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Stärkerer Einsatz von Ersatzbaustoffen: Nicht ohne Gesetzesänderung!

Seit Jahren wartet die Entsorgungsbranche darauf, dass ihre Rezyklate stärker in der öffentlichen Beschaffung beachtet werden. Warum dies bei mineralischen Ersatzbaustoffen nicht geschieht, machte Georg Franßen (Heinemann & Partner Rechtsanwälte PartGmbH, Essen) am 7. November 2018 auf der Recycling-Technik in Dortmund deutlich.

In Sonntagsreden sind Politiker mit Schlagworten wie „ökologischer, wirtschaftlicher und ethischer Verantwortung“ für Mensch und Umwelt oder „Ressourcenverbrauch vom Wirtschaftswachstum entkoppeln“ schnell zur Hand. In diesem Sinn soll auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz indirekt einen höheren Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe (mEB) fördern: Es schreibt mehr Vermeidung vor, legt Recyclingquoten für Bau- und Abbruchabfälle von 70 Prozent bis 2020 fest und definiert für Siedlungsabfälle eine Quote für 2020 von 65 Prozent.

Lebenszykluskosten einbinden

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sieht laut der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung ausdrücklich die „Berücksichtigung von Qualität, Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte“ vor. Ähnliches zählt auch zu den strategischen Zielen der Vergabeverordnung für öffentliche Aufträge (VgV): „Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.“ Außerdem sollten in die Berechnung der Lebenszykluskosten auch solche Kosten eingebunden werden, „die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen“.

Keine effektiven Anreize

Doch bedeutet Berücksichtigung keine Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber. Im EU-Protokoll Bau- und Abbruchabfälle vom September 2016 ist lediglich davon die Rede, dass die Nachfrage nach mEB beispielsweise durch eine gesetzlich vorgeschriebene Benutzung in Ausschreibungsformularen und die nachfolgende Durchsetzung der Vorschrift gesteigert werden kann. Und Paragraf 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz verpflichtet die Behörden des Bundes nur dazu, zur Zweckerfüllung des Gesetzes beizutragen und den Einsatz von Recyclingerzeugnissen zu prüfen. Das – urteilte das Verwaltungsgericht in Arnsberg im März 2018 – erlege den Behörden eine bloße Prüfpflicht auf, die gerichtlich nicht einklagbar sei. Es stehe im Ermessen der Kommune, für welches Material sie sich entscheidet. Georg Franßen kommentierte, dass somit auch keine effektiven Anreize für öffentliche Auftraggeber geschaffen würden.

Nur Berücksichtigung verpflichtend

Wie gesehen, eröffnen GWB und VgV als gesetzgeberische Vorgaben auf Bundesebene nur mögliche Vergabe-Optionen, ohne verbindliche Pflichten oder abfallspezifische Regelungen festzuschreiben. Gleiches gilt für das Vergaberecht der einzelnen Bundesländer: Fast überall ist nur die allgemeine Berücksichtigung von Umweltaspekten verpflichtend. Franßen sieht hier Verbesserungsmöglichkeiten im Abfallrecht, indem der Vollzug eines „Einsatzgebots“ für mineralische Ersatzbaustoffe festgeschrieben wird. Oder im Vergaberecht, indem Bieterrechte für die Zulassung von mEB in (Neben-)Angeboten oder für die Bevorzugung von (Neben-)Angeboten mit mEB geschaffen werden.

Nordrhein-Westfalen ist mit seinem Entfesselungspaket I vom März 2018 den entgegengesetzten Weg gegangen. Die damit betriebene, sogenannte „Entbürokratisierung“ sah die Streichung aller umweltbezogenen Regelungen aus dem regionalen Tariftreue- und Vergabegesetz vor und verabschiedete sich damit von sozial- und umweltpolitischen Vorgaben, namentlich „spezifischen Maßnahmen zur umweltfreundlichen und energieeffizienten Beschaffung“, sofern sie nicht ohnehin in GWB oder VgV vorgeschrieben sind. Hingegen verfügt Thüringen über „rechtsverbindliche“ Bevorzugung von Erzeugnissen, die – bei gleicher Eignung und Wirtschaftlichkeit – aus rohstoffschonender oder abfallarmer Produktion oder aus dem Recycling stammen. Als vorbildlich wird das rheinland-pfälzische Landeskreislaufwirtschaftsgesetz angesehen. Paragraf 2 definiert, dass – geeigneten und wirtschaftlich zumutbaren – Produkten verpflichtend Vorrang gegeben werden müsse, die „durch Vorbereitung zur Wiederverwendung oder durch Recycling von Abfällen, in energiesparenden, wassersparenden, schadstoffarmen, rohstoffarmen oder abfallarmen Produktionsverfahren oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind“.

Durch weitere Klarstellung ließe sich das Potenzial optimieren

Gleiches gilt für Produkte, die sich durch besondere Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit, durch Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen oder zu weniger oder zu schadstoffärmeren Abfällen führen. Es bestehe ein „Anspruch von Unternehmen auf Einhaltung dieser Pflichten“. Durch weitere Klarstellung, dass dies auch auf Nebenprodukte und Abfallende-Materialien zutreffe, ein zusätzliches Einbeziehen und Bevorzugen von Haupt- und Nebenprodukten und deren systematische, im Vergaberecht geregelte Bevorzugung ließe sich das Potenzial der Recyclingstoffe noch optimieren, ist Franßen überzeugt. Auch Thüringen verfügt über „rechtsverbindliche“ Bevorzugung von Erzeugnissen, die – bei gleicher Eignung und Wirtschaftlichkeit – aus rohstoffschonender oder abfallarmer Produktion oder aus dem Recycling stammen.

Das Fazit, das Georg Franßen am Ende seines Vortrags auf der Recycling-Technik zog, war eindeutig: „Es gibt für Bund und Länder keine Argumente, die gegen den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe sprechen.“ Daher gelte für Bund und Bundesländer: „Gesetzgeber, ändert Eure Gesetze!“

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 01/2019, Seite 4)

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