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Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe haben auch im Automobilsektor eine Zukunft

Der weltweite Einsatz von Carbonfaser-verstärkten Kunststoffen lag 2010 bei rund 50.000 Tonnen und soll bis 2022 die 200.000 Tonnen erreichen. Derzeit finden CFK zu 36 Prozent Verwendung in der Luft- und Raumfahrt, zu 24 Prozent im Automobilsektor und zu 13 Prozent zur Ausstattung von Windenergieanlagen; weitere 13 Prozent gehen in den Sport- und Freizeitbereich. Doch noch ist nicht geklärt, was mit den ebenso steigenden CFK-Abfällen zukünftig geschehen wird.

Der Kunststoffanteil von Windkraftanlagen besteht in der Hauptsache aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK), größtenteils aus Glasfaser-verstärkten Kunststoffen (GFK) für Gondel, Nabe und Rotor und neuerdings zusätzlich Carbonfaser-verstärkten Kunststoffen (CFK) für die Längsholme der Rotorblätter. Eine Schätzung der daraus sich ergebenden Abfallmengen ist aufgrund unterschiedlicher Leistungsklassen, Funktionsmaterialien und Skaleneffekte mit Unsicherheiten behaftet.

Die Aachener Forscher Valentin Sommer, Jan Stockschläder, Grit Walther und Peter Quicker wagen dennoch die Prognose, dass die CFK-Abfälle, die sich 2019 auf annähernd null beziffern lassen, von etwa 1.700 Tonnen in 2025 auf rund 2.500 Tonnen im Jahr 2030 und auf über 5.000 Tonnen im Jahr 2035 steigen werden. In der Luft- und Raumfahrt, wo neben CFK und GFK auch Aramidfaser-verstärkter Kunststoff (AFK) und AFK & GFK verbaut werden, dürften sich die derzeit geringen CFK-Abfallmassen von rund 200.000 Tonnen im Jahr 2030 über rund 400.000 Tonnen im Jahr 2040 auf mehr als eine Million Tonnen in den folgenden Jahren steigern. Inwieweit der Automobil-Sektor als Materialquelle und als Senke dienen kann, lassen die Forscher offen.

Marktchancen nicht absehbar

Die zukünftige Vorbereitung zur Wiederverwendung wird sich auf das Repowering von kleineren Windkraftanlagen konzentrieren, das Recycling lässt stoffliche, chemische und mechanische Verfahren zu, während die Verwertung auf den Einsatz in Stahl- und Zementwerken oder per Zementdrehrohr oder Schmelzreduktionsofen auf die Gewinnung von Calciumcarbid beschränkt bleibt – in welchem Verhältnis die Verfahren verteilt sein werden, bleibt die Frage. Da es eine Vielzahl von Kohlenstofffaser-Typen mit unterschiedlichen Materialeigenschaften gibt, sind auch deren Einsatzmöglichkeiten und Marktchancen als rezykliertem Material nicht absehbar. Davon abgesehen ist die Klassierung von Fasern schwierig, da jeder Hersteller eine andere wünscht.

Aktuell lassen sich trockene Faserabfälle zerkleinern und als rezyklierte Carbonfasern (rCF) in Vliese einbauen, zerkleinerte thermoplastische CFK als Regranulate einsetzen und duroplastische CFK nach Pyrolyse und Faseraufbereitung als Kurz-, Stapel- oder Vlies-Fasern verwenden. Allerdings fehlen den rezyklierten Carbonfasern geeignete Verarbeitungstechnologien sowie die Marktakzeptanz. Die energetische Verwertung findet durch Oxidation statt, was den Durchmesser der Carbonfasern reduziert. Werden als Endprodukt kohlenstoffreiche Rohmaterialien verlangt, können die CFK-Abfälle als Reduktions- oder Aufkohlungsmittel in der Metallurgie sowohl energetisch wie stofflich genutzt werden.

Materialien sollten recycelbar sein

Auch für die Fahrzeug-Herstellung stellen Carbonfasern – genauer: mit Carbonfasern verstärkte Polymere – ein ideales Material dar: Sie sind sehr leicht, äußerst fest und beliebig verformbar; ihre Herstellung soll allerdings ein Mehrfaches teurer als Stahl oder Aluminium sein. Hingegen stellt ihre Wiederverwertung ein Problem dar, das im Frühjahr 2018 Gerald Killmann, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung bei Toyota, so auf den Punkt brachte: „Carbonfasern klingen gut, aber viele Menschen vergessen, dass unsere Umweltziele deutlich unterstreichen, dass die Materialien recycelbar sein sollten. Carbonfasern sind äußerst schwierig zu recyceln.“ Dazu sind umfangreiche und aufwändige mechanische oder chemische Prozesse oder die Verbrennung der Polymere unabdingbar.

Recycling ist möglich

Das Recycling dieses Materials mag schwierig sein, ist aber möglich. So verwertet beispielsweise das britische Unternehmen ELG Carbon Fibre mit seiner patentierten „kontinuierlichen Pyrolyse“ jedes Jahr 2.000 Tonnen an Carbonfasern. Das Verfahren, bei dem das Material auf Temperaturen zwischen 400 und 650 Grad Celsius erhitzt wird, sichert beste Qualitätsausbeute, gilt als kommerziell tragfähig und liefert als Endprodukt unter anderem „Matten“ als Basis für Fahrzeug-Komponenten.

Allerdings – das musste ELG Senior-Geschäftsführer Frazer Barnes eingestehen – enthalten auch relativ saubere Abfallströme noch chemische Rückstände, sodass der Recyclingprozess optimiert werden sollte. Das in Colorado beheimatete Startup Vartega hat wiederum damit zu kämpfen, dass durch seinen chemischen Auflösungsprozess die Fasern kürzer und ungeordneter werden und sich damit weniger für hohe Kraftbeanspruchung eignen; solches Material findet daher häufig für Tennisschlägersaiten und auf Golfplätzen Verwendung. Andererseits liegt der Vorteil kürzerer Fasern in der Verwendung für komplexere Produkte, bei denen geschwungene Formen und variable Stärken gewünscht sind.

Zerschnitten und gegossen

An der Universität Nottingham arbeiten Forscher an einer neuen Verarbeitungsmethode. Dabei wird eine Flüssigkeit verwendet, in der die Fasern zunächst aufgelöst werden, um sie dann mithilfe eines Zerstäubers wieder aufzurichten, um möglichst belastbares Material für Fahrzeug-Anwendungen zu gewinnen.

Hingegen konzentriert sich die Methode des Anwendungszentrums für thermoplastische Verbundstoffe an der Saxion University of of Applied Sciences im niederländischen Enschede auf Produktionsreste aus der Carbonfaser-Herstellung. Diese werden zunächst zu Partikeln von zehn bis 15 Millimetern Größe zerschnitten, erhitzt und in Hohlformen gegossen. Auch wenn die Forscher hauptsächlich auf Produkte für die Luftfahrt aus sind, könnten damit auch Komponenten zur Fahrzeugherstellung gegossen werden: Die Eigenschaften des Materials bleiben durch den Prozess weitestgehend erhalten – selbst nach fünfmaligem Recycling – und stellen damit einen dauerhaften Grundstoff dar.

Acrylfasern durch Palmenfasern ersetzen

Und auch das niederländische Startup Lightyear, das ein solargetriebenes Auto mit einer leichten Kohlenstoff-Karosserie in Serie produzieren will, hat nach eigenen Angaben den Blick auf zukünftige Wiederverwendung des Materials nicht verloren: Das Unternehmen arbeitet an einem thermoplastischen Kunststoff, der später leicht eingeschmolzen werden kann, um Harz und Fasern vonein­ander zu trennen und stofflich zu verwerten. Und es sind Überlegungen im Gange, die Acrylfasern beispielsweise durch Palmenfasern zu ersetzen, um das Recycling der Carbonfaser-Karosserie zu erleichtern.

Foto: prakasitlalao / stock.adobe.com

(EU-Recycling 05/2019, Seite 34)