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Klärschlammbehandlung: Perspektiven für alle EU-Mitgliedstaaten

Europa bietet auch auf dem Sektor der Klärschlammbehandlung ein eher uneinheitliches Bild. Das Aufkommen der Schlämme hängt mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung zusammen, ihre Verwertung nicht zuletzt mit den politischen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, um die Rückstände nutzbar zu machen.

Eine der häufigsten Behandlungsweisen für Klärschlämme besteht darin, die enthaltenen Stickstoff und Phosphat als Dünger einzusetzen, nachdem das Material stabilisiert und mechanisch entwässert wurde. Den Pluspunkten – verbesserte Humusbildung und geringere Konzentration von Schwermetallen – stehen dabei einige Nachteile gegenüber: mögliche Überdüngung oder Stickstoff-Auswaschung, negative Auswirkungen auf Böden und Grundwasser, saisonale Schwankungen und eine notwendige Vorbehandlung, damit die Pflanzen das Phosphor aufnehmen können. Die Vorgehensweise, Klärschlämme auf Deponien zu verfüllen, wird in Europa immer weniger praktiziert, insbesondere durch die Deponie-Direktive 1999/31/EC der EU. Dennoch deponieren beispielsweise Spanien über zehn Prozent und Griechenland rund 35 Prozent ihrer Schlämme.

Licht- und Schattenseiten

Die Mitverbrennung in Kohle-, Zement- oder anderen Abfallverbrennungsanlagen hat ebenso ihre Licht- und Schattenseiten. Positiv schlagen die Vernichtung organischer Substanzen, die mögliche Rückgewinnung von Energie und die preisgünstige Art der Entsorgung zu Buche. Als negativ erweist sich, dass keine Stickstoff- und Phosphor-Entnahme aus der Asche möglich ist, die Umwelt durch lange Transportwege belastet wird, die Entwicklung der Kapazitäten unsicher ist und die am Prozess Beteiligten unterschiedliche ökonomische Interessen vertreten können.

Die Monoverbrennung zeichnet sich durch hohe Planungssicherheit für den Anlagenbetreiber aus, ergibt einen Rest-Phosphor-Gehalt in der Asche von 90 Prozent und lässt dadurch Recycling zu, entfernt Schadstoffen vollständig und ermöglicht die Energie-Rückgewinnung. Allerdings ist das Verfahren per se kostenintensiv und wenig ökonomisch, da es langfristig geplant werden muss, durch weite Anlieferung zusätzliche Kosten verursachen kann und die Phosphat-Rückgewinnung selten auf industriellem Niveau betrieben wird.

Unterschiedliche Anschlussbedingungen

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Foto: pixabay

Obwohl die Datenlage über Produktion und Behandlung von Klärschlämmen keineswegs als solide charakterisiert werden darf, lassen sich dennoch Aussagen dazu treffen. Was das Schlämme-Aufkommen in Haushalten mit Anschluss an eine Behandlungsanlage anlangt, so steht Österreich mit 27 Kilogramm Trockenmaterial pro Einwohner und Jahr an der europäischen Spitze, gefolgt von Finnland (26 kg), Dänemark (24 kg), Spanien (23 kg) und Deutschland (22 kg). Am anderen Ende der Tabelle stehen Bulgarien (7 kg), Rumänien (5 kg) Kroatien (4 kg) und schließlich der Kosovo (3 kg). Damit lässt sich – nach Ansicht der Autoren – auf eine positive Korrelation zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und seinem spezifischen Aufkommen an Trockensubstanz schließen.

Die Differenzen sollen sich jedoch nicht aus den Unterschieden der zur Verfügung stehenden Technologie zur Behandlung von Klärschlämmen ableiten lassen, sondern sind vermutlich der vagen Datenlage geschuldet. Andererseits differieren die Prozentsätze von an eine Behandlungsanlage angeschlossenen Haushalten im Europavergleich deutlich: Während die Abwasser in Deutschland, England und Wales, Niederlande und Schweiz zu 100 Prozent in Anlagen behandelt werden, gilt dies für Bulgarien (85 Prozent), Ungarn (75 Prozent), Türkei (63 Prozent) und Rumänien (48 Prozent) weniger. Hierbei sollte aber bedacht werden, dass der Anschluss von Haushalten an Behandlungsanlagen in Gegenden mit dünnerer Besiedlung aufgrund von Planungs- und Baukosten sich sehr viel kostenaufwändiger als in Städten gestaltet.

Verbrennung auf dem Vormarsch

Zieht man einen Vergleich der Behandlungsmethoden zwischen 2005 und 2015 in der EU, so ist die Ausbringung in der Landwirtschaft von 43 auf 28 Prozent deutlich zurückgegangen. Die Deponierung hat sich von 15 auf sieben Prozent praktisch halbiert. Zugenommen hat die Kompostierung von Klärschlämmen, die von zehn auf 15 Prozent anwuchs, insbesondere aber die Verbrennung, die von 21 auf 38 Prozent stieg und sich damit fast verdoppelte. Andere Behandlungsmethoden blieben mit elf beziehungsweise zwölf Prozent stabil.

Die Veränderung in den Behandlungsmethoden vollzog und vollzieht sich in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich. In Mitteleuropa ist zu erwarten, dass die agrarische Verwendung von Klärschlämmen weiter zurückgefahren oder durch Vorgaben eingeschränkt wird. Das Überangebot an Düngemitteln wie Mist oder vergorenen Bio-Substraten wird – insbesondere in Gegenden mit Viehhaltung – zusätzlich dazu führen, dass die Schlämme andernorts entsorgt werden müssen. Davon ist vor allem Deutschland betroffen, wo die Mono-Verbrennung eine zunehmend wichtigere Rolle spielen wird. In der Schweiz, den Niederlanden und einigen österreichischen Bundesländern ist die Ausbringung bereits untersagt.

Mit Anlagen-Anstieg ist zu rechnen

In Osteuropa ist mit einem zuneh­-mend größeren Prozentsatz von an Behandlungsanlagen angeschlossenen Haushalten zu rechnen. Hier gilt die agrarische Nutzung der Schlämme noch als bevorzugte Entsorgungsmethode. Mit Alternativen wie der Mitverbrennung wird zwar gerechnet; sie dürften aber aufgrund Bedenken der Öffentlichkeit und bürokratischer Hindernisse erst mit Verzögerung zum Tragen kommen. Auch für Südosteuropa ist mit einem zahlenmäßigen Anstieg von Behandlungsanlagen und daran angeschlossenen Haushalten zu rechnen. Und auch hier ist ein Rückgang der agrarischen Nutzung zu erwarten, wobei allerdings die Nachfrage nach Klärschlamm als Dünger aufgrund des geringen Humusgehalts der Böden bestehen bleiben wird. Folglich sollten große Anstrengungen unternommen werden, den Schlämmen die wertvollen Stoffe zu entziehen und gleichzeitig die Schadstoffbelastung zu verringern.

Energetische Nutzung: nicht nachhaltig

Die energetische Nutzung von Klärschlämmen in Kohlekraft- oder Zementwerken erscheint als Möglichkeit, ist aber hinsichtlich Phosphatrecycling nicht nachhaltig. Auch trifft das Argument nicht zu, dieses Material sei in trockenem Zustand vergleichbar mit Braunkohle (Lignit): Erstens müssen Schlämme erst aufwändig getrocknet werden, um einen Brennwert von ein bis zwei Megajoule pro Kilogramm zu erreichen; der kalorische Gehalt von Lignit liegt bei acht Megajoule pro Kilogramm. Zweitens sind Verbrennungsanlagen für Klärschlämme meist kleiner als die von Braunkohle und erreichen im Vergleich zu konventionellen Kohlekraftwerken nur einen thermischen Output im einstelligen Bereich.

Allerdings ließe sich die energetische Leistung von entwässerten Klärschlämmen erhöhen durch Mischung mit solar getrockneten Schlämmen (außer in saisonabgängigen Gegenden wie Mittel- und Nordeuropa), durch Verwendung von überschüssiger Fernwärme zur Trocknung oder durch Optimierung von Turbinen und Dampfparametern in den größeren Schlammverbrennungsanlagen.

Phosphorrecycling: nur bedingt sinnvoll

Hinsichtlich Versorgungssicherheit und angesichts steigender Kosten ist es angebracht, Phosphor aus Klärschlämmen rückzugewinnen. Allerdings liegt das Wiederverwertungspotenzial von Phosphor aus Abwasser und Schlämmen bei unter 50 Prozent und empfiehlt sich ökonomisch nur unter bestimmten Bedingungen. Das Phosphorrückgewinnungs-Potenzial aus Aschen beträgt hingegen rund 90 Prozent; zusätzlich reduzieren die Verarbeitungsprozesse die Schadstoff-Konzentration und erleichtern den Pflanzen die Aufnahme von Inhaltsstoffen.

Zur direkten Fällung von gelöstem Phosphat und zur chemischen Phosphorrücklösung aus Abwasser und Klärschlamm zählten Jan Stemann, Christian Kabbe und Christian Adam 2014 bereits 14 Verfahren auf. Für die Rückgewinnung aus Klärschlammaschen über nasschemische und thermochemische Verfahren waren insgesamt sechs Anlagen im Gespräch – meist im Industriemaßstab geplant oder bereits realisiert. Seitdem ist das Tetra-Phos-Verfahren von Remondis hinzugekommen, das in einer Anlage in Hamburg industriell erprobt wird.

Der Blick auf Europa zeigt bei der Klärschlammbehandlung große regionale Unterschiede. Während in Mittel- und Nordeuropa kurz- und mittelfristig die Monoverbrennung als Non plus ultra gilt, ist in Süd- und Osteuropa einstweilig die agrarische Verwendung gang und gäbe, solange Umweltbelastungen durch die Schlämme auszuschließen sind. Auch hinsichtlich Prozentsatz und technischem Standard der Anlagen, an die die Haushalte angeschlossen sind, unterscheiden sich Mitteleuropa und Südost-Europa. Freilich müssen zukünftig für steigende Schlamm-Mengen Lösungen gefunden werden. Für Planung und Bau neuer großer Behandlungsanlagen ist es unabdingbar, Kombinationsmöglichkeiten mit Klärschlamm-Verbrennungsanlagen zu überprüfen, um Synergieeffekte zu nutzen; die geplante Anlage im montenegrinischen Podgorica liefert dafür ein gutes Beispiel. Aber es sollte auch nicht vergessen werden, dass es in Europa immer noch große Mengen an kommunalen und industriellen Abfällen gibt, die auf Deponien enden. Angesichts knapper Mittel sollten primär hierfür Energierückgewinnungsanlagen installiert werden, denen dann Verbrennungsanlagen für Klärschlämme folgen können.

Der Artikel ist eine Zusammenfassung eines Beitrags von Martin Gutjahr und Johannes Müller-Schaper, abgedruckt in Waste Management Vol. 8, hrsg. von Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker und Stefan Kopp-Assenmacher, Neuruppin 2018, ISBN 978-3-944310-43-5.

(EU-Recycling 02/2019, Seite 16)

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