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Die Zukunft des Kunststoffrecyclings

Mehr denn je stehen Kunststoffe im Fokus der Öffentlichkeit. Das wirkt sich natürlich auch auf die Recyclingbranche und den Markt für Sekundärrohstoffe aus. Hier gilt es Chancen, aber auch Grenzen zu erkennen und Abläufe zu optimieren oder gar neu zu setzen. So befasste sich der diesjährige Internationale Altkunststofftag des bvse am 4. und 5. Juni in Bad Neuenahr auch mit Themen wie der Exportsituation für Kunststoffabfälle und Ausweichmärkten zu China.

„Recyclate für die Kreislaufwirtschaft“ war die Tagung überschrieben, die mit 440 Teilnehmern einen neuen Teilnehmerrekord verzeichnete. Elf Nationen waren insgesamt vertreten: Finnland, Schweden, Schweiz, Italien, Österreich, Niederlande, China, Belgien, Malaysia, Frankreich und Deutschland. 32 internationale Unternehmen informierten im Ausstellungsbereich über ihre Produkte und Dienstleistungen.

In seiner Eröffnungsrede sprach sich bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock für die Notwendigkeit des Einsatzes von Kunststoffen aus. „Wir müssen Missstände, die es gab und immer noch gibt, auf- und abarbeiten“, appellierte Rehbock. „Und wir müssen spür- und messbare Fortschritte beim Kunststoffrecycling vorweisen.“ Der Gegenwind, der durch die fortwährenden Diskussionen über Kunststoffabfälle zu einem Sturm geworden ist, sollte als Rückenwind für das Kunststoffrecycling genutzt werden. Rehbock hält eine Welt ohne Kunststoffe für illusorisch, weshalb es nur eine Lösung geben könne: „Kunststoffrecycling, wann und wo immer es möglich ist“.

An den richtigen Stellschrauben drehen

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Eric Rehbock (Foto: Marc Szombathy)

Kunststoffe hätten nicht nur ein Leben, sondern könnten zwei, drei oder mehr Lebenszyklen in die Waagschale werfen. Die Rezyklate ließen sich vielfältig und auch für Hightech-Anwendungen einsetzen. Kunststoffrecycling sei kein Downcycling, wie immer wieder fälschlich behauptet werde, betonte der bvse-Hauptgeschäftsführer. Das Verpackungsgesetz, an dem der Verband maßgeblich beteiligt war, habe dabei bessere und verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen. Der bvse ist in den Gremien der Zentralen Stelle Verpackungsregister vertreten.

Wie Rehbock auf dem 22. Internationalen Altkunststofftag 2019 in Bad Neuenahr weiter ausführte, steht die Branche aber auf allen Wertschöpfungsebenen vor großen Herausforderungen. Das fange bei der Sammlung an. Bei Störstoffgehalten von bis zu 60 Prozent sollte sich niemand über Qualitätsprobleme bei der Sortierung wundern. Wer mehr Recycling wolle, müsse dafür sorgen, dass an den richtigen Stellschrauben für mehr Qualität gedreht wird. Bundesweite Bürger-Informationskampagnen über den Sinn und Zweck und die Art und Weise der getrennten Sammlung seien dringend erforderlich. Die Sammelsysteme vor Ort müssten nach Qualitätsgesichtspunkten optimiert werden. Es dürfe keinen Verschiebebahnhof von der Restmülltonne in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne geben.

Rezyklate aus dem Nischendasein herausführen

Nach Ansicht des bvse muss das „Design for Recycling“ gelebt werden. Es sollten nur solche Verpackungen auf den Markt gebracht werden dürfen, „für die Hersteller und Handel nachweisen können, dass sie mit vertretbarem Aufwand zu recyceln sind.“ Also recyclingfähige Verpackungen, deren Materialien dann von der verarbeitenden Industrie wieder für neue Produkte eingesetzt werden. Denn auch auf diesem Gebiet gebe es noch jede Menge Nachholbedarf. „Wenn wir im Durchschnitt auf 30 Prozent Recyclingeinsatz kommen, wäre das schon sehr gut“, dämpfte Rehbock höhere Quotenerwartungen. „Es kommt jetzt darauf an, diese Rezyklate aus dem Nischendasein herauszuführen und sie als selbstverständlichen und maßgeblichen Produktionsbaustein einzusetzen, wie das im Papier- oder Glasbereich tatsächlich schon lange erfolgreich praktiziert wird.“ Im Pressegespräch mit Vertretern der Fachmedien schlug Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling, des Weiteren vor, Verpackungen, die nicht oder nur unzureichend den Recyclingfähigkeits-Kriterien genügen, so erheblich zu beaufschlagen, dass sie praktisch nicht mehr in den Markt gelangen können.

Um die Nachfrage nach Recyclingprodukten anzukurbeln, kommt der öffentlichen Auftragsvergabe eine Schlüsselrolle zu. Stichwort: „Green Procurement“. Der bvse erfährt diesbezüglich seit Monaten Zustimmung seitens des Bundesumweltministeriums. „Es wurde auch öffentlich signalisiert, dass sogar eine Verordnung geplant wird, doch Greifbares liegt noch nicht auf dem Tisch“, informierte Eric Rehbock und forderte zugleich: „Wir brauchen jetzt eine Trendumkehr und die Vorreiterrolle der öffentlichen Hand, und nicht irgendwann.“ Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, schloss der bvse-Hauptgeschäftsführer, könnten auch die notwendigen Investitionen in aufwändige und teure Anlagentechnik gestemmt werden, wozu der Mittelstand bereit sei. Das müsse aber Hand und Fuß haben. Einen existenziellen Blindflug könnten sich die Unternehmen nicht mehr leisten.

Verbote allein sind nicht zielführend

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Foto: Marc Szombathy

Die Kunststoffstrategie der europäischen Union, wonach ab dem Jahr 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein sollen, bewertete Dirk Textor in Bad Neuenahr als wegweisend. Manch andere Entscheidungen in Brüssel und Berlin hätten jedoch eher Symbolcharakter und dienten mehr der politischen Gewissensberuhigung als der Lösung vorhandener Probleme. Weder Klima- noch andere Umweltprobleme ließen sich durch die Diskreditierung von Kunststoffen bewältigen, meint Textor. Mit der Kritik rund um das Thema Kunststoffe müsse man sich aber in großer Ernsthaftigkeit beschäftigen. Es sei völlig inakzeptabel, wenn Abfälle in Länder exportiert werden, die nicht in der Lage seien, diese Abfälle nach dem Stand der Technik zu verwerten, und somit die Umwelt belasten. Das bedeutet laut Textor aber auch, „dass wir in Deutschland und Europa unsere Hausaufgaben machen müssen; und die erschöpfen sich nicht darin, Kunststoff-Strohhalme oder Plastiktüten zu verbieten.“

Die europäische und deutsche Politik sollte nicht nur Verbote aussprechen, sondern ihrem Gestaltungsauftrag gerecht werden und die Rahmenbedingungen für mehr Recycling und Nachhaltigkeit schaffen. Textor: „Wir benötigen mehr Recyclingkapazitäten und auf das Recycling angepasste Rahmenbedingungen. Deshalb plädiert der bvse ganz klar dafür, steuerliche Investitionsanreize für Recyclinganlagen zu setzen und europaweit neue und qualitativ anspruchsvolle Recyclingkapazitäten zu schaffen.“

Ein beachtlicher Beitrag zum Klimaschutz

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Foto: Marc Szombathy

bvse-Vizepräsident Herbert Snell glaubt, dass mit den heutigen Rahmenbedingungen die gesetzlichen Recyclingquoten nicht erfüllt werden können. Die Sortieranlagen hätten eine unlösbare Aufgabe, verwies Snell auf die schlechte Input-Qualität durch Fehlwürfe in der Abfallsammlung und das gesunkene Trennverhalten in der Bevölkerung. Eine bessere und medienwirksamere Öffentlichkeitsarbeit sollte darüber hinaus auch die Einspareffekte durch das Kunststoffrecycling stärker herausstellen. So ersetzen den Erfahrungen nach 1,88 Millionen Tonnen Rezyklate die gleiche Menge an Neuware. Beim Kunststoffrecycling wird nur 33 bis 50 Prozent der Energie verbraucht, die bei der Herstellung von Neuware aufzubringen wäre. Auch die Kohlendioxid-Einsparung durch das Kunststoffrecycling wird als erheblich bezeichnet: Jede Tonne Recyclingkunststoff, die anstelle vergleichbarer Neuware zum Einsatz kommt, vermeidet spezifisch zwischen 1,45 und 3,22 Tonnen klimarelevanter Treibhausgase in Form von CO2-Äquivalenten. Für Herbert Snell ist daher klar, dass das Recycling von Kunststoffen einen beachtlichen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zur Ressourcenschonung leistet: „Wir sind daher dezidiert der Meinung, dass die Politik diese Klimaschutz-Stellschraube nutzen sollte.“ Kunststoffverarbeiter, die statt Neuware Rezyklate einsetzen, sollten eine Vergütung für die damit erzielte CO2-Einsparung erhalten. Damit würde eine zielgerichtete Förderung des Rezyklateinsatzes einhergehen. Als Finanzierungsmöglichkeit biete sich der EEG-Topf an, da er dem gleichen Zweck – der CO2-Einsparung – diene.

Wie Matthias Stechhan, Beiratsvorsitzender der BKV GmbH und für das Unternehmen LyondellBasell tätig, im Pressegespräch erklärte, eignen sich nicht alle Kunststoffabfälle für eine hochwertige werkstoffliche Verwertung. Abhilfe verspricht das sogenannte Chemische Recycling. Bei der Entwicklung diesbezüglicher Verfahren ist die BASF federführend. Und auch die Unternehmen Sabic, LyndellBasell und OMB/Borealis prüfen, ob bestimmte Materialien, die sonst in der thermischen Verwertung oder Ersatzbrennstoff-Herstellung landen, nicht doch werkstofflich verwendet werden können.

Keine kurzfristige Lösung: Chemisches Recycling

Unter anderem zum Thema Chemisches Recycling organisierte Kooperationspartner BKV wieder einen Workshop auf dem bvse-Altkunststofftag, der von Rainer Mantel (BKV GmbH), Dr. Isabell Schmidt (IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.) und Ulrich Schlotter (BKV GmbH) geleitet und moderiert wurde.

Dr. Ralf Burgstrahler (BASF SE) erläuterte die Technologie und zeigte die Potenziale für Chemisches Recycling auf, wobei im Dunkeln blieb, welche Ausgangstoffe für welche werkstofflichen Anwendungen geeignet sind. Die Diskussion mit Dr. Dirk Textor (bvse) und Markus Müller-Drexel (Interseroh Dienstleistungs GmbH) machte vielmehr deutlich, dass die Technologie noch am Anfang steht und daher die Behauptung, damit alles recyceln zu können, nicht zutreffend ist. Chemisches Recycling setzt noch mehr Praxiserfahrungen und die Bereitschaft voraus, in eine verhältnismäßig teure Anlagentechnologie zu investieren. Das noch relativ junge Verfahren bietet keine kurzfristige Lösung für das Plastikmüllproblem, wie das gerne dargestellt wird.

Aus guten Gründen

Die Diskussion hinterließ den Eindruck, dass die Recyclingindustrie die neue Technologie als Konkurrenz zu etablierten Methoden ansieht, die Abfallstoffströme in andere Wirtschaftsbahnen lenken könnte. Zumindest wird das Verfahren sehr skeptisch betrachtet. Konsens bestand zwischen den Diskutanten, dass das Chemische Recycling im Wesentlichen die Stoffströme auffangen könnte, die sonst in die thermische Verwertung oder in eine Ersatzbrennstoffanlage gehen. Ein Vertreter des Bundesumweltministeriums (BMU) im Publikum äußerte, dass das Ministerium Interesse am Einsatz der Technologie habe und durch das Verpackungsgesetz auch der rechtliche Rahmen dafür gegeben sei. Vor allem bei schadstoffbelasteten Verpackungen und zur Beseitigung von Flammschutzmitteln aus Kunststoffen könnte Chemisches Recycling eine Lösung sein. Auf die Kritik von Workshop-Teilnehmern, dass die Erhöhung der Recyclingquoten von 36 auf 58,5 Prozent (seit 2019) und dann ab 2022 auf 63 Prozent von der Branche nicht geleistet werden könne, entgegnete der BMU-Vertreter: „Wir wissen, dass wir den Recyclern sehr viel abverlangen. Aber wir halten aus guten Gründen daran fest.“

Gemeint waren die zuletzt schlechten Erfahrungen mit den dualen Systemen in puncto Sammlung und Recycling von Kunststoffverpackungen. Damit, wie diese in Zukunft nachhaltiger und recyclingfähiger mit mehr Rezyklateinsatz gestaltet werden können, befasste sich die Diskussionsrunde mit Klaus-Peter Schmidt (Mauser Werke GmbH), Klaus Wohnig (APK AG) und Jürgen Dornheim (Procter & Gamble Service GmbH) im ersten Teil des BKV-Workshops. Erkenntnisse hier: Das Verpackungsgesetz hat bewirkt, dass in der Branche mehr über Lösungen nachgedacht wird. Die heutigen Recyclingverfahren begrenzen auch die Definition der Recyclingfähigkeit von neuen Produkten. Das schließt die Entwicklung besserer Sortiertechniken mit ein. Stichwort: Verbundmaterialien, die kaum aufgetrennt und damit recycelt werden können. Dabei geht es nicht darum, bestimmte Bestandteile von Verbunden zu entfernen. Rezyklate würden von den Herstellern von Markenartikeln nicht mehr eingekauft, wenn diese Bestandteile enthalten, die sie vorher selbst hinein getan haben.

Was sich das Marketing denkt

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Dr. Ulrich Teich (Foto: Marc Szombathy)

Dass Produkte aus Recyclingkunststoff am Markt Erfolg haben und nachgefragt werden, setzt nach den weiteren Erkenntnissen des diesjährigen Altkunststofftages auch ein Umdenken in den Marketingabteilungen der Konsumgüterhersteller voraus. Das Marketing entscheidet, wie eine Verpackung aussieht und aus welchen Materialien sie besteht. Verpackungsdesign hat für sie nur einen verkaufsfördernden Zweck: Es soll zum Kaufen des Markenprodukts animieren. Bei vielen Produkten steht die Verpackung im Vordergrund und nicht das Produkt selber. Untersuchungen belegen, dass sich Produkte über die Verpackungsgestaltung besser verkaufen. Und je größer die Verpackung im Regal, desto mehr wird darauf zugegriffen.

Dieses Denken ist bei Marketing-Leuten noch weit verbreitet, stellten auch die Diskutanten des neuen Veranstaltungsformats „Kunststoffrecycling kontrovers“ fest, das sich an die ARD-Sendung „hart aber fair“ anlehnt und von Stephan Krafzik (Online-Magazin 320°) moderiert wurde: mit Stefanie Mohmeyer (BASF SE), Dr. Henning Wilts (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH), Gunda Rachut (Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister), Thomas Fischer (Deutsche Umwelthilfe), Dr. Michael Scriba (mtm plastics GmbH/Borealis Group) und Philip Heidt (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen). Beispiele aus der Kosmetikartikelindustrie zeigen, dass Shampoo-Flaschen aus Recyclingkunststoff vom Marketing nicht freigegeben werden, wenn die Flaschen grau statt weiß sind. Beim Recycling geht der originale Farbton verloren.

Es liegt auch am Verbraucher

In der weiteren Diskussion kritisierte Henning Wilts das Einwegplastikverbot der EU als nicht zielführend: Verbotslisten oder Plastiksteuern lösen nicht das Plastikmüllproblem, sondern verlagern es. So könnten dann Plastikfolien durch Alufolien ersetzt werden, was sich noch negativer auf die Umweltbilanz auswirken würde. Der Bau von chemischen Recyclinganlagen als favorisierte Technologielösung der Zukunft könnte schnell zu Überkapazitäten führen. Kunststoffe müssten dann wieder anderweitig entsorgt, das heißt verbrannt oder deponiert werden. Wilts: „Das Aufkommen von Kunststoffverpackungen war vor 20 Jahren um die Hälfte niedriger. Es liegt auch am Verbraucher, Abfälle zu vermeiden und zu sagen, dieses oder jenes Produkt kaufe ich nicht mehr, wenn Bananen oder Gurken weiterhin einzeln in Plastikfolie verpackt werden, der Hersteller nicht beim Verpackungsdesign umdenkt und auf unnötige Verpackung verzichtet.“

Der Experte sprach sich auch gegen die Subventionierung von Produkten aus Erdöl aus. Die Kunststoffpreise, genauer gesagt die Preise für Neukunststoffe würden darüber künstlich niedrig gehalten. Solange Kunststoffe billige Massenware ohne sonderlichen Wert blieben, die nach Gebrauch einfach weggeworfen werden, solange würden nicht mehr Kunststoffe recycelt, glaubt Henning Wilts. Beim Thema Verpackungsgesetz fordert Thomas Fischer verbindliche Mindeststandards für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, die umgesetzt werden. Der Industrie sollte es nicht freistehen, recyclingfähige Verpackungen herzustellen. Der Ansatz, die Verantwortung für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen in die Verantwortung der dualen Systeme zu legen, hält die Deutsche Umwelthilfe für falsch.

„Verpackungsgesetz – was ist das denn?“

Gunda Rachut gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Verpackungsgesetz erst seit diesem Jahr in Kraft ist und sich entwickeln muss. Die dualen Systeme zu regulieren, sei berechtigt. Die Vorständin der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister beobachtet einen Trend zu Kunststoff-Verbundverpackungen mit Papiereinsatz, die wie Papier erscheinen und sich so anfühlen, aber kaum recycelt werden können. „Es gibt den Verdacht, dass diese Verpackungen als Papier vertrieben werden“, kündigte Rachut eine umfassende Prüfung an. In Gesprächen mit Herstellern stellt die Juristin außerdem ein hohes Unwissen fest: „Verpackungsgesetz – was ist das denn? System – was habe ich damit zu tun? Das sind die mit den gelben Säcken. Na und, die zahl ich doch mit den Abfallgebühren. Nein!“

Auch die Bürger wissen oft nicht, was in den Gelben Sack oder in die Gelbe Tonne gehört und was nicht. Bioabfall und Restmüll finden sich im Gelben Sack und umgekehrt. Hier müsse mehr Aufklärung geleistet werden, so der Tenor der Diskussionsrunde: Die Verbraucher bestimmen durch ihr Trennverhalten den Erfolg eines Recyclings. Philip Heidt erlebt es beinahe täglich, dass ihn Bürger fragen: Wie geht das mit der Abfalltrennung? „Viele Verbraucher wissen nicht, wie ein Produkt aufgebaut ist, aus welchen Materialien und Materialverbunden es besteht und wie man es dann richtig trennen kann. Und es gibt tatsächlich in unserer Gesellschaft das Phänomen der Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema Abfalltrennung und Klima- und Umweltschutz überhaupt.“

Muss ein Produkt unbedingt schwarz sein?

Anders kann sich Heidt das Vermüllen von Parks und Stränden, das achtlose Wegwerfen von Coffee-to-go-Bechern oder Pizzaschachteln im öffentlichen Raum nicht erklären. Völlig unverständlich ist dem Umweltexperten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass schwarze Kunststoffe eingesetzt werden, obwohl diese von den optischen Sortiersystemen in den Recyclinganlagen nicht erkannt werden können: „Muss ein Produkt unbedingt schwarz sein? Hat der Verbraucher irgendeinen Nachteil, wenn es grün, gelb oder rot ist? Die Kunststoffrecycler sollten vielmehr die Konsumgüterhersteller in ihre Werke einladen und ihnen aufzeigen, wo es hapert.“

Nach Ansicht von Michael Scriba müssen die Recyclingkapazitäten verdoppelt werden, um die Quotenvorgaben erfüllen zu können. Für den Quotensprung von 58,5 auf 63 Prozent im Jahr 2022 seien keine Kapazitäten vorhanden. „Wo sollen die auch herkommen? Die müssen zuerst geschaffen werden“, kritisierte Scriba das neue Verpackungsgesetz beziehungsweise den Gesetzgeber: „Ich kann doch kein Gesetz machen und zum Jahresanfang einführen und nicht bedenken, dass sich solche Investitionen über einen Zeitraum von drei bis fünf und noch mehr Jahren erstrecken.“

Nach wie vor ein Markt: China

„China ist trotz Importstopp für Kunststoffabfälle nach wie vor ein interessanter Markt für deutsche und europäische Unternehmen auf allen Gebieten der Entsorgungswirtschaft“, resümierte Dr. Ulrich Teich (Schindhelm Rechtsanwälte) in der AG Internationale Kunststoffmärkte mit den weiteren Teilnehmern John Paul Mackens (Kühne + Nagel AG & Co. KG), Dr. Thomas Probst (bvse) und Lawrence Ong (Malaysia Plastic Recycle Association).

Der Jurist und China-Experte zeigte in seinem Vortrag Entwicklungen und Geschäftschancen in der Volksrepublik auf. So sind im 13. Fünfjahresplan (2016 bis 2020) Investitionen in die Abfallwirtschaft in Höhe von 38 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Die Trennung und Behandlung von Hausmüll soll bis 2020 schrittweise auf 54 Prozent steigen; und es wird erwartet, dass auch im 14. Fünfjahresplan die Abfallwirtschaft Priorität hat. In 43 großen chinesischen Städten laufen bereits Pilotprojekte. Immensen Nachholbedarf bei der Abfallentsorgung hat der ländliche Raum mit rund 500 Millionen Einwohnern. Landesweit werden sogenannte Green Manufacturing-Projekte initiiert und umgesetzt. Ziel ist die Steigerung der Energieeffizienz und die Senkung des Ressourceneinsatzes. In den Bereichen Sammeln, Sortieren und Verwerten/Verbrennen (Waste-to-Energy) von Kunststoffen bieten sich Kooperationen oder Beteiligungen an chinesischen Unternehmen an. Kunststoff-Regranulate, die eine Reinheit von 99,5 Prozent aufweisen – was aber gegenwärtig kaum zu leisten ist –, können weiterhin nach China exportiert werden. Doch siedeln sich chinesische Unternehmen in Deutschland und Europa an, um hochqualitative Recyclingkunststoffe zu produzieren und in der Volksrepublik zu vermarkten.

Wie Thomas Probst nach den Beiträgen von Ulrich Teich und Lawrence Ong zu den Einfuhrbeschränkungen von Kunststoffabfällen nach Malaysia anmerkte, haben Rezyklate und Regranulate in China den Abfallstatus verloren. Das Material wird als Produkt nach Chinas geschickt; es obliegt nicht dem nationalen Abfallrecht. Zum Schluss der Veranstaltung teilte John Paul Mackens noch mit, dass Kühne + Nagel keine Plastikabfälle mehr nach Asien verschifft. Maximal Hongkong werde noch angelaufen. Dem Unternehmen ist Mackens zufolge das Geschäft zu gefährlich geworden.

Foto: MatVanced

(EU-Recycling 07/2019, Seite 8)

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