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„Wir brauchen weniger und bessere Kunststoffe“

Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) hat seine Stellungnahmen zur europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft und zu der damit verbundenen Richtlinie über Einwegkunststoffartikel verabschiedet. Gefordert wird eine Produktionsumstellung, „da Kunststoffe zur größten Umweltgefahr werden“.

Angesichts der „alarmierenden Umweltauswirkungen von Kunststoffen“ machen die Städte und Regionen Ökodesign und die erweiterte Herstellerverantwortung zu ihrer Priorität bei der Bekämpfung der „Kunststoffvermüllung“. In Europa werden ihren Kenntnissen nach weniger als 30 Prozent der Kunststoffabfälle für das Recycling gesammelt. Der AdR begrüßt, dass Einwegplastikprodukte wie Wattestäbchen, Teller, Besteck und Strohhalme verboten werden sollen. Am 10. Oktober 2018 billigte der Umweltausschuss des Europaparlaments (EP-Ausschuss) einen entsprechenden Richtlinienvorschlag. Am 23. Oktober (nach Redaktionsschluss) befasste sich das Plenum des Europaparlaments mit der Vorlage. Mit dem zusätzlichen Verbot von Ultraleichtplastiktüten, oxoabbaubaren Tragetaschen und Getränke- und Lebensmittelverpackungen aus Polystyrol ging der EP-Ausschuss sogar über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus und forderte zudem die Prüfung von Maßnahmen zum Einsatz eines Mindestanteils von Kunststoffrezyklaten in Produkten.

Vermeidung sollte oberste Priorität haben

Weltweit landen jährlich bis zu 13 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle im Meer. 80 Prozent der an europä­ischen Stränden vorgefundenen Abfälle sind Kunststoffabfälle. Auf Einwegkunststoffartikel entfällt etwa die Hälfte aller an europäischen Stränden vorgefundenen Meeresabfälle. In der EU werden jährlich circa 49 Millionen Tonnen Kunststoff verwendet. Die Vorschläge der Städte und Regionen beruhen auf ihrer zentralen Rolle in der Abfallbewirtschaftung, von der Sammlung über den Transport bis hin zur Behandlung und Entsorgung.

André van de Nadort (NL/SPE), Bürgermeister von Westellingwerf und Berichterstatter für die Stellungnahme zur europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft, betonte: „Die Vermeidung von Kunststoffabfall sollte oberste Priorität haben. Als ersten Schritt müssen wir die Verwendung von Kunststofferzeugnissen einschränken und verbindliche Ökodesign-Kriterien festlegen. Wir brauchen weniger und bessere Kunststoffe. Wir müssen die anhaltende Subventionierung fossiler Brennstoffe abschaffen und Hemmnisse für einen Binnenmarkt für Sekundärrohstoffe beseitigen. Sie haben zur Folge, dass Primärkunststoffe preiswerter sind als recycelte oder biobasierte Kunststoffe, und beeinträchtigen die Entwicklung einer Kunststoff-Kreislaufwirtschaft.“

Mindestens 50 Prozent Rezyklate verwenden

Die Städte und Regionen unterstützen die Forderung, dass die Hersteller voll und ganz für die Kosten der Sammlung und der Behandlung des durch ihre Erzeugnisse verursachten Mülls aufkommen müssen. Vorgeschlagen wird, die Hersteller und Importeure von Kunststoffen auf Rohölbasis finanziell für die Senkung der durch die Endbehandlung ihrer Kunststoffabfälle erzeugten CO2-Emissionen in die Verantwortung zu nehmen. Eingeführt werden sollten ein Bonus bei Zielüberschreitung und finanzielle Anreize, recycelte Kunststoffe einzusetzen und zu verwenden. Bis 2025 sollte der Rezyklatanteil bei der Herstellung neuer Kunststoffe mindestens 50 Prozent betragen. Die gegenwärtige Generation biologisch abbaubarer Kunststoffe biete keine Lösung, da sie nicht biologisch abbaubar seien.

In Bezug auf die Mikroplastik-Problematik seien zuverlässige und wirksame Messtechniken sowie -verfahren zur Bewertung der genauen Auswirkungen auf die Gesundheit und Ökosysteme erforderlich. Der AdR spricht sich zudem für ein Verbot „absichtlich zugesetzten Mikroplastiks und oxo-abbaubarer Kunststoffe in allen Produkten aus, wo sie – zumal aus der gesundheitlichen Perspektive – überflüssig sind“.

Die Städte und Regionen verurteilen, dass bei der gegenwärtigen Wertstoffsammlung Nichtverpackungskunststoffe oft nicht getrennt gesammelt werden und auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landen oder gar zur Vermüllung (der Meere) beitragen. Im Mittelpunkt der Wertstoffsysteme sollte Kunststoff als Material und nicht als Verpackungsprodukt stehen. Vorgeschlagen wird außerdem ein auf EU-Ebene harmonisierter Ansatz für Pfandsysteme, „um negative grenzüberschreitende Auswirkungen zu verhindern und den freien Warenverkehr zu erleichtern“. In die Aufstellung neuer Leitlinien für die getrennte Sammlung sollten die Städte und Regionen einbezogen werden.

Die EU-Kommission sollte eine umfassende Folgenabschätzung vorlegen, aus der die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen klar ersichtlich werden. Die Bewirtschaftung von Kunststoffabfällen könnte neue Möglichkeiten für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung eröffnen. Wichtig seien Anreize und Förderungen, „damit die mehr als 50.000 KMU in der Kunststoffbranche nachhaltige Alternativen zu nicht biologisch abbaubaren Wegwerfkunststoffartikeln entwickeln“. Dabei müssten gegebenenfalls auch Anreize für Zielüberschreitungen geboten werden.

Die Richtlinie ausweiten

Die Richtlinie sollte alle nicht-biologisch abbaubaren Wegwerfkunststoffartikel sowie auf das gesamte aquatische Ökosystem einschließlich Süßgewässer und Schelfmeere ausgeweitet werden. Dabei sollten die Mitgliedstaaten und ihre regionalen und lokalen Gebietskörperschaften befugt sein, über die in der Richtlinie aufgelisteten Einwegkunststoffartikel hinaus die Nutzung weiterer Einwegkunststoffartikel zu beschränken. Als notwendig erachtet wird auch die Festlegung von Vermarktungsbeschränkungen für in die EU eingeführte Wegwerfkunststoffartikel. Die Säuberung der Umwelt von Wegwerfkunststoffabfällen sollte durch Abgaben auf die Einfuhr und auf die Herstellung von Wegwerfkunststoffartikeln finanziert werden. Der AdR fordert schließlich die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die EU-Mittel zur Finanzierung der Kunststoff-Kreislaufwirtschaft im Rahmen des künftigen EU-Haushalts aufzustocken.

Quelle: Europäischer Ausschuss der Regionen

Foto: pixabay

(EU-Recycling 11/2018, Seite 4)