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Neue Mautsätze: Entsorgerstreit um Gebührenbefreiung

Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor erheblichen Mehrbelastungen. Einheitliche Mautsätze für Bundes­straßen sowie Autobahnen ab Juli 2018 und erhöhte Sätze für Lkw über 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht ab Januar 2019 drücken auf die künftigen Transportkosten.

Für eine 40-Tonnen-Kombination mit 120.000 Kilometer Jahresfahrleistung und 80-prozentiger Autobahnnutzung würde dies eine jährliche Mautmehrbelastung von derzeit 12.960 auf 22.440 Euro bedeuten, kalkuliert der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. Sollen daher Entsorgungsunternehmen als Wahrer öffentlicher Interessen von der Maut befreit werden? Und wenn ja: welche?

Mautbefreiung nur für kommunale Entsorger beantragt

In seiner Sitzung am 6. Juli räumte der Bundesrat ein, dass die geplante Erweiterung der Maut nicht unerhebliche Mehrbelastungen für die gesamte kommunale und private, mittelständisch geprägte Abfallwirtschaft bedeute. Dies gelte „insbesondere in ländlich geprägten Regionen, in denen Abfallsammelfahrzeuge Bundesstraßen nutzen“. Gleichzeitig stimmte der Bundesrat aber einem Antrag des Freistaates Sachsen zu, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird zu prüfen, inwieweit eine Mautbefreiung für Fahrzeuge möglich ist, die im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge zur Sicherstellung der Abfallbeseitigung und -entsorgung eingesetzt werden. Die im Rahmen der von den Kommunen drittbeauftragten Unternehmen, die die Abfallbeseitigung und -entsorgung tatsächlich durchführen, blieben in dem Antrag unerwähnt.

Einseitige Privilegierung befürchtet

Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. sieht darin eine „einseitige Privilegierung der staatlichen Entsorgungswirtschaft“ und fordert in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Gleichbehandlung der privaten wie der staatlichen Entsorgungswirtschaft. Die Begründung des Prüfauftrages des Freistaates Sachsen – monierte BDE-Präsident Peter Kurth – gelte letztlich besonders für die private Entsorgungswirtschaft, weil sie vorrangig die Gewerbeabfälle entsorge: „Wir halten eine Mautgebührenbefreiung auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit von Sekundärrohstoffen für essentiell.“ Das wäre auch hinsichtlich der Privilegierung von Müllfahrzeugen, denen die Straßenverkehrsordnung Sonderrechte einräumt, konsequent.

Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen

Der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. wandte sich an Verkehrsminister Scheuer und auch Wirtschaftsminister Altmeier mit dem Argument, dass durch die Neufestlegung der Gebühren die gesamte Ver- und Entsorgung nochmals verteuert werde. Und forderten sie auf, eine Branche zu unterstützen, die eine für das Allgemeinwohl und die Umwelt wichtige Funktion wahrnehme. Hingegen sei bereits der jetzige Mehrwertsteuervorteil der öffentlichen Hand eine zusätzliche Mehrbelastung für die kleinen und mittelständischen Entsorgungsbetriebe. Eine Begrenzung der Mautbefreiung ausschließlich auf Fahrzeuge, die im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge genutzt werden, würde zu einer nochmaligen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen der privaten Entsorgungsunternehmen gegenüber kommunalen Betrieben führen. Somit – warnte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock – sei zu befürchten, „dass dann eine neue Rekommunalisierungswelle auf die privaten Unternehmen zukommen könnte“.

Von der Mautpflicht generell ausnehmen

Die Entscheidung des Bundesrates begrüßte der Verband kommunaler Unternehmen als Befürwortung einer „Mautbefreiung für Lkw der Abfallwirtschaft“. Damit habe sich das Gremium der VKU-Forderung angeschlossen, auch solche Lkw über 7,5 Tonnen von der Mautpflicht zu befreien, die zur Sicherstellung der öffentlichen Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie der öffentlichen Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung genutzt werden. Ansonsten gab der VKU lediglich die Argumentation des Bundesrates wider, dass – aufgrund eines Mangels umweltfreundlicher und damit die Maut reduzierender Fahrzeuge bei kommunalen Unternehmen – die finanzielle Maut-Belastung für die Kommunen in absehbarer Zeit nicht gesenkt werden könne. Folglich sei ein Anstieg der Preise und Gebühren für Abfallentsorgungsdienstleistungen zu erwarten, der auf die Verbraucher umgelegt würde: „Diese Fahrzeuge sollten daher im Allgemeinwohlinteresse von der Mautpflicht generell ausgenommen werden.“

Gegen eine Freistellung von der Mautpflicht – sowohl für Transporte kommunaler Entsorgungsunternehmen als auch für Abfalltransporte – sprach sich der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung aus. Würden die kommunalen Entsorger bevorzugt, würde das zu erhöhten, massiven Wettbewerbsverzerrungen führen, eine weitere Rekommunalisierung bei der Erfassung sowie Sammlung wertstoffhaltiger Abfälle bewirken und die Existenzen privater, meist mittelständischer Entsorgungsunternehmen im gewerblichen privaten Bereich nachhaltig gefährden. Daher werde eine einseitige Befreiung „mit Nachdruck“ abgelehnt.

Keine pauschale Freistellung

Allerdings dürften – so der BGL – Abfall- oder Recyclingtransporte nicht pauschal freigestellt werden. Ob tatsächlich Abfall oder Recyclingmaterial geladen ist, könne nur bei Begutachtung der Ladung durch Kontrollen festgestellt werden. Da aber A-Schilder bei Abfallfahrzeugen generell nicht abgedeckt oder unkenntlich gemacht werden müssen, könnten mit dem A-Schild gekennzeichnete Fahrzeuge nicht nur legale Leertransporte, sondern auch der Mautpflicht unterliegende Transporte durchführen. Daher spreche sich der BGL angesichts der Gefahr, durch solche – kaum kontrollierbaren – illegalen Praktiken den Wettbewerb im Abfallbereich zu verzerren, ebenfalls mit Nachdruck gegen eine grundsätzliche Befreiung von Abfalltransporten ab.

Der Bundestag wird sich nun nach der Sommerpause im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit der Bitte des Bundesrats befassen. Der Verkehrsminister erhofft sich durch die neuen Mautsätze rund 36 Milliarden Euro zusätzlich für den Zeitraum 2018 bis 2022.

Foto: Andi Karg

(EU-Recycling 09/2018, Seite 10)