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Unstimmigkeiten in der Klärschlammverordnung

Während der Arbeiten an der LAGA-Vollzugshilfe, die im Frühjahr in die Verbändeanhörung gehen soll, sind der Deutschen Phosphor-Plattform Unstimmigkeiten hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der sogenannten Nass- oder Fällungsverfahren zur Phosphorrückgewinnung aufgefallen.

Die am 3. Oktober 2017 in Kraft getretene Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (AbfKlärV) verpflichtet zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm. Nach einer Übergangsfrist müssen Kläranlagen mit >50.000 EW Phosphor aus dem Klärschlamm direkt oder aus der Klärschlammasche rückgewinnen. Aktuell wird zu dieser Klärschlammverordnung eine Vollzugshilfe im Rahmen einer LAGA ad-hoc Arbeitsgruppe entwickelt. Bei der Beurteilung der Unstimmigkeiten sind folgende Definitionen zu berücksichtigen:
■ Es gilt nach AbfKlärV Artikel 1, §2 (2), dass Klärschlamm ein Abfall aus der abgeschlossenen Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen ist.
■ Abfälle sind nach KrWG §3 (1) alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
■ Weiterhin wird in der AbfKlärV §2 (3) erweiternd erläutert, dass Rohschlamm nicht stabilisierter oder teilstabilisierter Schlamm ist, der Abwasserbehandlungsanlagen vor Abschluss der Abwasserbehandlung entnommen wird. Rohschlamm (als juristischer Sammelbegriff für Primär-, Sekundär, Misch- oder Faulschlamm) ist in dem Sinne kein Abfall und auch nicht dem Abfallrecht beziehungsweise der AbfKlärV zugeordnet.

Nach bisherigem Stand gilt nach AbfKlärV Artikel 1 §1 der Anwendungsbereich der AbfKlärV nur für Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost. Das heißt, die davorliegenden Produktströme, wie zum Beispiel der Rohschlamm, unterliegen nicht der Klärschlammverordnung, sondern der Abwasserverordnung. Der Rechtsübergang findet dann statt, wenn der Klärschlammerzeuger (d. h. der Betreiber einer Abwasserbehandlungsanlage) sich des Schlammes entledigt, entledigen will oder muss. Sofern Schlamm auf dem Kläranlagengelände in einer Abfall­entsorgungsanlage beziehungsweise Abfallverbrennungsanlage (Monoverbrennung) nach KrWG Abschnitt 3 beziehungsweise 17. BImschV §2 (4) zugeführt wird, ist dieser Input der Abfallentsorgungsanlage im juristischen Sinne Abfall und auch Klärschlamm.

Trocknung – schwer einem Rechtsbereich zuzuordnen

Schlamm ist dann im juristischen Sinne Klärschlamm, wenn er die Kläranlage beziehungsweise den Betrieb verlässt und als Abfall entsorgt wird. Das heißt, wenn Rohschlamm nass (1 – 3 % TM) abgefahren wird, ist Rohschlamm Klärschlamm im juristischen Sinne. Dies trifft in der Regel nur auf sehr kleine Kläranlagen zu, die nicht von der Phosphorrückgewinnungspflicht betroffen sind. Wird der Schlamm entwässert und anschließend der entwässerte Schlamm abgefahren, ist dieser als Klärschlamm im juristischen Sinne zu verstehen. Bei der Entwässerung entsteht Schlammwasser, welches in der Kläranlage behandelt wird. Somit ist die Abwasserbehandlung vor der Entwässerung nicht abgeschlossen. Wird der Schlamm entwässert und teil- oder vollgetrocknet und der getrocknete Schlamm abgefahren, könnte argumentiert werden, dass Klärschlamm getrockneter Schlamm ist. Gegebenenfalls entsteht aber bei der Trocknung ein Brüdenkondensat, dass wie das Schlammwasser letztlich in der Kläranlage behandelt wird und somit die Abwasserbehandlung vor der Trocknung nicht abgeschlossen ist. Es besteht allerdings nicht bei allen Trocknungsverfahren die Notwendigkeit, die Brüden zu kondensieren. Das heißt, das bereits der entwässerte Schlamm, der der Trocknung zugeführt wird, schon als Abfall beziehungsweise Klärschlamm im juristischen Sinne verstanden wird. Die Trocknung ist juristisch somit schwer einem Rechtsbereich zuzuordnen.

Bei der Verfahrenskombination von Entwässerung, Vortrocknung und Monoverbrennung (d. h. Abfallentsorgungs- beziehungsweise Abfallverbrennungsanlage) am Standort der Kläranlage ist Klärschlamm im juristischen Sinne der dieser Abfallentsorgungsanlage zugeführte Schlamm. Die Vortrocknung ist in der Regel Teil der Abfall­entsorgungsanlage, und somit wäre entwässerter Schlamm Klärschlamm im juristischen Sinne, auch wenn bei der Trocknung ein Brüdenkondensat entsteht, das letztlich wieder der Abwasserbehandlung zugeführt wird. Auch hier ist die Trennung der Rechtsbereiche im Bereich der Trocknung unklar.

Sinnhaftigkeit des 20 g P/kg TM Kriteriums

Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass Klärschlamm entwässerter Schlamm ist. Da AbfKlärV Artikel 5 §3a (1) eine Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm, das heißt entwässertem Schlamm vorsieht, bedeutet dies, dass Verfahren, die vor der Entwässerung beziehungsweise im Zentrat ansetzen, keine Phosphorrückgewinnung nach AbfKlärV Artikel 5 § 3a (1) sind. Sie sind nicht in der AbfKlärV geregelt, da sie dem Abwasserrecht unterliegen. Die nach der AbfKlärV geforderten Maßnahmen zur P-Rückgewinnung gelten daher nur für Klärschlamm (in der Regel entwässerter Schlamm) oder für Asche nach einer Verbrennung.

Eine Phosphorrückgewinnung ist nach AbfKlärV Artikel 5 §3 (4) nicht erforderlich, sofern ein Klärschlamm zuverlässig einen Phosphorgehalt von weniger als 20 Gramm je Kilogramm TM enthält. Eine Unterschreitung dieses Schwellenwerts kann wiederum durch abwasserrechtliche Verfahren im Rohschlamm (Primär-, Sekundär-, Misch- oder Faulschlamm), in Schlammwässern oder im Abwasser selbst unter Umständen erreicht werden. Für solche Verfahren gilt ausschließlich der 20 g P/kg TM Schwellenwert nach AbfKlärV Artikel 5 §3 (4) als Zielmarke. Die 50-Prozent-Regelung (als Konzentrationsabreicherung nach AbfKlärV) gilt hier nicht.

Konkret bedeutet dies, dass gängige Nassschlamm- beziehungsweise Fällungsverfahren zur Phosphorrückgewinnung, wie zum Beispiel das Stuttgarter Verfahren, Pearl, ExtraPhos, Struvia, AirPrex, PhosForce und andere, alle nicht dem Ausführungsziel der AbfKlärV zur Phosphorrückgewinnung unterliegen. Damit sind diese Verfahren unabhängig von der Restkonzentration im Klärschlamm oder einer Rückgewinnungsrate keine Phosphorrückgewinnung im Sinne der AbfKlärV. Vielmehr dienen sie dann lediglich zur Erzeugung eines Klärschlammes mit gegebenenfalls weniger als 20 g Phosphor pro kg Trockenmasse, der dann nicht mehr der Phosphorrückgewinnungspflicht gemäß AbfKlärV unterliegt. Diese Verfahren unterliegen dann als Abwasserbehandlungsmaßnahme der Abwasserverordnung.

Zudem muss die Sinnhaftigkeit des 20 g P/kg TM-Kriteriums in diesem Zuge in Frage gestellt werden. Typische Rohschlämme (vor der Faulung) enthalten in etwa 20 g P/kg TM. Faulschlämme enthalten i.d.R. 35 g P/kg TM, da in der Faulung der organische Trockenrückstand und somit auch letztlich die Trockenmasse deutlich reduziert wird. Faktisch wird Phosphor in der Faulung aufkonzentriert. Je besser der Schlamm ausgefault wird (d. h. je höher letztlich die Energierückgewinnung und die Schlammreduktion ist), desto schwerer wird es, den Schwellenwert von 20 g/kg TM zu unterschreiten. Dieses Problem wurde unter anderem bereits in der DPP- und der KWB-Stellungnahme zur Klärschlammverordnung im Rahmen der Verbändeanhörung im Kalenderjahr 2015 erörtert. Es wurden auch schon 2015 sinnvolle Alternativen für den 20 g/kg TM-Wert vorgeschlagen, wie zum Beispiel den P-Gehalt auf den von der Faulung unabhängigen Glührückstand zu beziehen. Diese Vorschläge wurden nicht aufgegriffen. Somit ist die oft gepriesene Verfahrensoffenheit zur P-Rückgewinnung nicht wirklich existent, und es werden voraussichtlich ausschließlich Verfahren zur P-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche zum Einsatz kommen, was die vorherige Monoverbrennung der Klärschlämme erfordert.

Auch in diesem Zuge ist für AbfKlärV Artikel 5 § 3b zwingend eine Frachtenbetrachtung erforderlich, da die jetzige Formulierung in AbfKlärV Artikel 5 § 3b (1) in Verbindung mit AbfKlärV Artikel 5 Anlage 3 Abschnitt 1 Nr. 5 Verfahren diskriminiert, welche wenig Abfall produzieren (unabhängig von der Rückgewinnungsrate).
Zusammenfassend ist festzuhalten:

Die Phosphorrückgewinnung nach Abfallrecht (AbfKlärV) ist erst dann möglich, wenn Abfall (in der Regel entwässerter Klärschlamm) vorhanden ist und nicht, bevor Abfall entsteht. Der Phosphorgehalt im Klärschlamm (d. h. das zentrale 20 g P/kg TM-Kriterium) ist maßgeblich durch die Existenz beziehungsweise Effizienz einer Faulung beeinflusst, wobei die Faulung und Faulgas neben der Energierückgewinnung wesentlich zur Abfallvermeidung beziehungsweise -verringerung beiträgt, was nach Kreislaufwirtschaftsgesetz Paragraf 6 (Abfallhierarchie) sogar vor dem „Recycling“ angesetzt ist. Verfahren, die die Effizienz der Faulung verbessern und gleichzeitig Phosphor zurückgewinnen, werden durch das Kriterium aktiv verhindert.

Auch mit Blick auf die Rückgewinnungsverfahren aus Asche ist eine Frachtenregelung anstelle einer Konzentrationsregelung zwingend anzustreben. Juristische Formulierungen im Allgemeinen und im Speziellen der AbfKlärV sind relativ eindeutig. Es ist unglücklich, dass diese rechtsverbindlichen Vorgaben nur unzureichend oder nur in abgewandelter und nicht inhaltlich deckungsgleicher Form durch Vorträge auch anderthalb Jahre später verbreitet werden.

Quelle: Deutsche Phosphor-Plattform DPP e.V. / Foto: Hannes Grobe / wikipedia

(EU-Recycling 04/2019, Seite 6-Meinung)

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