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Elektronikschrott enthält mehr als teures Gold

Gold, Neodym und Indium zählen zu den seltensten Elementen auf der Erde; außerdem gelten Neodym und Indium aus Sicht der Europäischen Union als kritische Metalle. Dennoch gibt es auch in Europa mehr oder minder verwertbare Vorkommen dieser drei Rohstoffe.

Esther Thiébaud, Doktorantin am Schweizer Forschungsinstitut Empa, suchte, wo die Materialien zu finden sind, und untersuchte, wie viel davon wiederverwertet wird oder für einen weiteren Gebrauch bereits verloren ist.

Die Forscherin fand heraus, dass die größte Stoffmenge in denjenigen Geräten vorhanden ist, die zurzeit – in LCD-Bildschirmen, der Telekommunikation oder in Motoren – eingesetzt und im Gebrauch sind. Und deren Recycling sich nur schwer realisieren lässt. So landet beispielsweise der zweitgrößte Anteil des im Umlauf befindlichen Indiums in der Schlacke von Müllverbrennungsanlagen und geht damit der Rückgewinnung verloren. Dieses Schicksal erfährt auch Neodym: Dessen zweitgrößte Menge findet sich in der Schlacke der Metallhütten und endet im Baubereich. Nur Gold wird als ökonomisch wertvoll angesehen und zu 70 Prozent wiedergewonnen, während ein Recycling von Indium und Neodym in der Schweiz bislang noch nicht stattfindet.

Schon 2015 untersuchten Schweizer Forscher, ob die Rückgewinnung von Indium und Neodym machbar und sinnvoll ist. Ihr Ergebnis: Die Rückförderung von Indium stellt technisch keine Schwierigkeit dar, benötigt zwar einen großen Aufwand, erfordert aber nur moderate Zusatzkosten. Aus ökologischer Sicht ist der Indium-Anteil gebrauchter Bildschirme höher als der einer Mine mit gleichem Volumen, während die Umwelteinwirkungen sich in etwa die Waage halten, wenn die Demontage manuell und nicht mechanisch erfolgt. Für Neodym gilt nach Darstellung von Empa: „Stammt das Material aus dem Recyclingprozess, dann belastet dies die Umwelt um einen Drittel weniger, als wenn es aus einer Mine gewonnen wird.“

Wenig Wert auf Rückgewinnung gelegt

Dennoch wird auf die Rückgewinnung dieser Metalle wenig Wert gelegt. Indium, das erst seit der Jahrtausendwende im kommerziellen Maßstab Verwendung findet, war nach letzten Angaben 2014 mit rund 1,7 Tonnen in verkauften Geräten eingesetzt; hingegen konnten gebrauchten Geräten nur 135 Kilogramm entnommen werden. Etwa ein Drittel des Materials verschwand im Restmüll oder im Export. Die übrigen 90 recycelten Kilogramm gelangten zu 90 Prozent in die Müllverbrennung, fünf Prozent gingen in der Schmelze verloren, und die restlichen fünf Prozent landeten zum Zweck einer möglichen Wiederaufbereitung auf Halde.

An Neodym, das seit rund 40 Jahren in Elektronikgeräten verbaut wird, konnten 2014 im Gegensatz zu insgesamt 39 Tonnen im laufenden Geräteeinsatz nur 3,9 Tonnen aus entsorgten Geräten entnommen werden. Die 2,8 Tonnen, die ins Recycling kamen, endeten nach dem Schmelzen in der Schlacke der Metallhütten. Auch von den 4,8 Tonnen an Gold in Elektronikgeräten wurde nur rund ein Zehntel – 440 Kilogramm – aus gebrauchten Produkten separiert. Von den fürs manuelle Recycling vorgesehenen 330 Kilogramm an goldhaltigen Komponenten wurden jedoch 95 Prozent wiedergewonnen.

Den vorgezogenen Recyclingbeitrag erhöhen

Der deutlichste Unterschied der drei seltenen Metalle zeigt sich freilich im Preis. Während die 90 Kilogramm Indium zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit 36.000 US-Dollar und die 2.800 Kilogramm Neodym mit 200.000 US-Dollar gehandelt werden, sind für die 330 Kilogramm Gold 13,6 Millionen US-Dollar veranschlagt. Offensichtlich rentieren sich Recyclinginvestitionen in die Goldgewinnung, während für Indium und Neodym kein wirtschaftlicher Aufwand betrieben wird. Das hat auch der Computer-Hersteller Dell erkannt und vor kurzem das branchenweit erste Pilotprojekt für das Recycling von Gold aus alten Elektronikgeräten vorgestellt. Sein Argument: „In einer Tonne Motherboards ist bis zu 800 Mal mehr Gold vorhanden als in einer Tonne Erz.“

Darüber sollten jedoch andere Wertstoffe nicht vergessen werden. Noch sind die größten Mengen an Indium und Neodym in den aktuell genutzten Elektrogeräten gebunden und können prinzipiell wiedergewonnen werden.

Esther Thiébaud schlägt daher vor, den in der Schweiz üblichen vorgezogenen Recyclingbeitrag um 50 Rappen (44 Cent) pro Bildschirm zu erhöhen: „Eine geringfügige Erhöhung des vorgezogenen Recyclingbeitrags würde bereits genügen, um das Recycling wirtschaftlich attraktiv zu machen.“ Bis dahin sei es zumindest sinnvoll, Geräteteile mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Indium und Neodym zwischenzulagern, um die Rohstoffe nicht für immer zu verlieren.

Quelle: Empa/Karin Weinmann, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

(EU-Recycling 02/2019, Seite 34)