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Welche Anforderungen ein Abbiegeassistent erfüllen sollte

Elektronische Abbiegeassistenten sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission Pflicht werden. Die Verbände der Transport-, Logistik- und Busbranche in Deutschland fordern in diesem Zusammenhang einheitliche Anforderungs­kriterien. Auf dem Markt sind bereits vielversprechende Techniklösungen, die jedoch nur „warnen“, aber in einer Gefahrensituation nicht „bremsen“, was sicher sinnvoller wäre.

Das statistische Bundesamt (Destatis) verzeichnete 2017 rund 2,6 Millionen Verkehrsunfälle in Deutschland – ein neuer Höchsttand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren. Erfreulicherweise sank aber die Zahl der Unfälle mit Todesfolge um wenigstens 0,9 Prozent.

Hauptursache bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden sind dabei weiterhin Fehler beim Rechtsabbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren sowie Ein-und Anfahren, so die Erkenntnis. Über 600 Radunfälle mit abbiegenden Lkw gibt es pro Jahr, sagt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Köln e.V. (ADFC). Die meisten Unfälle geschehen an ampelgeregelten Kreuzungen. Abhilfe versprechen Abbiegeassistenten, wie sie schon seit einigen Jahren auf dem Markt sind, jedoch immer noch zu wenig von Transportunternehmen eingesetzt werden, wie die Daimler AG erfahren haben will: Gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ äußerte der Autobauer im Juni 2018, dass sich sieben von acht Käufern des Mercedes-Benz Lkw Actros – der typische Fernfahrer-Truck, wie es heißt – die Kosten für den extra angebotenen Abbiege-Assistenten in Höhe von circa 2.300 Euro sparen würden.

Besser soll es beim Modell Econic aussehen. Hier würden die verkauften Neufahrzeuge zu 85 Prozent mit dem radarbasierten Abbiege-Assistenzsystem von Mercedes-Benz Lkw ausgestattet werden, welches das erste seiner Art im Markt sein soll. Zu den Anwendern zählt auch die Berliner Stadtreinigung, die das System in ihren Müllfahrzeugen einsetzt. Und die Alba Group teilt mit, dass bereits 42 von 100 Lkw im Einsatzgebiet Berlin und Brandenburg über den Assistenten verfügen.

Positive Rückmeldungen

Welches System von welchem Anbieter die auch im Entsorgungsgeschäft tätige Geiger Unternehmensgruppe in Obersdorf einsetzt, entzieht sich in folgendem Beispiel der Kenntnis: Vor sieben Monaten wurden die ersten Lkw der Geiger-Fahrzeugflotte mit einem Video-Abbiege-Assistenzsystem mit Monitor im Fahrerbereich und einer Kamera an der Beifahrertüre ausgestattet, informiert das Unternehmen kurz. Durch die Kamera wird der schwer einsehbare Bereich neben dem Fahrzeug überblickt. Setzt der Lkw-Fahrer den rechten Blinker, wird automatisch die Kamera aktiviert und der Fahrer kann den Bereich der Beifahrerseite einsehen. „Wir sind gerade in der Testphase“, erklärte dazu Andreas Weber, Leiter der Logistik der Geiger Unternehmensgruppe. „Die Rückmeldung unserer Fahrer ist sehr positiv. Den Rundumblick, den das neue System mit der Kamera schafft, ist besonders im Stadtverkehr und auf unseren Baustellen hilfreich.“ Sobald die Testphase erfolgreich abgeschlossen sein wird, will Geiger weitere Kraftfahrzeuge mit dem Assistenzsystem ausstatten.

Ein Schwachpunkt – auch bei der Lösung von Mercedes-Benz Lkw – ist nach Auffassung von Verkehrssicherheitsexperten, dass die bislang erhältlichen Abbiege-Assistenzsysteme den Lkw-Fahrer lediglich warnen – über optische und akustische Warnzeichen –, das Fahrzeug aber in einer Gefahrensituation für Fußgänger oder Fahrradfahrer nicht sofort automatisch bremsen und zum Stillstand bringen. Dafür gibt es eigene Notbremssysteme.

Keine Scheinlösung – die Sicherheit tatsächlich erhöhen

Nach Ansicht von Verbänden der Transport-, Logistik- und Busbranche in Deutschland sollten Unternehmen, die ein Abbiege-Assistenzsystem nachrüsten möchten, sicher sein, dass dieses die Verkehrssicherheit auch tatsächlich erhöht und keine Scheinlösung darstellt. Aktuell sei dies aufgrund der technologischen Vielfalt der am Markt verfügbaren Systeme nicht gewährleistet. Diese Position wurde auch im Rahmen eines Fachgesprächs des Bundesverkehrsministeriums zur Aktion „Abbiegeassistent“ von der Bundesanstalt für Straßenwesen vertreten. Eine Liste mit Systemen, die die zu definierenden einheitlichen Kriterien erfüllen, sollte sodann im Internet veröffentlicht und geprüft werden, ob und inwieweit eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung sowie zeitversetzte Ampelschaltungen notwendig sind, um das Gefahrenpotenzial beim Rechtsabbiegen zu reduzieren.

Die Verbände der Transport-, Logistik- und Busbranche, die sich für die Einführung von Abbiegeassistenten einsetzen und die Aktion des Bundesverkehrsministerium unterstützen, regen dazu auch eine Aufklärungskampagne an. Begrüßt wird in diesem Zusammenhang das Vorhaben, den freiwilligen Einbau von geprüften Abbiegeassistenzsystemen durch finanzielle Förderungen des Bundes im Rahmen des „De-mininis“-Programms zu beschleunigen. Kleinere Transport- und Busunternehmen mit nicht-mautpflichtigen Nutzfahrzeugen im Fuhrpark dürften nicht von der Förderung ausgeschlossen werden, fordert der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL).

Foto: Daimer AG/Mercedes-Benz Lkw

(EU-Recycling 09/2018, Seite 20)