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Spaniens Abfallwirtschaft im Investitionsmodus

Um die Kreislaufwirtschaftsziele der Europäischen Union zu erreichen, braucht die Recyclingwirtschaft mehr und qualitativ bessere Wertstoffe, als sie den heimischen Systemen bisher entnehmen kann. Besonders bei kommunalen Abfällen ist viel zu tun.

Spaniens positive Wirtschaftsentwicklung färbt auf die Abfallwirtschaft ab. Nach der Unternehmenserhebung des Spanischen Statistikinstituts INE legten die Branchenumsätze 2016 um 6,6 Prozent auf 16,1 Milliarden Euro zu. Rund zwei Drittel erwirtschaftet die Abfallindus­trie (NACE 38), deren Anlageinvestitionen gegenüber dem Vorjahr um 3,4 Prozent auf 420,2 Millionen Euro stiegen. Ein Drittel entfällt auf den Altmaterialhandel (NACE 47.66), dessen Investitionen um 33,6 Prozent auf 115,3 Millionen Euro zurückgingen.

Sorgen bereiten dem spanischen Abfallsektor die wachsende Regulierung, die geopolitische Unsicherheit und Chinas Abnahmebegrenzung. Um die ehrgeizigen Kreislaufwirtschaftsziele der Europäischen Union zu erreichen, braucht die Recyclingwirtschaft mehr und qualitativ bessere Wertstoffe, als sie den heimischen Systemen bisher entnehmen kann. Besonders bei kommunalen Abfällen ist viel zu tun. Bisher sammelt Spanien davon erst 18 Prozent getrennt ein. Außer in Katalonien, im Baskenland und schrittweise auch in Madrid werden organische Siedlungsabfälle noch in der Reststofftonne mit anderem Müll vermischt.

Wo Zulieferchancen bestehen

Regionen und Kommunen investieren unter dem Druck der EU-Vorgaben in Systeme zur getrennten Sammlung und effizienteren Sortierung sowie in neue Abfallbehandlungszentren. Zulieferchancen bestehen bei Technologien für thermische, biologisch-mechanische und chemisch-physikalische Behandlung (neue Anlagen und die Optimierung vorhandener), zur Geruchs- und Emissionsvermeidung sowie zum Monitoring. Steinmüller Babcock Environment (seit 2014 Teil einer japanischen Gruppe) hat im Verbund mit baskischen Partnern 2017 den Auftrag zur Konzeption und zum Bau der Phase 1 des neuen Abfallzentrums Gipuzkoa erhalten.

Geplant sind eine mechanisch-biologische Behandlungsstufe und zwei Müllverbrennungslinien mit einer Kapazität von jährlich 200.000 Tonnen Siedlungsabfall und einem Investitionswert von 217 Millionen Euro. Im Mai 2019 soll der Betrieb starten. Auftraggeber ist der Umweltdienstleister Urbaser.

Eine neue Etappe

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Spaniens Abfallgesetzgebung setzt die jeweiligen EU-Richtlinien um. Es gilt der Staatliche Rahmenplan zum Abfallmanagement PEMAR 2016-2022 (Plan Estatal Marco de Gestión de Residuos). Die 17 Autonomen Regionen folgen ihm in eigenen mehrjährigen Abfallwirtschaftsplänen*). 2018 begann eine neue Etappe zur Umsetzung der EU-Kreislaufstrategie. Im Sommer war über den Entwurf eines spanischen Aktionsplans 2018 bis 2020 noch nicht entschieden. Er sah 29 Millionen Euro für den Sektor vor. Ebenso stand die Verabschiedung des überarbeiteten Abfallgesetzes (Ley 22/2011 vom 28. Juli 2011) noch aus. Ohne neue Ausgaben soll die Getrenntsammlung von Textilien und gefährlichen Haushaltsabfällen vor dem 31. Dezember 2024 Pflicht sein. Bei der Biofraktion gilt dies für Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern bis Ende 2020, für kleinere bis Ende 2023.

Abfallaufkommen ist gesunken

Spaniens Abfallaufkommen ist seit 2007 gefallen und erreichte 2014 laut letztverfügbaren Zahlen von Eurostat 110,5 Millionen Tonnen. Der Rückgang betraf vor allem mineralische Abfälle, die hauptsächlich aus der Bauwirtschaft kommen. Diese war in dem Zeitraum stark geschrumpft. Pro Kopf fielen in Spanien 2016 laut Eurostat 443 Tonnen kommunaler Abfälle an. Das ist weniger als der EU-Schnitt (482 Tonnen) und deutlich weniger als in Deutschland (627 Tonnen) oder Dänemark (777 Tonnen). Bei der getrennten Sammlung und stofflichen Verwertung von Verpackungsabfällen liegt Spanien über dem EU-Durchschnitt, dank der hohen Quoten bei Kunststoff, Metall und Holz.

Auch zählt die spanische Papierindustrie zu den wichtigsten europäischen Wiederverwertern von Altpapier. Dennoch landeten laut Eurostat 2016 noch fast 57 Prozent der Kommunalabfälle auf Deponien (EU-Schnitt: 24 Prozent). Erst 30 Prozent wurden recycelt oder kompostiert (EU-Schnitt: 45 Prozent). Um die EU-Vorgaben von 50-Prozent-Recycling bis 2020 und ihre weitere Verschärfung bis 2030 einzuhalten, besteht Handlungsbedarf. Dem Ministerium für Ökologische Transition zufolge gab es in Spanien 2015 für Siedlungsmüll 247 Abfallbehandlungsanlagen und 126 Deponien. Zwischen den 17 Regionen zeigen sich große Unterschiede. Die Verbrennung ausgeschlossen, recycelte und kompostierte La Rioja bereits 2015 mit 55,8 Prozent deutlich mehr, als die EU für 2020 vorgibt. Navarra war mit 48,4 Prozent sehr nah an der Zielvorgabe. Über 40 Prozent erreichten auch Katalonien, Valencia und Extremadura. Ganz unten rangieren die Kanaren (14,3 Prozent), die Region Madrid (15,5 Prozent), die Balearen (18,1 Prozent) und Galizien (19,1 Prozent). Galizien und das Baskenland investieren in Großprojekte, um die Ziele zu erreichen. Madrid plant bis 2024 rund 366 Millionen Euro für Bau und Erweiterung von Behandlungszentren ein.

Chinesen kaufen sich ein

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In Spaniens Abfallindustrie sind über 2.700 private und öffentliche Firmen tätig. Etwa ein Viertel des Marktes bearbeiten öffentliche Firmen. Das Geschäft dominieren die Umweltdienstleistungsfilialen der großen Baukonzerne FCC (FCC Ambito), Ferrovial (Cespa), Sacyr (Valoriza Servicios Medioambientales). Der Baukonzern ACS hat seine Tochter Urbaser Ende 2016 an die Gesellschaft China Tianying (CNTY) verkauft. Diese stieg damit auf einen Schlag in 50 Städte des spanischen Siedlungsabfallmarktes ein. Die Baugruppe Comsa veräußerte Mitte 2018 ihre auf Industrieabfälle spezialisierten Filialen an den katalanischen Umweltdienstleister Tradebe.

Lizenzgeber für den „Grünen Punkt“ ist in Spanien das nichtgewinnorientierte Verpackungsrücknahmesystem Ecoembes (www.ecoembes.es [3]). Für die Glasverpackungen ist Ecovidrio zuständig (www.ecovidrio.es [4]), für Elektronik und Elektroschrott Ecoasimelec (www.raee-asimelec.es [5]). Die Initiative der Arzneimittelindustrie ist Sigre (www.sigre.es [6]) und der Verband zur Behandlung ausrangierter Fahrzeuge nennt sich Sigrauto (www.sigrauto.com [7]).

Wichtig: Präsenz vor Ort und Kontakte

Spaniens Markt für Entsorgung und Recycling ist stark dezentralisiert durch die hohe Autonomie der Regionen und Kommunen. Hinzu kommt die Mehrsprachigkeit in wichtigen Regionen. Präsenz vor Ort sowie Kontakte zu den planenden öffentlichen Stellen und möglichen Konzessionsnehmern sind wichtig.

Neue Chancen birgt das Gesetz über öffentliche Beschaffung (Ley 9/2017 vom 8. November 2017), das im März 2018 in Kraft trat: Nicht mehr allein der Preis dominiert; an seine Seite rücken Kriterien wie Umweltfreundlichkeit, Effizienz, Transparenz und Innovation. Öffentliche Ausschreibungen in der Abfallwirtschaft finden sich auf dem Portal für öffentliche Beschaffung Spaniens (www.contrataciondelestado.es [8]) und im European Tender Information System (ETIS). Als ETIS-Partner bietet Germany Trade & Invest Zugang unter www.gtai-eu-ausschreibungen.de/gtai/rfq/searchExpert.do [9]

*) Abzurufen sind nationale und regionale Pläne unter www.mapama.gob.es/es/calidad-y-evaluacion-ambiental/planes-y-estrategias/Planes-y-Programas.aspx [10].

Verfasserin: Miriam Neubert, Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: pixabay

(EU-Recycling 10/2018, Seite 26)

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