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Belgiens Abfallwirtschaft will Rolle als internationaler Recycling-Hub stärken

Ziel ist es, Abfälle zu importieren und daraus gewonnene Wertstoffe selber zu nutzen oder zu exportieren. Investoren öffnen bereits geschlossene Deponien zur erneuten Verwertung. Unsicherheiten bringt das chinesische Importverbot für bestimmte Abfälle.

Die Abfallwirtschaft in Belgien ist vor allem in der Region Flandern fortgeschritten und weist einen hohen Entwicklungsstand auf. Dort hemmen das stagnierende Abfallaufkommen und die hohe Verwertungsrate allerdings weiteres Wachstum: Das Abfallaufkommen stagniert und die Recyclingquoten sind bereits stark ausgereizt. Daher soll nun auch der schon lange deponierte Abfall in der Gemeinde Houthalen-Helchteren getrennt und verwertet werden. Um dem Engpass zu begegnen, hat das flämische Logistikinstitut VIL zusammen mit der Abfallagentur OVAM und 27 Häfen, Unternehmen und Vereinigungen – darunter BASF und Agfa – die Initiative „Flanders Recycling Hub“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, Abfälle zu importieren und daraus gewonnene Wertstoffe selber zu nutzen oder zu exportieren. Unsicherheiten bringt das chinesische Importverbot für bestimmte Abfälle: 2016 lieferte Belgien etwa 33 Prozent seiner Exporte von Kunststoffabfällen, -schnitzel und -bruch der Zolltarifposition 39.15 in die Volksrepublik China.

Große regionale Unterschiede

Belgiens kommunales Abfallaufkommen ist 2016 leicht auf 422 Kilogramm (2015: 415 Kilogramm) je Einwohner gestiegen. Davon hat das Land 33 Prozent recycelt und 20 Prozent kompostiert oder fermentiert. Weitere 44 Prozent wurden zur Energiegewinnung genutzt. Verschwindend gering ist mit jeweils einem Prozent die Rate des deponierten und des ohne Energiegewinnung verbrannten Kommunalmülls. Die belgische Gesetzgebung zur Abfallbehandlung setzt die jeweiligen EU-Richtlinien um. Die konkrete Ausgestaltung obliegt den drei Regionen: dem niederländisch-sprachigen Flandern, dem frankophonen Wallonien und der zweisprachigen Hauptstadtregion Brüssel. Die Regionen haben eine große Autonomie. Unterschiede in Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsleistung führen zu sehr unterschiedlichen Abfallaufkommen.

In Flandern sind 2013 – nach letzter vergleichender Statistik – 2,9 Millionen Tonnen Abfälle angefallen. Das war annähernd doppelt so viel (187 Prozent) wie in Wallonien und fast das 6,5-fache (642 Prozent) der Menge in Brüssel. In Flandern ist die Besiedlung mit 6,5 Millionen Einwohnern beziehungsweise 485 Menschen je Quadratkilometer noch dichter als in Wallonien. Hier leben 3,6 Millionen Personen; das sind im Schnitt 215 pro Quadratkilometer. Der Hauptstadtraum Brüssel zählt 1,2 Millionen Einwohner. Auch die Wirtschaftskraft führt zu unterschiedlichen Abfallaufkommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf lag in der Region Brüssel 2015 um 73 Prozent über dem belgischen Mittel (36.600 Euro). Große regionale Unterschiede gibt es auch bei der Recyclingquote und der Größe der Abfallanlagen. Flandern verfügte 2014 über insgesamt 523 Entsorgungsanlagen, ohne Deponien und Anlagen zur Energieerzeugung. Diese haben 2013 im Schnitt jeweils 3.500 Tonnen Abfall recycelt, kompostiert oder vergärt. In Wallonien existierten 60 Anlagen mit jeweils 11.500 Tonnen an wiederverwertetem Abfall. Die Region Brüssel hatte nur drei solcher Zentren, die im Mittel 39.100 Tonnen Abfälle behandelt haben. Bei den Müllverbrennungsanlagen zur Energiegewinnung ergibt sich ein ähnliches Bild: Im Jahr 2014 existierten in Flandern 248 solcher Kraftwerke mit einer durchschnittlichen Jahreskapazität von 13.300 Tonnen Abfall. In Wallonien waren es nur 32 Anlagen, die aber im Mittel 87.300 Tonnen Müll pro Jahr verbrennen können. Die einzige Anlage in Brüssel hat eine Jahreskapazität von 535.000 Tonnen.

Mehrere Investitionsvorhaben in Flandern

Im Hafen von Gent entsteht ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk, das ausschließlich Agrarrückstände und weitere Biomasse verfeuern wird. Das Projekt kostet 400 Millionen Euro, soll eine Kapazität von 215 Megawatt haben und auch Haushalte und die Industrie mit Fernwärme versorgen. Investor ist BEE (Belgian Eco Energy). Betreiber soll in den ersten 15 Jahren der französische Veolia-Konzern sein. Ebenfalls im Hafen von Gent soll 2019 eine Anlage zur Wiederaufbereitung von – teilweise importierter – Bodenasche anlaufen. Betreiber wird das ebenfalls französische Unternehmen Suez sein. Auf 230 Millionen Euro werden die Kosten eines Closing-the-circle-Projekts in Houthalen-Helchteren beziffert. In der dortigen, schon geschlossenen Deponie will das Konsortium ELFM 16 Millionen Tonnen Abfall recyceln oder zu Energie verbrennen.

Flanderns öffentliche Abfallagentur OVAM hat zwei größere Programme für Verbesserungen im Abfallmanagement aufgelegt. Noch bis 2022 läuft der sogenannte Ausführungsplan für die Verwertung von Haushalts- und vergleichbaren Industrieabfällen. Bis zum Jahr 2020 ist ein Aktionsplan zum nachhaltigen Management für aus Biomasse generierten Strom gültig.

Die Abfallentsorgung obliegt den belgischen Städten und Gemeinden. Sie schließen sich dazu meist in Kommunalverbänden zusammen. Hersteller und Händler müssen in Belgien ihre Verpackungen oder Altgeräte zurücknehmen. Zu diesem Zweck haben die betroffenen Unternehmen landesweite Organisationen geschaffen. Die wichtigsten sind Fost Plus für Haushaltsabfall (www.fostplus.be [1]), Val i Pac für industrielle Rückstände (www.valipac.be [2]) und Recupel für den Elektro- und Elektronikschrott (www.recupel.be [3]). Die belgische Branche ist weit entwickelt und innovativ. Im Jahr 2015 waren 902 Unternehmen in der Sammlung, Aufbereitung, Beseitigung und Rückgewinnung von Abfall tätig (2014: 980 Firmen). Ihr Umsatz ist 2015 gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro gesunken. Dagegen hat sich die Anzahl der Mitarbeiter 2015 um 4,9 Prozent auf 12.550 Beschäftigte erhöht. Belgien ist auch für ausländische Investoren ein attraktiver Standort, wie etwa das Engagement von Veolia und Suez zeigt. Seit Jahren etablierte Betriebe haben eine starke Marktposition. Es gibt die landesweiten Verbände Coberec und Go4Circle, den flämischen Cleantech-Verband FCA und die Cluster Greenwin in Wallonien und Brussels Greentech in Brüssel.

Bei der Bearbeitung des belgischen Marktes sind die Mehrsprachigkeit und die regional unterschiedlichen Akteure der Abfallwirtschaft zu beachten. Flanders Abfallpolitik setzt die dortige Agentur OVAM um. In Wallonien obliegt dies in der Regionalregierung der Operationellen Generaldirektion für Landwirtschaft, Naturressourcen und Umwelt. In Brüssel heißt die entsprechende Institution Bruxelles Environnement beziehungsweise Leefmilieu Brussels. Die öffentliche Vergabe erfolgt in der jeweiligen regionalen Amtssprache vor Ort. Ausschreibungen finden sich in der Datenbank www.govex.be [4]. Unter www.publicprocurement.be [5] hat die Föderalregierung ferner ein Portal für alle Institutionen geschaffen. Das Anmelde- und Registrierungsverfahren für deutsche Firmen ist in Belgien komplex, auch bei Steuerfragen. Hierzu bietet zum Beispiel die AHK Debelux einen umfassenden Service an.

Verfasser: Torsten Pauly, Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: pixabay

(EU-Recycling 08/2018, Seite 26)