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Mechanisch-bio­logische Behandlungsanlagen könn(t)en mehr

Anlagen zur mechanisch-biologischen Bearbeitung von Siedlungsabfällen werden hauptsächlich zur Energiegewinnung eingesetzt. Würde ihre Recyclingfunktion besser genutzt, könnte das Vorteile bringen. Wie, erläuterte Matthias Kühle-Weidemeier in einem Vortrag auf dem internationalen Waste-to-Resources Symposium 2019 am 14. Mai in Hannover.

Im Jahr 2007 veröffentlichte Matthias Kühle-Weidemeier eine Massenbilanz der deutschen mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen (MBA). Sie wies aus, dass in derartigen Anlagen von rund 4,9 Millionen Tonnen Material jährlich rund 1,1 durch Zersetzung und Trocknung verloren gehen, rund zwei Millionen Tonnen in Ersatzbrennstoff-Werken energetisch umgesetzt werden und gut eine Million Tonnen auf Deponien landen. Noch heute – so Kühle-Weidemeier – enden 25 Prozent des MBA-Inputs auf Deponien und 40 Prozent in Verbrennungsanlagen. Doch: „Ein höhere stoffliche Rückgewinnungsquote wäre begrüßenswert.“

Kaum ein Marktwert

Die grobkörnige hochkalorische Eingangs-Fraktion konnte bislang unter Einsatz von wirkungsvolleren Sensoren, höheren Rechnerleistungen, ständiger Verbesserung der Software und mechanischer Optimierung eine höhere Trennquote und bessere Materialqualität erreichen und hat weiteres Potenzial. Allerdings besitzen grobkörnige oder biologisch getrocknete Materialien aufgrund von Verunreinigungen auf der Oberfläche – insbesondere feuchte oder getrocknete organische Abfälle, die zudem Gerüche verbreiten – sowie schmutzig erscheinende Stoffe aus der Sortierung von Misch- oder Restabfällen kaum einen Marktwert; eine optischen Sortierung rentiert sich hier bestenfalls zur Erkennung von PVC. Um einen höheren Marktwert zu erzielen, empfiehlt sich die Wäsche des Materials; die Mehrkosten müssen mit dem potenziell höheren Wert des Endmaterials abgeglichen werden. Die Feinfraktion ist als Gemisch von feuchter Organik und Mineralstoffen mit klassischen Methoden der Trockensortierung schwer zu trennen und hat – von Metallen abgesehen – am Markt auch kaum einen Wert. Für dieses Material sind Nassabscheidungsmethoden die geeigneten Sortiertechniken, eventuell in Kombination mit biologischer Trocknung auch durch Anwendung von trockener Sortierung und Separation.

Mit Nasstrenn-Techniken verbinden

Wesentlich höhere Recyclingquoten lassen sich in Behandlungsanlagen erzielen, die Sortierung per Sensorik (üblicherweise optischem Nahinfrarot) mit Nasstrenn-Techniken verbindet. Dadurch erlangt Wasser eine Doppelfunktion: Separierung und Reinigung. In früheren Stadien wurde in den Anlagen Nasstrenn-Technik mit anaerober Vergärung kombiniert. Doch sind Rohre, Pumpen und Reaktoren in solchen Anlagen empfindlich und verstopfen durch Mineralien wie Sand oder faserförmige Stoffe. Auch können Mineralablagerungen in den Reaktoren zum Problem werden.

Dies lässt sich an der Aufgabeseite durch eine Trennung des organischen von faserförmigem und mineralischem Material mit bestimmter Partikelgröße bewerkstelligen. Durch intelligente Systemkonzepte verändern sich somit mechanisch-biologische Behandlungsanlagen von Vorbehandlungseinrichtungen für Entsorgung oder Verbrennung zu tatsächlichen Anlagen zur Materialtrennung mit einem Endergebnis, das aus sauberen Rezyklaten und keinen Fraktionen zur Beseitigung oder Ersatzbrennstoffen besteht. Dafür sind bereits einige technische Lösungen verfügbar.

Das Sordisep-Verfahren

So hat beispielsweise das belgische Unternehmen Organic Waste Systems das Nasstrennverfahren Sordisep (kurz für: Sortierung, Digestierung und Separation) für kontaminierte Gärsubstrate aus gemischten organischen Abfällen entwickelt. Der gesamte Prozess beginnt mit einer Trockensortierung, bei der 28 Prozent der festen Kommunalabfälle für Ersatzbrennstoffe, fünf Prozent Metall und vier Prozent Ausschuss separiert werden. Die anschließende sogenannte Dranco-Vergärung wandelt im Faulbehälter 60 bis 65 Prozent der meist feuchten, klebrigen und übelriechenden gemischten Organik-Abfälle in Biogas um, was die ursprüngliche Abfallmenge um weitere zwölf Prozent reduziert. Der übrig bleibende, faserförmige Gärrest kann danach über Siebe und andere Nasstrenn-Einrichtungen zerlegt und separiert werden; kurze Fasern, Sand, Leichtfraktionen und inerte Stoffe – insgesamt 17 Prozent – lassen sich wiedergewinnen und vermarkten. Es folgt eine aerobe Stabilisierung, die bei der fünf Prozent der Masse durch Verdunstung und ein Prozent durch Trockenmasse-Verluste verloren gehen. Der schließlich fertige Kompost macht 28 Prozent der Input-Menge aus und ist von einer Qualität, die die Grenzwerte für Schwermetalle deutlich, jene für PCBs, Pestizide, Herbizide und ölbasierte Verbindungen wie Kunststoffe um ein Vielfaches unterschreitet. In der Behandlungsanlage für Gemischtabfälle im französischen Bourg-en-Bresse läuft das integrierte Sordiep-Verfahren seit 2016.

Die SchuBio-Technik

Das SchuBio-Verfahren beruht auf langjährigen Erfahrungen aus der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung und hat seine Wurzeln in den aus dem WaBio-Prozess stammenden Nassvergärungsverfahren. Beim heutigen SchuBo-Verfahren sind mehrere Nass-Separationen kombiniert. An eine Entfernung von Störstoffen und eine trockene mechanische Behandlung schließt sich eine dreistufige Nass-Separation an, die Inert-Stoffe und Fraktionen mit unterschiedlichen Partikelgrößen trennt. So werden zum einen Sand, Kies und Steine aussortiert, abgespült, gewaschen und als Baumaterial recycelt. Die Feinkorn-Fraktion durchläuft eine zweistufige Nass-Trennung, durch die sich feiner Sand und Schluff gewinnen lassen. Zum anderen werden die Materialien für eine thermo-mechanische Zell-Lyse vorkonditioniert, damit deren organische Fasern sich zerfransen und abtrennen, sodass die Zellwände aufbrechen und das Zellwasser abfließen kann. Die daraus resultierenden organischen Fraktionen durchlaufen ein Sieb und eine Press-Schraube zur Entwässerung. Eine Trockensortierung trennt Mischfasern, Aluminium, Leder, Holz und Kunststoff; eine parallele anaerobe Vergärung führt zur Gewinnung von Biogas, Ammoniumsulfat, Kalium-haltiger Flüssigkeit und organischen Dünger-Pellets. Nach Anlaufschwierigkeiten – ein nachgeordnetes thermochemisches Phosphatrecycling-Verfahren eines anderen Herstellers erfüllte seine Funktion nicht – behandelt in der Schweiz eine SchuBio-Anlage organische Abfälle sowie andere Biomasse und erreicht bis heute die geplante Biogas-Kapazität.

Abfälle zu marktfähigen Rohstoffen

Das weltweit patentierte SchuBio-Verfahren wurde im Laufe der Jahre verbessert, sodass es vollständig unabhängig von nachgeschalteten thermo-chemischen Prozessen, Verbrennung oder Deponierung abläuft. Eine Anlage nach momentanem Stand der Entwicklung könnte Abfälle unter anderem in marktfähige Rohstoffe umwandeln, Biomasse von Schadstoffen reinigen, Schwermetalle oder gewaschene Kunststoffe sortieren, Dünger produzieren oder fast den gesamten Input recyceln. Eine beispielhafte Massenstrom-Verteilung zeigt, dass ein Viertel der Materialien aus mineralischen Komponenten – hauptsächlich Baumaterialien – besteht, ein Viertel Kunststoffe, Holz und Fasern enthält, und sich die Hälfte aus natürlichen organischen Bestandteilen zusammensetzt: zwei Prozent Ammoniumsulfat, acht Prozent Trockendünger, zehn Prozent Biogas und 30 Prozent Bewässerungswasser. Die Kosten für eine SchuBio-Anlage bewegen sich auf gleichem Niveau wie die einer konventionellen mechanisch-biologischen Einrichtung mit nasser anaerober Vergärung, jedoch besitzen die Endprodukte einen höheren Marktwert. Zudem entsteht durch Beseitigung der Schwermetalle und Vernichtung möglicher organischer Schadstoffe eine optisch und chemisch saubere Fraktion, die Verwendung als Brennstoff-Pellets oder anerkannter Dünger findet.

Bislang ungeahnte Recyclingquoten

Kühle-Weidemeier kommt – die Möglichkeiten heutiger mechanisch-biologischer Anlagen im Blick – zu der Ansicht, dass die zurzeit weitverbreiteten Anlagen zwar der Energierückgewinnung dienen, aber sehr niedrige Recyclingquoten erreichen. Diese Anlagen könnten enorm verbessert werden durch Einbindung von mechanischen Trennschritten und sensorbasierten Sortiereinrichtungen auf neuestem Stand der Technik. „Die fortgeschrittene Technik würden diesen Anlagen bislang ungeahnte Recyclingquoten ermöglichen“.

Der Vortrag kann nachgelesen werden im Tagungsband Waste-to-Resources 2019, hrsg. Matthias Kuehle-Weidemeier, Göttingen 2019, ISBN 978-3-7369-7009-0.

Foto: Redwave/BT-Wolfgang Binder GmbH

(EU-Recycling 07/2019, Seite 32)