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Aserbaidschan: Der Aufbau der Abfallwirtschaft hat wirtschaftliche Priorität

Das Land will die Müllabfuhr und Abfallverwertung deutlich ausweiten. Die Aktivitäten in der Abfallwirtschaft konzentrieren sich bisher stark auf den Großraum Baku. Für ein größeres Projekt dort stellt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ein Darlehen in Höhe von 39 Millionen US-Dollar bereit.

Die Regierung Aserbaidschans hat die nachhaltige Abfallentsorgung zu einer ihrer wirtschaftspolitischen Prioritäten erklärt. Ungeachtet der in der Branche bisher schon realisierten Projekte, ist das Land vom Aufbau einer flächendeckenden Abfallentsorgung noch weit entfernt. Der rechtliche Rahmen in der Branche ist wenig ausgereift. Ein Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die Rahmenbedingungen für Erfassung und Verwertung von Werkstoffen klar definiert, gibt es noch nicht.

Ziele und Initiativen

Die Liefer- und Kooperationschancen für ausländische Firmen in der Abfallwirtschaft sind aufgrund des immensen Nachholbedarfs potenziell groß, in der Realität aber überschaubar. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die Kasse des Staates als Hauptauftraggeber ist heute infolge gesunkener Erlöse aus dem Ölexport weniger gut gefüllt. Somit fließt weniger Geld in die Branche. Auch die Lage im Bankensektor und bei den Kreditvergaben an private Firmen bleibt angespannt. Neue Investitionen in Abfalleinsammlung und -verwertung ergeben sich aus der Umsetzung der im Herbst 2018 verabschiedeten Nationalen Strategie für kommunale Abfallwirtschaft, gültig bis 2022. Koordinator für geplante Projekte ist das Ministerium für Wirtschaft Aserbaidschans. Das Dokument formuliert folgende Ziele und Initiativen:

■ die Schaffung eines mehr marktgerechten Abfallmanagements auf der Basis von Subventionskürzungen und höherer Entgelte für die Müllsammlung,
■ die Einbeziehung aller Siedlungen der Hauptstadt Baku in die Mülleinsammlung und -abfuhr,
■ die Errichtung neuer ökologischunbedenklicher regionaler Mülldeponien,
■ eine deutliche Ausweitung der Sammlung von gefährlichen Abfällen in der Region Baku sowie deren sichere Zwischenlagerung und Verbrennung,
■ die Schaffung weiterer Kapazitäten für das Recycling kommunaler Abfälle sowie
■ die Umsetzung neuer innovativer Projekte im Gewerbepark für die Abfallwirtschaft in Balakhani.

Für den Großraum Baku ist das im Jahr 2009 gegründete und dem Ministerium für Wirtschaft unterstehende kommunale Unternehmen Tamiz Shahar (Saubere Stadt; www.tamizshahar.az [1]) zuständig. Es transportiert, sortiert, deponiert und verwertet zum Teil die kommunalen Abfälle.

Noch wenig zufriedenstellend

Tamiz Shahar betreibt seit 2012 am Standort der größten Deponie im Land Balakhani (Baku) eine Anlage für Abfallsortierung und -aufbereitung. Die Anlage kann im Jahr bis zu 200.000 Tonnen feste Abfälle verarbeiten. 2017 ging auch eine Müllverbrennungsanlage mit Energiegewinnung in Betrieb. Diese erzeugt aus jährlich bis zu 500.000 Tonnen kommunaler Abfälle und 10.000 Tonnen medizinischer Abfälle rund 231,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Anlagenbetreiber ist für einen Zeitraum von 20 Jahren der französische Technologie-Lieferant Constructions Industrielles de la Méditeraranée S.A. (CNIM S.A.).

Ungeachtet der bisherigen Aktivitäten von Tamiz Shahar im Abfallmanagement verläuft die Sammlung und Verwertung kommunaler Abfälle in der Region noch wenig zufriedenstellend. Noch immer nehmen offizielle und wilde Deponien bis zu sieben Prozent des städtischen Territoriums ein. Nur etwa ein Sechstel des auf circa 1,2 Millionen Tonnen geschätzten Aufkommens an festen Haushaltsabfällen wird einer Abfalltrennung zugeführt oder verbrannt. Das entsprechende landesweite Abfallaufkommen gibt die offizielle Statistik für 2018 mit etwa 1,7 Millionen Tonnen an.

Ein neues, größeres Projekt für die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Haushaltsabfällen im Großraum der Hauptstadt Baku wird aber schon seit längerer Zeit vorbereitet. Für das Vorhaben stellt die Europä­ische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ein Darlehen in Höhe von 39 Millionen US-Dollar bereit.

Vorzugsbedingungen für Investi­tionen im Recycling-Gewerbepark

Ein interessantes Projekt von Tamiz Shahar für potenzielle ausländische Investoren der Recyclingwirtschaft ist der Ende 2011 gegründete und im September 2017 offiziell eröffnete Gewerbepark für Abfallwirtschaft und für „grüne“ und innovative Technologien, Balakhani Industrial Park (www.bsp.az [2]). Den sich dort engagierenden Investoren winken Vorzüge: eine Befreiung von der Gewinn-, Grund- und Vermögenssteuer (für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem Tag der Projektregistrierung) sowie von der Einfuhrumsatzsteuer für den Import von Anlagen, Ausrüstungen und anderen Waren, die unmittelbar für die Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unternehmens gebraucht werden.

Bis Ende 2018 hat sich in dem 8,3 Hektar großen Park rund ein Dutzend Firmen angesiedelt. Die Unternehmen Metak, Ferdi sahibkar Eminov Etiba (Capar Poliqraf), Az.Ekol, Ekokat und Foriella produzieren Kunststoff- und Kartonverpackungen, Rezyklat aus PET-Flaschen, Schmiermittel und Möbel. Sie investierten bislang mehr als 20 Millionen US-Dollar in ihre Projekte. Mehrere Firmen kündigten die Aufnahme einer Produktion an. So will das Unternehmen Oreon Commerce hochwiderstandsfähige Magnesit-Verbundplatten unter Einsatz von Holzmehl als Füllstoff sowie später auch Briketts aus Sägespänen produzieren. Die Gesellschaft Bioropean plant Investitionen in das Recycling von Altspeiseöl aus der Gastronomie.

Die Aktivitäten in der Abfallwirtschaft konzentrieren sich bisher stark auf den Großraum Baku. In letzter Zeit lassen sich aber auch in Regionen außerhalb des Ballungsgebietes Baku nennenswerte Aktivitäten zur Neustrukturierung der Abfallwirtschaft beobachten, darunter vor allem in der Stadt Gandscha. Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll und Ausschreibungen in Aserbaidschan sind unter www.gtai.de/aserbaidschan [3] abrufbar.

Autor: Uwe Strohbach, Quelle: Germany Trade & Invest
Foto: pixabay

(EU-Recycling 04/2019, Seite 22)

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