 2018 in Betrieb gehen und über eine Jahreskapazität von 20.000 Tonnen für Abfälle verfügen, die vornehmlich aus dem WEEE-Recycling stammen.

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PET-Behandlungskapazitäten ungenutzt

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Foto: O. Kürth

Plastics Recyclers Europe appelliert an alle Akteure, zusammenzuarbeiten.

In Europa arbeiten 78 Unternehmen am Recycling von PET. Einer Studie von PCI Wood Mackenzie zufolge belief sich die Recyclingkapazität im Jahr 2017 auf 2,1 Millionen Tonnen. 65 Prozent der Gesamtkapazität liefern Deutschland mit 27 Prozent, Frankreich mit 15 Prozent, Italien mit 14 Prozent und Spanien mit neun Prozent. 2016 wurden insgesamt 1,9 Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen zu 1,4 Millionen Tonnen an Rezyklaten verarbeitet und zur Herstellung neuer Produkte verwandt. 200.000 Tonnen an installierter Kapazität zur PET-Behandlung blieben ungenutzt. Daher – so der Aufruf von Plastics Recyclers Europe – müssen alle Akteure in der Kunststoffindustrie zusammenarbeiten und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Recyclingrate auf 55 Prozent im Jahr 2030 anzuheben, wie es das Abfallpaket vorsieht.

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Foto: pixabay

(EU-Recycling 08/2018, Seite 25)

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