Lebensmittelabfälle: Neue Verfahren verhindern die Entsorgung ins Meer

Kreuzfahrt- und andere Passagierschiffe dürfen Lebensmittelabfälle nach den Regularien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation ins Meer werfen. Neue Projekte suchten nach ökologischen und ökonomischen Möglichkeiten, die maritime Entsorgung solcher Abfälle einzudämmen.

Laut International Maritime Organization (kurz: IMO) ist die Entsorgung aller Lebensmittelabfälle in die Ozeane grundsätzlich verboten. Die entsprechende Entschließung MEPC.201(62) aus dem Jahr 2013 listet jedoch im Anhang V Ausnahmen auf, die auch das Mittelmeer, die Ostsee, das Schwarze Meer, das Rote Meer, die Golf-Region, die Nordsee, die Antarktis und die karibische Großregion als sogenannte Sondergebiete betreffen können.

So sieht zum Beispiel die Bestimmung Nr. 4 vor, dass auf offener See einem Schiff in Fahrt die maritime Entsorgung immerhin dann erlaubt ist, wenn die Abfälle auf Größen unter 25 Millimetern zerkleinert wurden und die Einleitung mindestens drei Seemeilen vor der Küste stattfindet; unbehandelte Nahrungsabfälle sollen mindestens zwölf Seemeilen vor der Küste entsorgt werden. Tierkörper sollten so weit wie möglich vom Land entfernt der See übergeben werden. Für gemischte oder verunreinigte Abfälle gelten stärkere Auflagen.

Weitere Ausnahmen

Ähnliche Bedingungen gelten laut Bestimmung Nr. 6 auch für die Einleitung in den Sondergebieten, die allerdings in der Antarktis bei eingeschleppter Geflügelpest inklusive Geflügel und Geflügelteilen nicht gestattet ist. Bestimmung Nr. 7 enthält weitere Ausnahmen. So ist die Einleitung von Lebensmittelabfällen möglich, wenn es der Sicherheit des Schiffes, der Besatzung oder der Lebensrettung auf See dient. Oder auch, wenn ein versehentlicher Verlust durch einen Schaden an Schiff oder Ausrüstung verhindert oder verringert werden soll. Und die Auflage, dass das Schiff sich bei der Entsorgung in Fahrt befinden muss, gilt dann nicht mehr, wenn deutlich ist, „dass die Zurückbehaltung dieser Lebensmittelabfälle an Bord eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für die Passagiere darstellt“. Die Entsorgung unbelasteter Abwässer, die bei der Reinigung von Ladung, Decks oder Aufbauten entstehen, ist übrigens erlaubt; für Schwarz-, Grau- und Bilgenwasser sieht Anhang V keine besonderen Regelungen vor. Die Einhaltung dieser Bestimmungen kann anhand eines vom Schiffsführer am Ende der Reise zu unterzeichnenden Formulars überprüft werden.

„Eine ziemliche Katastrophe“

Für gewöhnlich löschen deutsche Seekreuzfahrt-Schiffe ihre Abfälle in europäischen Häfen. Doch könne man bei einem deutschen Kreuzfahrtschiff auf den Kanarischen Inseln oder in der Karibik „sicher sein, dass da Müll über Bord geht – einfach weil so große Mengen anfallen und die Lagerkapazitäten nicht ausreichen“, wird Sönke Diesener, Referent für Verkehrspolitik beim NABU – Naturschutzbund Deutschland, zitiert. Seiner Meinung nach seien die ins Meer geleiteten Lebensmittelabfälle zwar an sich nicht giftig, „aber die schiere Menge wirkt wie Gift, weil das Meer überdüngt wird“. Algenwachstum und Sauerstoffmangel im Wasser seien nicht nur ein riesiges Problem, sondern stellten „eine ziemliche Katastrophe“ dar.

Weltweit 6.500 Passagierschiffe

Im Jahr 2016 verzeichnete die Kreuzfahrtbranche 24 Millionen Buchungen, verteilt auf rund 300 Schiffe mit 2.000 bis 6.000 Passagieren und entsprechenden Personalbesetzungen; hinzu kommt eine Flotte von weltweit rund 6.200 weiteren Passagierschiffen. Woraus eine Menge an Abfällen und Abwässern resultiert: Laut BINE-Informationsdienst produziert ein Schiff mit 2.500 Passagieren samt Crew jährlich rund 20.000 Tonnen Schwarzwasser per Toilettenspülung, 140.000 Tonnen Grauwasser für Hygiene und Küche, 2.500 Tonnen Speisereste, zwölf Tonnen aus dem Grauwasser abgeschiedene Flotatfette, 22 Tonnen Frittenfett sowie 3.000 Tonnen eines Gemischs aus Abwasserschlamm und Speiseresten, sogenannter „Dried BioSludge“. Während die Speisereste pro Jahr ein Potenzial von 150.000 Kubikmetern Methan darstellen, verfügt dieser getrocknete Bio-Schlamm über ein Potenzial von 320.000 Kubikmetern. Ein neues Projekt, organisiert vom Bundeswirtschaftsministerium und getragen von der Forschungszentrum Jülich GmbH, will dieses Energiepotenzial an Abfällen und Abwässern nutzbar machen. „Diese gilt es zu bearbeiten und umweltverträglich zu entsorgen, statt wie bisher üblich zu schreddern und ins Meer zu verklappen. Forscher untersuchen, wie der Biomüll effizient energetisch verwertet und hygienisiert werden kann. Mit dem neuen Verfahren können Reedereien Energie produzieren und Kosten einsparen“, meldet der BINE-Informationsdienst.

Projekte Clean und WAS2E

Bislang ist es üblich, Speisereste und Abwasser getrennt zu erfassen. Die Organik wird zerkleinert, in Tanks gesammelt und in den zugelassenen Meereszonen von Bord gekippt. Alternativ lassen sich Speisereste und Klärschlämme entwässern und energieaufwändig trocknen. Der dadurch entstehende Dried BioSludge – getrocknetes Biomüll-Pulver – kann am Ende der Fahrt im Hafen kostenpflichtig entsorgt werden. Eine Verbrennung solchen Materials an Bord ist in Sondergebieten wie der Ostsee nicht gestattet.

In einem Projekt namens Clean entwickelten die Wissenschaftler für die Abwasserkläranlage an Bord eine Anaerobstufe für die gemeinsame Verwertung von Abwasserschlamm und Speiseresten: Sie reduziert Überschuss-Schlamm schon auf See, erhöht den Reinheitsgehalt der Abwässer und vermindert die Organik-Einleitung ins Meer. Ein weiteres Konzept, das Forscher vom Informations- und Bildungszentrum Hohen Luckow im Projekt „WAS2E – Waste and Sludge to Energy“ verfolgen, hat ein anderes Ziel: „Wir wollen lieber Energie rausholen, statt sie reinzustecken“, wobei der Biomüll in einer Biogasanlage an Land verwertet wird, erklärt Koordinator Maik Orth. Das Verfahren sieht nach der Lagerung an Land zunächst eine Anaerobstufe vor.

Die darauffolgende hydrothermale Karbonisierung im Hochleistungsreaktor gewährleistet neben der Produktion von Biogas die hygienische Unbedenklichkeit von resultierender Biokohle und Prozesswasser.

Wichtig: Kosteneinsparung

Das tägliche organische Biogaspotenzial eines Schiffes mit 2.500 Passagieren – aus Dried BioSludge und Fettfraktion – soll die Leistung einer mittleren landwirtschaftlichen Biogasanlage erreichen. Für den Ostseeraum gehen die Forscher insgesamt von einem geschätzten Energiepotenzial von 20.000 Megawattstunden pro Jahr aus. Die Kosteneinsparung durch wegfallende Trocknung und Entsorgung ist für die Reedereien besonders wichtig: Sie wird auf rund 160.000 Euro pro Jahr veranschlagt. Und – meldet der BINE-Informationsdienst – „weitere 190.000 Euro je Jahr bringt die Verwertung des erzeugten Biogases, wenn es als Kraftstoff MDO (Marine Diesel Oil) substituiert.“

Foto: pixabay

(EU-Recycling 02/2019, Seite 6)