- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

„Die Textilindustrie sollte mehr Recyclingfasern einsetzen“

Während der Sitzung der Fachsparte Textil im Rahmen der BIR-Tagung in Singapur waren viele ernste Gesichter zu beobachten.

Zwar konnten die Unternehmen der Branche in den zurückliegenden Monaten höhere Mengen an Alttextilien einsammeln, aber die Qualität lasse immer mehr zu wünschen übrig, kommentierte Martin Böschen (Texaid Textilverwertungs-AG, Schweiz), neuer Präsident der Fachsparte, die jüngsten Marktentwicklungen. Verantwortlich dafür waren nach seiner Analyse die Kombination von „Fast Fashion“ und dem steigenden Bewusstsein der Verbraucher, dass Textilien recycelt werden können. Letzteres sei durch die Behörden – und zu einem gewissen Ausmaß von der Modeindustrie – hervorgerufen worden, die die Öffentlichkeit aktiv informierten, dass Textilien ins Recycling gegeben werden sollten.

Dies sei aus Umweltgesichtspunkten sinnvoll, sagte Böschen, setze jedoch die Textilrecyclingindustrie unter Druck, zumal wirtschaftlich tragbare Recyclingmethoden und -verfahren noch nicht zur Verfügung ständen. Die Sammlung und Sortierung gebrauchter Textilien werde durch den Verkauf von Secondhand-Ware finanziert, und so stelle sich die Frage, wer dafür bezahle, wenn sowohl die Qualität als auch der Anteil an wieder verkaufbarer Ware weiter zurückgehe. Dies sei besonders wichtig, da die Europäische Union die Getrenntsammlung gebrauchter Textilien in allen EU-Mitgliedsländern ab 2025 vorschreiben wird.

In diesem Zusammenhang wies Martin Böschen darauf hin, dass es einige vielversprechende Entwicklungen gebe. Die Lösungen basierten entweder auf dem chemischen oder mechanischen Recycling. Aber, so sein Einwand, die gegenwärtig praktikablen Methoden des „Fiber-to-Fiber“-Recycling funktionierten nicht wirtschaftlich nachhaltig; das Material könne nicht mit Frischfasern konkurrieren. Er hält es deshalb für notwendig, dass die Textilrecycling-Branche enger als bisher mit der Industrie zusammenarbeitet. Zum einen solle sich dieser Wirtschaftszweig auf ein „Design for Recycling“ konzentrieren, was den Textilrecyclern erlauben würde, höherwertige Sekundärrohstoffe zu niedrigeren Kosten zu produzieren, und zum anderen solle sich die Textil- und Modeindustrie verpflichten, Sekundärmaterial einzusetzen, auch wenn es teurer als Primärrohstoffe sei.

Alan Wheeler (Textile Recycling Association, Großbritannien) berichtete von einer Publikation mit dem Titel „Fixing Fashion“, die im Februar dieses Jahres vom britischen Environment Audit Committee (EAC) herausgebracht wurde und seiner Meinung nach als „Game Changer“ nicht nur für die britische, sondern auch für die globale Modeindustrie gesehen werden könne. In diesem Papier schlage das EAC vor, dass die Mode-Einzelhändler Verantwortung für die von ihnen verursachten Abfälle übernehmen, indem ein Programm zur Produktverantwortung eingeführt wird; dabei sollen Unternehmen belohnt werden, die Abfälle reduzieren. Außerdem könne eine Abgabe von einem Pence pro verkauftem Kleidungsstück einen Betrag in Höhe von 35 Millionen Pfund Sterling (umgerechnet etwa 40 Millionen Euro) beschaffen, der sich für die Wiedernutzung beziehungsweise das Recycling oder andere Initiativen zur Verbesserung der Kreislaufführung von Bekleidung oder der Textilindustrie verwenden ließe. Andere Vorschläge in dem Bericht hatten unter anderem Empfehlungen im Hinblick auf Steuern als Anreiz für Modeunternehmen, umweltfreundlichere Produkte herzustellen, die Integration von Prinzipien des Öko-Designs und einen Investment-Fond zur Stimulierung des Markts für Recyclingfasern zum Thema.

Wie Alan Wheeler hervorhob, haben etliche britische Medien über den Report des Environment Audit Committee berichtet. Dies lege nahe, dass es in der Öffentlichkeit ein steigendes Interesse hinsichtlich der Umweltbelastungen durch die Bekleidungs- und Modeindustrie sowie die Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeit gebe.

Über die Forschungsaktivitäten des „Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel“ (HKRITA) und vorhandene Ergebnisse berichtete die Gastrederin Dr. Gloria Lei Yao, Direktorin für Projektentwicklung der Organisation. Sie schilderte unter anderem die Entwicklungen und Initiativen zum Technologietransfer im mechanischen, chemischen und biologischen Recycling von gebrauchten Textilien und verwies in diesem Zusammenhang auf ein vierjähriges Projekt (Ende: 2020), an dessen Finanzierung die schwedische H&M Foun­dation mit 5,8 Millionen Euro beteiligt ist. In diesem Vorhaben wurden praktische Lösungen zur Umwandlung von Mischgeweben in neue Garne und Stoffe untersucht. Die Technologie, die sich derzeit in der Phase der Maßstabsübertragung befindet, soll den Angaben zufolge überregional lizenziert werden, um einen breiten Marktzugang und größtmöglichen Effekt zu bewirken.

Brigitte Weber, Foto: Hans-Jürgen Schwanke

(EU-Recycling 08/2019, Seite 4)

[1]

Anzeige