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EBS-Produktion und -Mitverbrennung im Zementwerk Wittekind

Schon seit 1985 setzt der Familienbetrieb in Erwitte, Nordrhein-Westfalen Ersatzbrennstoffe als Energieträger ein. Bis zu 60 Prozent der dortigen Feuerungswärmeleistung werden durch EBS aus Siedlungs- und Gewerbeabfällen gedeckt.

Die angelieferten Abfälle werden am Standort in zwei Linien zu Ersatzbrennstoffen aufbereitet und vor dem Aufgabebunker zusammengeführt. Die erste Aufbereitungslinie verarbeitet ausschließlich Hausmüll. Das Material wird mittels eines Hammerbrechers vorzerkleinert und gelangt in eine Siebtrommel. Schwachkalorisches Material mit der Körnung 0-30 Millimeter geht zu einer Abfallverbrennungsanlage. Die weiteren Prozessschritte umfassen Metall- und andere Wertstoffabscheidung sowie die Nachzerkleinerung auf die Korngröße 0-40 Millimeter. Etwa die Hälfte des aufgegebenen Hausmülls wird für die Brennstoffherstellung eingesetzt.

Gewerbeabfälle, gemischte Verpackungen aus Kunststoffen und Papier sowie Gummi und Textilien bilden den Hauptstrom der zweiten Aufbereitungslinie. Je nach Vorgabe werden die unterschiedlichen Fraktionen anteilig vorzerkleinert, von Metallen und Störstoffen entfrachtet und zwischengelagert. Dabei erfährt das Material eine erste Durchmischung. Ein Radlader nimmt das Material nach Bedarf aus dem Bunker, gibt es auf ein Dosierband, über das es einer schnelllaufenden Mühle zugeführt wird, die das Material auf die gewünschte Korngröße 0-40 Millimeter konfektioniert. Der zerkleinerte, gesiebte und gesichtete Hausmüll wird dann mit den zerkleinerten Gewerbeabfällen zum fertigen Ersatzbrennstoff vermengt.

Ein gewünschter Effekt

EBS aus Haus- und Gewerbeabfällen sind aufgrund ihrer inhomogenen Eigenschaften meist schwer zu dosieren. Unterschiedliche Korngrößen sowie geometrische Beschaffenheit, anhaftende oder akkumulierte Feuchte zeichnen das Material als nicht silofähig aus. Walzen, Schnecken und Haspeln kämmen auf dem Weg zur Banddosierwaage aufgetürmte Materialspitzen ab und gleichen den Stoffstrom damit an. Eine Banddosierwaage sorgt bei Wittekind für eine verhältnismäßig gleich bleibende Fördermenge: Pro Stunde werden etwa zehn Tonnen Ersatzbrennstoff zum Brenner (Multibrenner) befördert. Dabei passiert das Material ein Nah-Infrarot-Detektionssystem (NIR) und Metallabscheider. Das NIR-Gerät ermittelt zudem die Chlorkonzentration im Ersatzbrennstoff.

Die Brennerlanze des Multibrenners besteht aus mehreren, unterschiedlich großen Hohlrohren mit spezieller Mündungsgeometrie für den jeweils eingesetzten Brennstoff. Mittig der Brennerlanze befindet sich der EBS-Kanal. Kurz vor dem Austritt kann zusätzlich über kleinere, radial angeordnete Bohrungen Luft eingedüst werden, um den Ersatzbrennstoff frühzeitig aufzufächern. Laut Wittekind wirkt das Auffächern einem „Durchschießen“ entgegen und fördert „rasch nahen Kontakt mit den Primärbrennstoffen Braun- und Steinkohle“. Dieser Effekt ist gewünscht, um eine nahezu einheitliche Flammenfront im Sinterbereich zu gewährleisten. Die Herstellung von Zementklinker erfordert eine Verfahrenstemperatur von 1.450 Grad Celsius.

Wie die Chlor-Anreichung verhindert wird

Das Bypass-Chlorausschleusungssystem ist eine Besonderheit. Es verhindert, dass sich Chlor im Wärmetauscher anreichert. So weisen mit PVC versetzte Abfälle nicht selten einen organischen Chloranteil von 30 bis 50 Prozent auf. Und auch nach der Aufbereitung verbleibt ein Restanteil von 0,3 Prozent (Hausmüll). Bei der Verbrennung geht Chlor in den höchsten Aggregatzustand über. Bei etwa 800 Grad Celsius kondensiert es im System aus und reichert sich an den Oberflächen im Wärmetauscher an. Das permanent nachströmende Rohmehl – reziprok zur Gasstromrichtung – wird mit Chlorpartikeln umspült. Je weiter das Gas im Wärmetauscher abkühlt, desto schneller kondensiert das Chlor aus. Ohne eine Senke würde das mit Chlor benetzte Rohmehl Richtung Ofen laufen. Die ansteigende Verfahrenstemperatur lässt das Material wieder gasförmig werden.

Der Wärmetauscher würde sonst sehr rasch mit chlorkonzentriertem Rohmehl zuwachsen. Eine rasche Anreicherung in diesem Bereich ist damit vorprogrammiert. Zur Lösung wird ein geringer Teilgasstrom dauerhaft am Ofeneinlauf mit sehr niedriger Gasgeschwindigkeit entnommen. Dieser Strom wird über eine Mischkammer mit Frischluft beaufschlagt, die zur Fixierung der Chlorteilchen auf dem entnommenen Rohmehl bei etwa 600 Grad Celsius führt. Nachgeschaltet trennt ein Zyklon das Luft-/Feststoffgemisch. Das Bypassmehl – mit einem Anteil von etwa drei bis fünf Prozent Chlor – wird in Silos zwischengelagert. Das abgeschiedene Gas wird dem Wärmetauscher an einer thermisch passenden Stelle wieder zugeführt.

Die EBS-Anlage im Zementwerk Wittekind ist mit einem thermischen Nachverbrennungssystem ausgerüstet. Bei der Verbrennung von Abluft-Schadstoffen werden diese in die Verbindungen Wasser und Kohlendioxid überführt. Die gesammelte Abluft wird durch den Klinkerrostkühler gefahren. Die eingeleitete Abluft heizt sich dabei auf über 1.200 Grad Celsius auf. Im Anschluss strömt die aufgeheizte Luft in den Ofen und erfährt durch den Brennerbetrieb eine weitere Temperaturerhöhung auf 2.000 Grad Celsius. Die Verweilzeit der Abluft liegt bei über zwei Sekunden, bis sich das Abgas am Ende des Ofens im Übergang zum Wärmetauscher auf 800 Grad Celsius wieder abgekühlt hat.

Der Artikel basiert auf den Beitrag „Aufbereitung von Siedlungsabfällen zu Ersatzbrennstoffen in Erwitte und Mitverbrennung im Zementwerk Wittekind“ von Thomas Bals, erschienen in: Energie aus Abfall, Band 14, hrsg. v. Karl J. Thomé-Kozmiensky und Michael Beckmann, Thomé-Kozmiensky Verlag 2017, ISBN: 978-3-944310-32-9.

Foto: Dr. Jürgen Kroll

(EU-Recycling 02/2019, Seite 22)

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