bvse-Branchenforum 2018

Als der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. im November vergangenen Jahres das alljährliche Branchenforum in Frankfurt veranstaltete, nutzten mehr als 160 Teilnehmer die Gelegenheit, um sich über die jüngsten Entwicklungen zu informieren.

Dabei erhielten sie durch Vorträge im Rahmen der zweitägigen Tagung einen aktuellen Überblick über die Situation im Schrott- und E-Schrottrecycling. Weitere branchenrelevante Themen gab es von den Ausstellern und den Sponsoring-Partnern des Verbands.

17. Elektro(nik)-Altgerätetag: „Open Scope“ und die Folgen

Der erste Veranstaltungstag war dem Elektro(nik)-Altgerätetag gewidmet. In seinem Vortrag über die Weiterentwicklung des Systems ElektroG machte Bernhard Jehle, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling, auf die neue Rechtslage seit dem 15. August 2018 aufmerksam. Seit diesem Stichtag fallen grundsätzlich alle Elektro(nik)geräte in den offenen Anwendungsbereich (Open Scope) des Gesetzes, was bedeutet, dass dies auch für Möbel- und Bekleidungsstücke mit elektronischen Funktionen gilt. Wie Jehle informierte, ist im Einzelfall zu entscheiden, ob bei zusammengesetzten Produkten das elektronische Bauteil funktional oder baulich an die Nutzungsdauer des Produktes gebunden ist. Wenn ja, fällt es unter „Open Scope“. Handelt es sich um ein eigenständig zu beurteilendes Elektrogerät, fällt das Produkt nicht in den Anwendungsbereich. Bekleidung, Spielzeug oder Möbel mit unterschiedlichsten Materialkomponenten, in die Elektronikteile fest verbaut sind, stellten die Elektro(nik)-Sammler und Recycler vor herausfordernde Aufgaben, so der Referent. Die auf Elektro(nik)-Altgeräte hervorragend ausgerichteten Anlagen seien überwiegend nicht für diese neuen Stoffströme ausgelegt.“ Hier gingen potenziell viele Ressourcen verloren.

Während des 17. Elektro(nik)-Altgerätetages lud bvse-Fachreferent Andreas Habel zu einer Podiumsdiskussion ein (Foto: bvse)

Der Fachverbandsvorsitzende setzt sich auch dafür ein, dass Hersteller schon vor dem Inverkehrbringen die Recyclingfähigkeit ihrer Produkte nachweisen, damit die in den Materialströmen enthaltenen Wertstoffe wieder effektiv in den Recyclingkreislauf zurückgeschleust werden können. „Das ‚Design for Recycling‘ muss gestärkt werden“, meinte Jehle, der eine entsprechende gesetzliche Grundlage fordert. Seiner Ansicht nach sollten zudem mehr sekundäre Rohstoffe bei der Produktion neuer Waren eingesetzt werden. „Wenn wir Ressourcen schonen und den Kreislaufgedanken leben wollen, reicht es nicht aus, nur Recyclingmaterial zu gewinnen. Es muss anschließend auch wieder in den Produktionslauf gelangen. Im Wettbewerb mit den Preisen für Primärrohstoffe bleibt das Sekundärmaterial viel zu oft auf der Strecke. Aus diesem Grund benötigen wir dringend Einsatzquoten für Sekundärrohstoffe – auch in Elektrogeräten“, betonte Bernhard Jehle.

Darüber hinaus solle der Gesetzgeber für Hersteller, die Sekundärrohstoffe einsetzen, Anreizsysteme in Gestalt von CO2-Zertifikaten schaffen. „Das E-Schrottrecycling trägt wesentlich zur CO2-Reduktion und zum Klimaschutz bei. Für den Einsatz von Recyclingmaterial muss der Gesetzgeber äquivalent Finanzierungsanreize setzen, damit ressourcen- und klimaschonendes Recyclingmaterial gegenüber Primärmaterial wettbewerbsfähiger wird“, unterstrich er seine Position.

Elektro(nik)-Altgeräterecycling sei eine komplexe Aufgabe, konstatierte der Fachverbandsvorsitzende in seinem Vortrag. Daher sei es notwendig, Schlupflöcher zu schließen und die Stoffströme in qualifizierte Erstbehandlungsanlagen zu lenken. Die Erfassung von Altgeräten ist seiner Auffassung nach der erste entscheidende und integrative
Bestandteil der Wertschöpfungskette des Elektro(nik)-Altgeräterecyclings. Konkrete und verbindliche Regelungen und deren Überprüfung seien wettbewerbspolitisch von großer Bedeutung – auch zur Absicherung von Investitionen. „Altgeräterecycling ist gelebte Rohstoffversorgung“, lautete sein Fazit. Der Umbau von der Abfall- zur Ressourcenwirtschaft habe längst begonnen. „Das System Elek­troG muss nicht grundsätzlich geändert werden. Um Potenziale zu heben, sind Schnittstellenverbesserungen und ein gemeinsames Recyclingverständnis notwendig.“

13. Forum Schrott

Bernhard Jehle: Altgeräterecycling ist gelebte Rohstoffversorgung (Foto: bvse)

Will man das Metallschrottrecycling erfolgreich voranbringen, müssen viele Stellschrauben entlang der Wertschöpfungskette optimiert und ein wettbewerbsfreundlicheres Umfeld geschaffen werden, betonte Sebastian Will, bvse-Vizepräsident für den Fachbereich Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling und stellvertretender Vorsitzender Fachverbandes, beim 13. Forum Schrott. „Die wirtschaftliche Lage der Schrottbranche hat sich im zweiten Halbjahr verlangsamt, und ein hohes Maß an Unsicherheit bestimmt das Geschäft“, beschrieb er die aktuelle Situation mit ihren Unwägbarkeiten. „Schrott ist als weltweite Handelsware abhängig von den Einflüssen globaler wirtschafts- und geopolitischer Entscheidungen.“

Die aggressive US-Handelspolitik, zunehmender Protektionismus, Währungsverfall, gestiegene Energiepreise und die chinesische „Green Fence“-Politik beeinträchtigten die sowieso volatilen Schrottmärkte. Hinzu komme die „Regelungswut“ auf nationaler und europäischer Ebene – begleitet von einer vielfältigen Aufgaben-Palette – die das Tagesgeschäft der Unternehmen zusätzlich belaste.

Markt-Impressionen

Der Handelskrieg zwischen den USA und der Türkei hinterlasse bereits erhebliche Spuren. Die Türkei als weltweit größter Schrottimporteur und mengenmäßig wichtigster Abnehmer für europäische Schrotte leide unter den Strafzöllen der US-Regierung. Die türkische Lira habe zudem enorm an Wert verloren, informierte der Senior Reporter von Argus Media, Chi Hin Ling. Das türkische Schrotteinkaufsverhalten könne sich daher bald ändern und starke Schwankungen des Schrottangebotes im europäischen Markt verursachen. Für die nahe Zukunft sieht der Argus-Analyst den Schrottabsatz jedoch gesichert, obwohl die Stahlnachfrage seiner Einschätzung zufolge 2019 nachlassen soll. Wie er hervorhob, ist kurz-bis mittelfristig mit einem Kollaps der Stahlpreise in Europa – wahrscheinlich – nicht zu rechnen, zumal dies durch einen guten Auftragsbestand, die hohe Kapazitätsauslastung und die Erwartung auf Fortsetzung der Schutzmaßnahmen gestützt werde.

Chi Hin Ling: Das türkische Schrotteinkaufsverhalten könnte in Europa Schwankungen des Schrottangebotes verursachen (Foto: bvse)

Der Leiter Rohstoffbeschaffung des drittgrößten türkischen Elektrostahlwerks Çolakoğlu Metalurji A.Ş., Ahmet Işık Kunt, beklagte ein unzureichendes Angebot an Qualitätsschrott. Die Türkei werde im Jahr 2018 einen Schrottverbrauch von rund 30 Millionen Tonnen haben. Ein Anteil von rund 71 Prozent dieser Menge werde importiert. Da sich die türkischen Stahlwerke verstärkt auf die Produktion von höherwertigen Produkten konzentrierten, steige auch der Bedarf an qualitativ höherwertigem Schrott. Wie der Vertreter des türkischen Stahlherstellers weiter erläuterte, sei kürzlich der Import von Halbprodukten attraktiver geworden als der Einkauf von Schrott.

Man beobachte aktuell einen verstärkten Abfluss dieser Schrotte aus den traditionellen türkischen Lieferländern in Richtung indischem Subkontinent. Es sei zudem zu erwarten, dass der Wettbewerb unter den Stahlrohstoffen – Roheisen, DRI und Schrott – intensiviert werde und dabei dem Preis eine noch wichtigere Rolle als bisher zukomme, lautete die Einschätzung von Ahmet Işık Kunt.

Dies bestätigte auch die Redaktionsleiterin von MySteel Global, Hongmei Li, für die Volksrepublik China. Im Zuge der „Green Fence“-Politik sei der Einsatz von Schrott in den chinesischen Stahlwerken aus Umweltschutzgründen zwar gesteigert worden. Jedoch sei die Wettbewerbsfähigkeit der Preise nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

Hongmei Li: Chinas Stahl-Output im Jahr 2018 wird bei 800 bis 830 Millionen Tonnen liegen (Foto: bvse)

Der Schrotteinsatz in China werde im Jahr 2018 weiter wachsen, sagte sie voraus. Wurden 2017 von der chinesischen Stahlindustrie 103 Kilogramm Schrott pro Tonne eingesetzt, waren es 2018 im Zeitraum Januar bis einschließlich September 178 Kilogramm/Tonne. Wenn die Prognose der Expertin zutrifft, werden die Fabriken der Volksrepublik China im vergangenen Jahr 710 Millionen Tonnen Roheisen produziert haben. Den Stahl-Output für das Jahr 2018 schätzte sie auf 800 bis 830 Millionen Tonnen.

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Open-Scope-Elektrogeräte

Wie die stiftung elektro-Altgeräte register auf ihrer Homepage informiert, müssen öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ​die Rücknahme sogenannte​r Open-Scope-Elektrogeräte – ​gemeint sind ​Altgeräte, die erst seit dem 15. August 2018 in den Anwendungsbereich des ElektroG fallen – gewährleisten. Seit dem 1. Dezember vergangenen Jahres erfolgt die Zuweisung nach sechs Gruppen anstatt der bisherigen zehn:

■ Gruppe 1 „Wärmeüberträger“ (wie Kühlschränke, Klimageräte, Wärmepumpen);
■ Gruppe 2 „Bildschirme, Monitore und Geräte, die Bildschirme mit einer Oberfläche von mehr als 100 cm² enthalten“;
■ Gruppe 3 „Lampen“;
■ Gruppe 4 „Großgeräte“
■ Gruppe 5 „Kleingeräte und kleine Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik“;
■ Gruppe 6 „Photovoltaikmodule”.

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Brigitte Weber, Foto: pixabay / Marc Weigert

(EU-Recycling 01/2019, Seite 20)

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