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Substitution: Nur bedingter Ersatz für kritische Rohstoffe

Lassen sich kritische Rohstoffe für Umwelttechnologien substituieren? Haben zweitbeste Materialien das Potenzial, diese Stoffe zu ersetzen? Diesen Fragen gingen im Auftrag des Umweltbundesamtes Forscher des Öko-Instituts und des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung nach.

Die Wissenschaftler erstellten zwei Szenarien mit 40 ausgewählten Umwelttechnologien im Blickfeld: ein Weiter-so-Szenario mit extrapolierten Trendaussagen und ein Grüne-Ökonomie-Szenario für eine stärker umweltorientierte Wirtschaft. Insgesamt wurden 38 nachgefragte Rohstoffe untersucht; 21 davon entsprachen mindestens einer der beiden Szenarien und einem Rohstoffbedarf von über drei Prozent an der globalen Primärgewinnung im Jahr 2013. Spitzenreiter im Bedarf relativ zur Gesamtproduktion waren Palladium (423 Prozent), Ruthenium (409 Prozent), Rhodium (331 Prozent), Dysprosium (304 Prozent) und Iridium (289 Prozent). Die Kritikalität der Rohstoffe errechnete sich aus Versorgungsrisiko, ökologischem Schadenspotenzial und strategischer Bedeutung. Danach belegen Rhodium, Palladium, Ruthenium und Iridium auch die Plätze mit der höchsten Kritikalität.
Unterschiedliche Bedingungen

Vergleichsweise hohe Kritikalität besitzen auch die 20 Umwelttechnologien, die zu den Gruppen Elektronik, Katalysatoren, Permanentmagnete, Solartechnik, Speichertechnologien, Generatoren ohne Permanentmagnete und sonstigen Technologien wie RFID, weißen Leuchtdioden oder Kathoden zum Sauerstoffverzehr gehören. Für diese 20 bestehen Optionen zur Substitution, allerdings unter verschiedenen Bedingungen. Etliche wie beispielsweise zum Ersatz von Neodym-Eisen-Bor-Permanentmagneten sind bereits auf dem Markt vertreten, andere wie Silber-Sintern für bleifreie Lote haben die kommerzielle Phase erreicht, während Alternativen wie organische Leuchtdioden anstatt weißer LED preislich noch nicht mit der Konkurrenz mithalten können. Für sechs Technologien gab es keine Möglichkeiten zur Substitution. Für einige der Umwelttechnologien wird sich ein Einsatz alternativer Rohstoffe zur Substitution als deutlicher Erfolg erweisen, der auch Bedarfsverminderungen gegenüber dem Grüne-Ökonomie-Szenario zur Folge hat. So können bei RFID-Modulen bis 2025 beziehungsweise 2050 Kupfer und Silber um 96 beziehungsweise 100 Prozent reduziert werden. Weiße Leuchtdioden benötigen 2025 vergleichsweise nur noch 40 Prozent Cer, die Hersteller von Hybridmotoren können 2025 auf 45 Prozent Dysprosium und Terbium verzichten, der Dysprodium-Anteil an Permanentmagneten der Windkraftanlagen soll dann um 40 Prozent geringer ausfallen, und in Elektrofahrzeugen werden bis 2050 gut 64 Prozent weniger Dysprosium, Neodym, Praseodym und Terbium verbaut sein.

Verminderung des Rohstoffbedarfs erwartet

Bei anderen Umwelttechnologien muss aber auch damit gerechnet werden, dass Alternativen nur begrenzte Auswirkungen haben oder den Bedarf an anderen wichtigen Rohstoffen steigen lässt. So gleicht die Dünnschicht-Photovoltaik die fünfprozentige Reduktion von Gallium, Indium und Silber durch einen Mehrbedarf an Zink und Zinn aus. Positiv schlägt bei den 40 ausgewählten Technologien zu Buche, dass sich im Substitutions-Szenario bei Silber, Gold, Palladium, Seltenen Erden, Lithium, Zinn, Gallium, Titandioxid und Mangan vor allem eine Verminderung des Rohstoffbedarfs im Vergleich zum Grüne-Ökonomie-Szenario abzeichnet. Mit Ausnahme von Platin, für das von einem zunehmenden Bedarf ausgegangen wird.

Bis diese Substitutionen Realität werden und in den Wettbewerb eintreten, müssen die Forscher noch etliche technische Nachteile wie niedrige Leistungsdichte, geringen Wirkungsgrad und fehlenden industriellen Fertigungsmaßstab ausräumen. Zur besseren und breiteren Vermarktung wird auch die Senkung der Produktionskosten im Verbund mit der Skalierung von Demonstrations- und Pilotanlagen empfohlen. Ebenso benötigt eine Marktdurchdringung neben Qualifizierung und Austausch auf Wissenschaftlerseite auch Maßnahmen zu rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen. Doch wird trotz weiterer Forschung und Entwicklung bis 2025 noch ein relativ niedriger Marktanteil angenommen. Selbst Substitutionsmöglichkeiten, die gut entwickelt sind, dürften sich nur in Nischenmärkten behaupten.

Kritikalität nur begrenzt reduzierbar

Wird die Substitution der untersuchten relevanten Rohstoffe deren Kritikalität verändern? Tatsächlich schneidet im Vergleich von Grüne-Ökonomie- und Substitutions-Szenario letzteres etwas besser ab: Die Forscher rechnen mit einer leichten Reduktion von drei Prozent im Jahr 2025 und von elf Prozent für 2050. Das Ergebnis kommt dadurch zustande, dass positive Auswirkungen von Substitutionen für Dysprosium und Terbium durch einen Mehrbedarf bei Platin – Substitution von Lithium-Ionen-Batterien durch Brennstoffzellen und Fahrzeug-Abgas-Katalysatoren – abgeschwächt werden.

Der Arbeitsbericht 5 der Untersuchung kommt denn auch zum Schluss, „dass nach dem heutigen Stand die Kritikalität der relevanten Rohstoffe für die ausgewählten Umwelttechnologien nur begrenzt reduziert werden kann“. Und macht deutlich, dass die erwähnten beiden Szenarien vor allem die Veränderung der strategischen Bedeutung dieser Rohstoffe und den sich wandelnden Bedarf nach ihnen abbilden. Versorgungsrisiko und ökologisches Schadenspotenzial bleiben aber unverändert bestehen.

Abschlussbericht und Teilberichte zu „Substitution als Strategie zur Minderung der Kritikalität von Rohstoffen für Umwelttechnologien – Potentialermittlung für Second-Best-Lösungen“ sind unter www.umweltbundesamt.de/publikationen/substitution-als-strategie-minderung-rohstoffkritikalitaet [1] erhältlich.

Foto: fotomowo / Adobe Stock

(EU-Recycling 02/2019, Seite 30)

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