- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Mantelverordnung: Macht die Bundesregierung alles richtig?

Mehr als 13 Jahre dauert die Debatte um die Implementierung der Mantelverordnung; der Verordnungsentwurf liegt zurzeit dem Bundesrat vor – zusammen mit über 300 Änderungsanträgen aus den Bundesländern. In einer kleinen Anfrage fühlten FDP-Abgeordnete der Bundesregierung jetzt auf den Zahn, inwieweit diese die Folgen verschärfter Grenzwerte durch die Mantelverordnung mit schwindenden Deponiekapazitäten unter einen Hut zu bringen gedenkt.

Die Bundesregierung bezieht sich auf den am 3. Mai 2017 beschlossenen Entwurf der Mantelverordnung hinsichtlich Ersatzbaustoffen. Danach soll beim Bodenaushub durch Deponierung statt Verfüllung eine Verschiebung von Stoffströmen in der Größenordnung von sieben bis maximal zehn Millionen Tonnen pro Jahr resultieren; die Einschränkung der Verfüllung von Bauschutt werde weitere drei Millionen Tonnen an Material für die Deponien beisteuern.

Ob die Angaben über zusätzliche Deponie-Mengen in Höhe von 50 oder gar 70 Millionen Tonnen zutreffen, wie sie BDE beziehungsweise ZDB kalkulieren, sei dahingestellt: Wie die Bundesregierung feststellt, seien deren Zahlen nicht hergeleitet und differenzierten nicht nach Abfallstoffströmen. Andererseits ist das Argument des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) nicht von der Hand zu weisen, wonach die Mantelverordnung nur für Böden und Recyclingbaustoffe der jeweils besten Umweltverträglichkeitsklasse einen Produktstatus vorsieht. Ersatzbaustoffe ohne Produktstatus würden weiterhin als Abfall gelten, könnten in der Praxis keinen Markt finden und müssten zusätzlich deponiert werden.

Was bringt eine achtjährige Übergangsregelung?

Könnte die in der Mantelverordnung vorgeschlagene achtjährige Übergangsregelung für genehmigte Verfüllungen eine Verbesserung der Deponiekapazität bewirken oder werde das Kapazitätsproblem damit lediglich vertagt, wurde die Regierung gefragt. Die Antwort: Die Regelung soll betroffenen Akteuren ermöglichen, sich auf die Veränderung einzustellen, und den Ländern die Chance geben, die entsprechende Deponiekapazitäten für mineralische Abfälle vorzusehen. Dem würde Hartmut Haeming, Vorstands-Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber (InwesD), wohl kaum zustimmen. Zwar bescheinigte er, dass 2017 in den Bundesländern ein Bewusstsein erkennbar sei, wonach „es neuer Deponiekapazitäten bedarf, zumal die Genehmigungszeiten aufgrund zahlreicher für den Vorhabenträger unkalkulierbarer Risiken nicht bestimmbar sind“. Dennoch führt seine Analyse der regionalen Situationen und eine Gegenüberstellung mit dem jährlichen Deponiebedarf zu dem Ergebnis, dass in nahezu allen Bundesländern die Schaffung neuer Deponiekapazitäten für Bauabfälle zeitnah erforderlich ist, wenn ein Entsorgungsnotstand vermieden werden soll. Bundesweit gesehen, wären bei zugrunde gelegten Restkapazitäten in 2017 – einschließlich fortgeschrittener relevanter Planungen – bereits im Oktober 2026 die Kapazitäten der Deponien für mineralische Abfälle erschöpft; bei Annahme der von BDE und ZDB vorgenommenen Schätzungen würde dieser Zustand bereits im November 2023 beziehungsweise August 2022 erreicht sein.

Keine Deponiestrategie in Aussicht

Die Erarbeitung einer „Deponiestrategie“ für den Fall deutlicher zur Lagerung verpflichtender Abfallmengen-Erhöhungen lehnt die Bundesregierung ab, unter anderem, weil – wie vorausgesetzt – mit keinen weiteren Stoffstromverschiebungen zu rechnen sei. Da außerdem der Vollzug des Abfallrechtes in die verfassungsrechtliche Kompetenz der Länder falle, dürfe der Bund nicht regulierend in die Deponieplanung der Länder eingreifen. „Diese stellen eigenverantwortlich sicher, dass ausreichende Deponiekapazitäten zur Verfügung stehen.“ Allerdings sehe die Bundesregierung die Erarbeitung einer bundesweiten Deponiestrategie unter der Ägide der Umweltministerkonferenz als sinnvoll an. Die Frage aber steht im Raum, ob nicht eine nationale Strategie für den Fall sinnvoll wäre, dass trotz allem vermehrt Stoffstromverschiebungen durch die Mantelverordnung auftreten, wodurch indirekt in die eigenverantwortliche Kompetenz der Länder eingegriffen würde?

Exporte sollen nicht zunehmen

Auch die Möglichkeit, dass durch die Verabschiedung der Mantelverordnung mineralische Abfälle in größerem Umfang in andere EU-Mitgliedstaaten verbracht werden könnten, schließt die Bundesregierung rundweg aus. Sie räumt lediglich ein, dass es aufgrund unterschiedlicher Prüf- und Analyseverfahren in den einzelnen Ländern verschiedene Grenzwerte für die Verwertung mineralischer Abfälle gibt, sodass die Zahlen innerhalb der EU nicht miteinander vergleichbar seien. Dem Argument, dass ohnehin die Menge an exportierten Bau- und Abbruchabfällen bis zum Jahr 2017 angestiegen ist, wird damit begegnet, dass der Anteil dieser Abfälle am Aufkommen in diesem Jahr lediglich 0,55 Prozent betragen habe; 85 Prozent davon seien in die Verwertung gelangt und nur 15 Prozent seien in den Niederlanden beseitigt worden. Außerdem könnten laut Mantelverordnung Behörden in Deutschland Einwände gegen den Export erheben und so eine Verbringung zur Entsorgung in Anlagen mit geringeren Umweltstandards verhindern. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich – von der Mantelverordnung unabhängig – aufgrund von Marktbedingungen Exportmengen verändern können.

Sind Stoffstromverschiebungen weiter reduzierbar?

„Über 13 Jahre lang wurde bereits über die Implementierung der Mantelverordnung vor und hinter den politischen und wirtschaftlichen Kulissen diskutiert und debattiert“, bilanziert die FDP in ihrer Anfrage. Dennoch scheinen die Gegensätze in den Sichtweisen der Beteiligten nach wie vor nicht ausgeräumt zu sein. Die Bundesregierung beruft sich in ihrer Stellungnahme strikt auf die Ergebnisse des Ufoplan-Vorhabens „Planspiel Mantelverordnung“, Daten der Abfallstatistik des Statistischen Bundesamtes und des Bayerischen Landesamts für Statistik sowie Ergebnisse eines Lanuv-Monitorings. Und hält die Höhe der Stoffstromverschiebungen von zehn bis 13 Millionen Tonnen an Bauabfällen für realistisch, die durch Vermeidung von Bodenaushub bei Baumaßnahmen, ein verbessertes Recycling mineralischer Abfälle und ein qualifiziertes Bodenmassen-Management weitergehend reduziert werden könn(t)en.

Dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe erscheinen diese konkreten Vorschläge unter den jetzigen Bedingungen als nicht realisierbar: „Mangels einer Voruntersuchungspflicht (für Bauherren) müssen derzeit auch Böden im Regelfall unmittelbar entsorgt werden, da eine Beprobung nach Ersatzbaustoffverordnung und die Suche nach Verwendungsmöglichkeiten mit dem zeitlichen Druck auf der Baustelle nicht vereinbar sind.“ Überhaupt bestehe der Kardinalfehler der Mantelverordnung darin, dass der Dreiklang zwischen den Schutzzielen Abfallvermeidung, Ressourcenschonung sowie Grundwasser- und Bodenschutz nicht zum Tragen komme, sondern sich der Entwurf einseitig am Grundwasser- und Bodenschutz orientiere: „Im europäischen Vergleich sehr strenge, teilweise um mehrere Zehnerpotenzen niedrigere Schadstoff-Grenzwerte verhindern eine Verwertung von geringfügig belasteten Böden und Recycling-Baustoffen.“

Die Problematik nicht weiter verschärfen

Prinzipiell befürworten die Verbände der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau die Verordnung als Chance zur Schaffung von bundeseinheitlichen Verwertungsregeln anstelle eines zerstückelten Regelwerks auf Länder­ebene. Doch enthalte die Kabinettsfassung der Mantelverordnung „allerdings auch einige kritische Punkte“, merkte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa noch Ende Januar an. Andreas Pocha, Geschäftsführer des Deutschen Abbruchverbandes, hält es zumindest für diskussionswürdig, „ob sich der prognostizierte, deutlich steigende Anteil zu deponierender Bauabfälle nicht kontraproduktiv auswirkt“. Und der Vorsitzende der Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe, Michael Stoll, sieht die Notwendigkeit eines Regelwerks, das „die Problematik der bereits bestehenden Kapazitätsengpässe bei Deponien nicht weiter verschärft“.

Jetzt wird erwartet, dass die Verordnung in 2019 im parlamentarischen Verfahren angepasst und dann verabschiedet wird. Michael Stoll: „Die Unternehmen benötigen praktikable und widerspruchsfreie Regelungen sowie eine klare Zuweisung der abfallrechtlichen Verantwortlichkeiten.“

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 03/2019, Seite 12)

[1]

Anzeige