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Fünf-Punkte-Plan: Weniger Plastik und mehr Recycling?

Die Meinungen über die Vorlage des Bundesumweltministeriums (BMU) sind geteilt. Die Branche vermisst überwiegend konkrete und verbindliche Maßnahmen, die den Einsatz von Kunststoffrezyklaten fördern. Freiwillige Selbstverpflichtungen des Handels seien nicht ausreichend und zielführend.

Der Fünf-Punkte-Plan sieht unter anderem höhere Lizenzentgelte für Verpackungen vor, die aus schwer zu recycelnden Materialien bestehen, und unterstützt die Idee „Design for Recycling“. Die BMU-Vorlage zielt auf die Vermeidung von überflüssigen Produkten und Verpackungen und unterstützt ein europaweites Verbot von bestimmten Einweg-Plastikartikeln. In diesem Zusammenhang will das Bundesumweltministerium in einen neuen Dialog mit dem Handel treten, um freiwillige Selbstverpflichtungen zu erreichen. Vorbild ist die Vereinbarung zu Plastiktüten, die nach zwei Jahren bereits zu einem Rückgang des Verbrauchs um zwei Drittel geführt habe, wie es heißt. Ein Thema des neuen Dialogs sollen überflüssige Verpackungen von Obst und Gemüse sein. Zudem sollen Alternativen zur Plastiknutzung gestärkt werden.

Neue Rezyklat-Initiative

Ein weiterer Bestandteil des Plans ist die umweltfreundliche Gestaltung von Verpackungen und Produkten. Ab dem 1. Januar 2019 müssen die Lizenzentgelte, die die Hersteller an die dualen Systeme zahlen, ökologische Kriterien stärker berücksichtigen. Dann gilt: Wer eine Verpackung verwendet, die sich gut recyceln lässt oder aus recyceltem Material besteht, zahlt weniger als der, der das nicht tut. Für Produkte schlägt das Bundesumweltministerium darüber hinaus eine neue Regelung im Rahmen der EU-Ökodesignrichtlinie vor. Demnach müssten Produkte unter anderem so gestaltet sein, dass man sie leicht ausein­anderbauen und reparieren oder recyceln kann.

Das Recycling soll gestärkt werden. Zum Jahresbeginn 2019 sind die Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen von 36 auf 58,5 Prozent erhöht worden. Ab dem 1. Januar 2022 steigen sie, wie im Verpackungsgesetz beschlossen, auf 63 Prozent. Um die Nachfrage nach Recyclingrohstoffen zu erhöhen, will das BMU eine neue Rezyklat-Initiative starten. In einem Dialog sollen alle Akteure entlang der Produktionskette (Hersteller, Händler und Recycler) daran arbeiten, die Qualität und Akzeptanz von Rezyklaten zu steigern. Die öffentliche Hand soll bei der Beschaffung mit gutem Beispiel vorangehen. Im Bereich der Bioabfälle soll der Eintrag von Plastik durch Aufklärung und strengere Anforderungen an die Kompostqualität vermieden werden. Zugleich kündigte das Bundesumweltministerium an, im Kampf gegen den Meeresmüll stärker in die praktische Umsetzung einsteigen zu wollen. Nach einem Beschluss des Bundestags stehen ab 2019 erstmals insgesamt 50 Millionen Euro für den Export von Technologien gegen die Vermüllung der Meere zur Verfügung.

Mehr Verbindlichkeit gewünscht

Der BDE vermisst konkrete Schritte, um die Marktchancen von Rezyklaten zu verbessern. Auch äußere sich das Konzept nicht zu etlichen anderen Punkten, die das EU-Parlament fordert. Der Verband spricht sich für eine „Minimal-Content-Regelung“ aus, die einen Mindestanteil von Rezyklaten an neuen Produkten vorsieht. Denn die beste Sammlung und Sortierung nütze nichts, wenn Rezyklate keinen Absatzmarkt haben. BDE-Präsident Peter Kurth hält außerdem höhere Lizenzentgelte für schwer zu recycelnde Verpackungen für nicht ausreichend. Vielmehr müssten auch hier die Maßnahmen darauf abzielen, den Rezyklatanteil in neuen Produkten zu steigern. Beim Rezyklateinsatz in der öffentlichen Beschaffung wünscht sich der BDE mehr Verbindlichkeit.

Nägel mit Köpfen machen

Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung wertet der bvse den Plan. Doch sollte es nicht bei bloßen Absichtserklärungen bleiben. Bezüglich der Beschaffungsaktivitäten von Bund, Ländern und Kommunen sollten laut Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock endlich einmal Nägel mit Köpfen gemacht werden. Es sei unglaubwürdig, wenn die Politik mehr Recycling fordert und den Einsatz von Recyclingprodukten propagiert, aber sich da, wo sie selber ganz konkret Verantwortung trägt, große Zurückhaltung auferlegt. Eine klare Zielbestimmung werde deshalb gebraucht: Wie hoch soll in den nächsten zehn Jahren der Anteil von Recyclingprodukten, zum Beispiel im Baubereich der öffentlichen Hand, sein? Wer kontrolliert das? Wer sanktioniert, wenn die Ziele verfehlt werden? Hier könnten bindende Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen geschlossen werden; Gesetzesänderungen wären nach Auffassung des bvse nicht notwendig.

Der Grüne Punkt begrüßt den Fünf-Punkte-Plan des Bundesumweltministeriums. „Kunststoff ist ein wertvoller Rohstoff; wir müssen verantwortungsvoller damit umgehen“, appelliert CEO Michael Wiener an die Wirtschaft, endlich die großen Chancen zu erkennen, die in der Kreislaufwirtschaft liegen: „Sonst laufen wir – wie auf anderen Innovationsfeldern – auch hier Gefahr, von anderen überholt und abgehängt zu werden.“

Nicht zielführend und realitätsfern

Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sind freiwillige Selbstverpflichtungen des Handels beim Kampf gegen Plastikmüll nicht zielführend. Zu glauben, dass die Wirtschaftsteilnehmer, die am Plastikproblem verdienen, auf freiwilliger Basis gegensteuern, sei völlig realitätsfern. Ohne verbindliche Ziele zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung werde weniger Kunststoffabfall ein unerfüllter Wunsch bleiben und der Fünf-Punkte-Plan keine Wirkung entfalten.

Nach Meinung der DUH unterbieten sich seit Jahren die dualen Systeme in einem ruinösen Wettbewerb bei den Lizenzierungspreisen von Verpackungen, um neue Großkunden zu gewinnen. Dadurch gehe die Lenkungswirkung der Verpackungsverordnung hin zu weniger Abfällen verloren. Ohnehin würde das neue Verpackungsgesetz zu keiner Verteuerung des Einsatzes von Kunststoffen aus Neumaterial beitragen, wofür sich die DUH ausspricht. Der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass die Lizenzentgelte für das Inverkehrbringen von Verpackungen deutlich ansteigen oder eine Ressourcensteuer einführen. Am Ende sollten Hersteller, die besonders viele Verpackungen produzieren, auch besonders viel dafür bezahlen müssen. Die Standards zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen sollten verpflichtend vorgegeben werden.

Ins gleiche Horn stößt Greenpeace: Es fehlten in dem Plan klare Reduktionsziele und vor allem regulatorische Maßnahmen, die sicherstellen, dass es nicht bei Absichtserklärungen der Hersteller von Wegwerfplastik bleibt. Deutschland ist hinter den USA, Japan und Großbritannien der viertgrößte Exporteur von Kunststoffabfällen nach Malaysia, die dort nicht ordentlich entsorgt werden. Das zeigt ein neuer Greenpeace-Report. In Malaysia wird deutlich mehr Plastikmüll importiert, seit China Anfang 2018 ein weitreichendes Einfuhrverbot verhängte. Allein die Importe aus den USA lagen zwischen Januar und Juli mit rund 195.000 Tonnen dreimal so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Bis September stiegen die Einfuhren um mehr als 100.000 Tonnen – fast zweieinhalb Mal so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Einzelmaßnahmen verschieben nur das Problem

Die Metallrecyclingunternehmen Scholz und TSR weisen in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Fünf-Punkte-Plan darauf hin, „dass das Recycling in den letzten Jahrzehnten kaum effizienter wurde, weil immer nur über Einzelprobleme oder einzelne Stoffgruppen diskutiert wurde“. Einzelmaßnahmen würden immer nur zu einer Verschiebung des Problems beitragen: „Was fehlt, ist ein branchen- und stoffübergreifender Diskurs mit der Politik über einen umfassenden Ansatz, für eine umfassende Rohstoffwende.“

Die Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt (AGVU) schließlich warnt vor einem überhasteten Vorgehen durch eine nicht sachgerechte Ausweitung der Produzentenverantwortung. So deute der Fünf-Punkte-Plan des Bundesumweltministeriums an, dass die Hersteller zukünftig auch für die allgemeine Umweltreinigung von achtlos weggeworfenen Verpackungen aufkommen sollen. Die Politik sollte wieder stärker beim Verbraucher ansetzen. „Wir brauchen eine umfassende und leicht verständliche Verbraucheraufklärung zur Getrenntsammlung. Nur mit einem informierten Verbraucher, der seine Verpackungen nach Gebrauch tatsächlich in die überall verfügbaren Rücknahme- und Recyclingsysteme gibt, funktioniert Umweltschutz“, betont Dr. Carl Dominik Klepper, Vorstandsvorsitzender der AGVU.

Foto: Andi Karg

(EU-Recycling 01/2019, Seite 6)

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