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EEG-Änderung und Verordnungsnovelle: Der Altholzmarkt steht vor einem Wandel

Als Recyclingpotenzial, das verstärkt genutzt werden soll, hat Altholz erstmals Erwähnung in einem Koalitionsvertrag gefunden. In der Praxis erwartet die Branche aber vor allem spürbare Veränderungen durch das Erneuerbare Energien-Gesetz 2017 und die Novelle der Altholzverordnung.

In Deutschland fallen jährlich rund acht Millionen Tonnen Altholz aus Verpackungsindustrie, Bau- und Abbruchsektor sowie Siedlungsabfällen an. Davon werden sechs bis 6,5 Millionen Tonnen als Brennstoff energetisch genutzt und rund 1,5 bis zwei Millionen Tonnen stofflich in der Holzwerkstoffindustrie verwertet. Rund 80 Prozent des jährlichen Abfallholz-Aufkommens werden demnach zur Gewinnung von Energie und Wärme eingesetzt; Stand April 2018 waren dafür 75 Altholzkraftwerke in einem bislang ausgeglichenen, teilweise unterversorgten Markt tätig.

Marktverwerfungen drohen

Das wird sich ändern: Mit der Erneuerbaren Energien-Novelle wurde im Jahr 2012 Altholz – mit Ausnahme von Industrierestholz – aus der Biomasseverordnung gestrichen, und das Erneuerbare Energie-Gesetz des Jahres 2017 berücksichtigt Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Altholz nicht mehr. Deren Betreiber fallen damit aus der EEG-Vergütung heraus. Deshalb müssen ab 2021 geförderte gegen nicht mehr geförderte Anlagen um eine heute noch nicht abschätzbare Altholzmenge – mit starkem Nord-/Süd- und Ost-Gefälle – konkurrieren. Stand April 2019 wurden 67 Altholzkraftwerke EEG-vergütet; folglich fielen binnen eines Jahres bereits acht Anlagen aus der staatlichen Kompensation.

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Foto: O. Kürth

„In dieser sechsjährigen Phase drohen Marktverwerfungen, die zu Entsorgungsnotständen führen können“, warnte schon 2018 der Geschäftsführer des Bundesverbands der Altholzaufbereiter und -verwerter, Simon Obert, auf dem 30. Kasseler Abfall- und Ressourcenforum. Dadurch könnten – überdies grundlastfähige – Anlagen ohne Probleme noch weitere 20 Jahre Energie produzieren, seien aber gezwungen, „aufgrund der subventionsbedingten Marktverzerrung den Betrieb einstellen zu müssen“. Zum einen, weil diese Anlagen den Einspeisevorrang gegenüber fossilen Energieträgern verlieren, da die novellierte Biomasseverordnung Altholz nicht mehr als Biomasse anerkennt. Zum anderen, weil „alternative Verwertungswege für Altholz nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen oder nur zu deutlich höheren Kosten darstellbar sind“, argumentierte Obert.

Anlagenpark sichern

Für die betroffenen Anlagenbetreiber bedeutet die Neuregelung sinkende Erlöse aus dem Stromvertrieb, eine schlechtere wirtschaftliche Situation, weniger Ersatzinvestitionen, geringere Zuverlässigkeit und „zunehmende, teilweise ungeplante Stillstände“, kalkulierte Dirk Briese vom Bremer Trend- und Marktforschungsinstitut trend:research bereits 2017. Allerdings besteht nach seiner Ansicht nun auch die Möglichkeit, nicht biogene Stoffe wie Ersatzbrennstoffe einzusetzen, da das EEG diesen Anlagen nicht mehr die ausschließliche Verwendung von Biomasse vorschreibt. In Erwartung steigender Preise für Altholz könnte dieses Material jedoch auch in Kohlekraftwerken mitverbrannt oder in Müllverbrennungsanlagen sowie Ersatzbrennstoffanlagen Annahme finden.

Doch wies Frank Baur vom Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES) auf dem 31. Kasseler Abfall- und Ressourcenforum darauf hin, dass der Wegfall von thermischen Verwertungskapazitäten beim Altholz am Ende der Nutzungskaskade zu Lücken in der Entsorgung durch – unter anderem – verstärkte Exporte führen könne. Daher seien „der Fortbestand eines effizienten Anlagenparks zur energetischen Verwertung zu sichern“ und „Rahmenbedingungen zur Gewährleistung eines wirtschaftlichen Betriebs zu schaffen“.

Zur Produktion von Holzwerkstoffen

Für eine stoffliche Verwertung von Altholz kommen insbesondere Altholz-Qualitäten der Kategorie A I (unbehandeltes Holz) und der Kategorie A II (gestrichenes, lackiertes oder beschichtetes Holz) mit 25 beziehungsweise 49 Prozent der Gesamtmenge zum Einsatz. PVC-beschichtetes Holz der Kategorie A III sowie solches der Kategorie A IV mit einer Schutzmittel-Behandlung gelten als belastet und sollten thermisch verwertet werden. Die stoffliche Nutzung zielt in erster Linie auf die Produktion von Holzwerkstoffen ab; Deutschland ist darin EU-weit führend: Rund 30 Prozent des recycelten Altholzes finden Verwendung in der Spanplatten-Herstellung für den Bausektor und in der Möbelindustrie.

Wie Michael Nelles auf dem 31. Kasseler Abfall- und Ressourcenforum am 9. April 2019 darlegte, werden von den im Inland verfügbaren 8,6 Millionen Tonnen an Altholz rund 6,8 Millionen Tonnen energetisch genutzt, 1,1 Million Tonnen zu Holzwerkstoffen recycelt und eine Million Tonnen gelagert oder beseitigt. Die stoffliche Altholznutzung soll laut einer Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes bis 2050 von 1,2 auf 4,2 Millionen Tonnen steigen.

Steigerung durch Kaskadennutzung

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Foto: O. Kürth

Nach Ansicht des bvse-Fachverbands Ersatzbrennstoffe, Altholz und Biogene Abfälle muss dazu die Getrennthaltung von Altholz weiter ausgebaut, Potenziale aus dem Sperrmüll besser ausgeschöpft, die Probennahme optimiert sowie begleitende Qualitätssicherungssysteme eingeführt werden. Auch könnte die stoffliche Ausbeute durch Kaskadennutzung noch gesteigert werden. Denn bisher erfahren lediglich 1,2 Millionen Tonnen beziehungsweise 13 Prozent des Altholzes eine stoffliche Nutzung zur Wiederverwertung. Bei einer Kaskaden-optimierten Nutzung ließe dessen materielle Verwertungsquote – unter der Voraussetzung einer Konstanz der Zuordenbarkeit zu Altholzkategorien – um mehr als das Siebenfache steigern. Beispielsweise könnte sich durch den Einsatz von Reststoffströmen und Recycling die verfügbare Materialbasis erweitern lassen, wie etliche Best Practice-Projekte belegen. Für die Holzwerkstoffindustrie würde dies bedeuten, dass von den derzeitigen 17 Millionen Tonnen Faserbedarf rund 52 Prozent aus Altholz gedeckt werden könnten, schätzt die UBA-Untersuchung.

Allerdings – gibt Frank Baur zu verstehen – stünden den messbaren ökologischen Vorteilen mehrstufiger Kaskaden bei Treibhausgas-Emissionen, Ressourcenverbrauch und Feinstaubminderung auch Probleme wie Schadstoffanreicherung und Substitutionspotenziale durch andere Energielieferanten gegenüber. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft plädiert daher für eine Novellierung der Altholzverordnung, die für native Hölzer nicht zwingend die stoffliche Verwertung vorschreibt, sondern auch eine Nutzung als regenerative Biobrennstoffe zulässt, zumal sich ohnehin die Qualität von Chargen ändern könne und Holz in der Fläche anfällt und nicht erst in größeren, zentralen Anlagen stofflich aufbereitet werden sollte. Geschäftsmodelle müssten auch zukünftig offen gehalten werden dürfen, und eine Quotenregelung, die die Anteile stofflich zu energetisch festlegt, sei „wenig praktikabel“.

Das Factsheet, das im August 2016 vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung herausgegeben wurde, vertritt eine andere Meinung. Danach sollten Getrennthaltungspflichten, Sortierquoten und Recyclingquoten für sortierte Abfallgemische eingeführt werden, wie sie im damaligen Entwurf der Gewerbeabfallverordnung bereits vorgesehen waren. Und vor allem müsse die Förderung der energetischen Verwertung von Altholz, zumindest der Altholzklasse A I, baldigst beendet und Industrierestholz aus der Biomasseverordnung herausgenommen werden. Längerfristig sei auch über Maßnahmen zugunsten eines recyclingfreundlichen Produktdesigns im Bereich Holz nachzudenken.

Deckschichten wenige Millimeter tief abtrennen

Im Sommer 2014 startete ein Projekt, bei dem Altholz weder thermisch genutzt noch zu Spanplatten verarbeitet wurde. Ziel des EU-geförderten Projekts Cascading Recovered Wood, kurz CaReWood, war es, den Rohstoff mehrfach wiederzuverwerten. Fraunhofer-Forscher fanden heraus, dass Bauholz aus Gebäuderückbau in großen Mengen von hervorragender Qualität anfällt, die sich prinzipiell recyceln lassen. Dies trifft auch auf Althölzer zu, die oberflächlich mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Und selbst als potenziell belastet geltende Hölzer der Kategorie A III und A IV sollen eine nicht unbeträchtliche Menge verwertbaren Holzes enthalten, das es durch adäquate Trenn- und Sortierverfahren rückzugewinnen gelte.

Mit verschiedenen Verfahren wie Röntgenfluoreszenz, LIBS (Laser Induced Breakdown Spectroscopy), der Gas Chromatographie-Technik und der NIR (Nahinfrarotspektroskopie) untersuchten die Wissenschaftler, ob Hölzer kontaminiert sind, wie tief die Verunreinigungen sitzen und wie viele der Deckschichten abgetragen werden müssen. Als Ergebnis hielt Peter Meinlschmidt, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI, fest: „Wenn man die Deckschichten wenige Millimeter tief abtrennt, so ist das ausreichend. Unabhängig von der Holzart und unabhängig davon, ob Holzschutzmittel, Kunststoffe oder Lacke eingesetzt wurden, ist das Holz dann frei von unerwünschten Stoffen.“

Gleich- oder Nachrangigkeit?

Impulse für die Zukunft des Rohstoffs wird die lange erwartete Novelle der Altholzverordnung geben, die bereits 2018 hätte verabschiedet werden sollen. Sie sollte zumindest juristische Klarheit bringen, denn während Paragraf 6 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die energetische Nutzung gegenüber der stofflichen als nachrangig erklärt, definiert Paragraf 4 der jetzigen Altholzverordnung deren Gleichrangigkeit. Dieser Gleichrang wird nach Ansicht von Jean Doumet (Bundesumweltministerium) nicht mehr zu halten sein. Es werde vielmehr darauf ankommen, „eine gleichermaßen ambitionierte wie verhältnismäßige Regelung zur Förderung der stofflichen Verwertung zu finden“. Allerdings – so argumentiert der bvse-Fachverband Ersatzbrennstoffe, Altholz und Biogene Abfälle – seien die Möglichkeiten der stofflichen Rückgewinnung von Althölzern nicht nur durch ihre Beschaffenheit, sondern auch ihre Kapazitäten begrenzt. Daher habe sich der in Paragraf 4 der geltenden Altholz-Verordnung verankerte Grundsatz der Hochwertigkeit von stofflicher und energetischer Verwertung grundsätzlich bewährt. Gerade wettbewerbspolitische Gründe würden dafür sprechen, den Gleichrangigkeits-Grundsatz beizubehalten.

Fotos: O. Kürth

(EU-Recycling 05/2019, Seite 13)

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