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Ersatz­brennstoffe in Europa: eine aktuelle Bestandsaufnahme

Frankreich plant mittelfristig, durch RDF-Vorbehandlung die Deponierung be­stimmter Festabfälle um 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Die Record-Gesellschaft wurde deshalb mit einer Studie über den europäischen Ersatzbrennstoff-Markt beauftragt, die am 15. Mai 2019 auf der Waste-to-Resources-Tagung in Hannover vorgestellt wurde.

In Europa ist der nicht-standardisierte RDF-Markt hauptsächlich auf dafür bestimmte Anlagen ausgerichtet, während standardisierte Brennstoffe für Zementwerke und Kohlen-befeuerte Einrichtungen vorgesehen sind. Um das Jahr 2015 belief sich die Produktion von standardisiertem RDF in Deutschland auf knapp zwei Millionen Tonnen, in Italien auf rund 1,6 Millionen Tonnen, und in Finnland und Frankreich knapp 0,2 Millionen Tonnen. Auch bei nicht-standardisierten oder nicht näher gekennzeichneten Brennstoffen liegt Deutschland mit über 6,5 Millionen Tonnen vorne, gefolgt vom Vereinigten Königreich mit etwas über drei Millionen Tonnen, den Niederlanden mit rund 1,5 Millionen Tonnen und Österreich, Belgien, Finnland und Schweden im Bereich von 200.000 bis 250.000 Tonnen.

Länderspezifische Behandlungsmethoden

Auch in den technischen Voraussetzungen unterscheiden sich die untersuchten Länder. So herrschen in Deutschland manuelle Behandlungsmethoden vor, durch die die heizwertreiche Fraktion von Organik, Metallen und inerten Abfällen getrennt wird. Italien sieht eine mechanisch-biologische Behandlung vor, wobei allen Input-Strömen eine Biotrocknung verordnet wird; bei entsprechender Qualität des unteren Heizwerts kann dieses Material zu einem wettbewerbsfähigen Preis für Kohlen-befeuerte Anlagen zur Verfügung stehen. Das in Frankreich aus Siedlungsabfällen hergestellte CSR (Combustible Solide de Récuperation) mit speziellen Grenzwerten ist hingegen nicht geeignet als Verbrennungszusatz, weshalb sich die Produktion zunehmend auf industrielle und gewerbliche Quellen verlagert. Aus der Herkunft der Abfälle kann aber nicht direkt auf den Heizwert der hergestellten Ersatzbrennstoffe geschlossen werden. Allerdings liegt der untere Wert aus Industrie- und Gewerbeabfällen zwischen 11,5 und 16,5, während er bei Siedlungsabfällen zwischen 8,4 und 20,4 schwanken kann. Ebenfalls bestehen deutliche regionale Unterschiede in der späteren Anlagennutzung. Die rund neun Millionen Tonnen in Deutschland zur Verfügung stehenden Mengen unterteilen sich in 4,5 Millionen Tonnen für sogenannte „dezidierte Anlagen“ (meistens zur industriellen Dampferzeugung oder für Fernwärme), rund zwei Millionen Tonnen für Zement- oder Kalkwerke, 1,3 Millionen Tonnen für kommunale Müllverbrennungsanlagen (zur Energie- oder Wärme-Erzeugung) und 0,8 Millionen Tonnen für nicht-spezifische Heizkraftwerke, die auch Stein- oder Braunkohle verfeuern. Die Niederlande hingegen verwerten ihre drei Millionen Tonnen ausschließlich in Müllverbrennungsanlagen, ähnlich wie Italien mit 1,2 Millionen Tonnen, während Schwedens rund 1,5 Millionen Tonnen weitgehend in dezidierten Anlagen Einsatz finden.

Reger Materialtausch

Während Deutschland neun Millionen Tonnen verwertet und 8,7 Millionen Tonnen produziert, verwertet das Vereinigte Königreich nur 0,1 Millionen Tonnen von produzierten 3,2 Millionen Tonnen, verbrauchen die Niederlande 3,1 Millionen Tonnen bei einer Produktion von 1,5 Millionen Tonnen, und leistet sich Schweden angesichts von produzierten 0,4 Millionen Tonnen einen Verbrauch von 1,8 Millionen Tonnen. Dieser Materialaustausch erklärt sich durch jährliche Exporte von über 600.000 Tonnen aus dem Vereinigten Königreich in die Niederlande und nach Deutschland sowie von 300.000 bis 600.000 Tonnen nach Schweden. In gleichem Umfang „tauschen“ die Niederlande und Deutschland ihre Ersatzbrennstoffe. Norwegen spielt als Empfängerland von Importen aus dem Vereinigten Königreich und Belgien in Höhe von unter 300.000 Tonnen jährlich ebenso eine Rolle wie als Exporteur von 300.000 bis 600.000 Tonnen nach Schweden.

Die Mehrheit der in Betrieb befindlichen europäischen Anlagen dient der Verbrennung; auf Vergasung wird nur in drei Prozent der untersuchten Einrichtungen zurückgegriffen. Rostfeuerungen und Wirbelschichtfeuerungen teilen sich den Markt, wobei letzte insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn in der Anlage nicht nur RDF, sondern auch Biomasse, Schlämme oder Knochenmehl oder RDF mit hohem Heizwert zum Einsatz kommt. Die Leistung der großen Mehrheit der Betriebe bewegt sich unterhalb der 150 Megawatt (MW), die relativ gleichmäßig im Rahmen von acht bis 150 MW verteilt sind; fünf Ablagen liefern über 200 MW. Mitverbrennung wird überwiegend als die am ehesten profitable Behandlungsart angesehen – aufgrund der Erträge aus der Wärmeproduktion und der Möglichkeit, deren schwankende Nachfrage durch Stromerzeugung auszugleichen.

Preise zwischen -60 Euro und +30 Euro

Alle untersuchten Anlagen scheinen profitabel zu laufen. Vielfach sind RDF-Versorger oder Wärmenutzer Anteilseigner. Kommunale Gesellschaften mit überwiegend öffentlichen Anteilseignern besitzen und betreiben die für Fernwärme vorgesehenen Einrichtungen. Die leistungsfähigeren Anlagen werden von großen Gruppen betrieben. Verträge mit RDF-Versorgern werden im Allgemeinen mittelfristig auf ein bis fünf Jahre ausgelegt. Große Anlagen werden vor Preisschwankungen durch gemischte Verträge geschützt, indem sie für konstante Quantität und Qualität sorgen und mit Nachfrageeinbrüchen umgehen können. Die Preise sind variabel und schwanken zwischen -60 Euro und +30 Euro pro Tonne, je nach nationalem Markt und RDF-Qualität. Schwache Preise entstehen aus importiertem RDF oder solchem mit mittelmäßiger Qualität. Gute Preise erzielt RDF mit hohem unteren Heizwert oder solcher – wie auf dem finnischen Markt –, der ausschließlich aus Industrie- und Gewerbeabfällen hergestellt wird.

Kein organisierter Sektor

Abgesehen von Bestrebungen in Frankreich stellen die Anlagen, die RDF produzieren oder in bestimmter Weise einsetzen, keinen organisierten Sektor oder eine strukturierte oder regulierte Wertkette in ihren Ländern dar, mit Ausnahme von Italien. In den anderen Ländern resultieren derartige Anlagen keineswegs aus öffentlicher Politik, sondern aus der jeweiligen Kombination aus vier möglichen Faktoren. Erstens einem Klima von hohen oder steigenden Preisen, das die Suche nach alternativen Energiequellen beförderte. So ging die Gründung der von der Studie untersuchten Einrichtungen für SRF von der Zielvorstellung aus, fossile Brennstoffe durch Wärmeproduktion in Form von Dampf oder Heißwasser zu ersetzen. Zweitens bewirkte die Einführung politischer Verbote oder abschreckender Versteuerung, um die Deponierung von Abfällen zu verringern, die Herstellung brennwerthaltiger Abfälle zu einem wettbewerbsfähigen Preis. So überstieg in allen untersuchten Ländern mit Ausnahme von Frankreich die Deponierungsgebühr die Marke von 100 Euro pro Tonne.

Hinzu kommt, dass die direkte Verbrennung teurer sein muss als die Produktion oder der Einsatz von RDF. Dieser Zusammenhang wird in Deutschland, Österreich, dem Vereinigten Königreich und Italien deutlich; im Gegensatz dazu erklärt sich die relative Verzögerung der RDF-Aufbereitung in Schweden, Norwegen, Belgien und den Niederlanden aus der vergleichsweise kostengünstigen Verbrennung in kommunalen Anlagen. Auch Importe und Exporte von Ersatzbrennstoffen hängen mit Deponierungskosten und -verboten zusammen. Die Überkapazität in den Niederlanden, Schweden und Deutschland gab einen relativ frühen Anstoß zu Maßnahmen gegen Abfallablagerung, während Unterkapazitäten im Vereinigten Königreich und Italien auftreten, wo solche Maßnahmen eher neueren Datums sind.

Als dritter Faktor spielt die nur zögerliche Unterstützung durch die öffentliche Hand von RDF-Anlagenbauten zur Energiegewinnung eine Rolle. Alle untersuchten Staaten verfügen durch Heiz-Netzwerke, Mitverbrennung oder Umweltzertifikate über indirekte Unterstützungssysteme für Ersatzbrennstoffe. Mit Ausnahme von Frankreich verfügt aber keine einzige Nation über einen dafür spezifischen Unterstützungsrahmen. Abgesehen von den beiden italienischen Anlagen, die von grünen Zertifikaten profitieren, scheinen alle anderen Einrichtungen laut Studie ohne öffentliche Zuwendungen rentabel zu sein. Nur sechs der dreizehn Standorte ziehen aus Fördermitteln Nutzen: jene in Finnland, Österreich und Deutschland hinsichtlich Investment, in Italien hinsichtlich Betrieb. Für fünf der sechs Standorte war angeblich keine Unterstützung nötig, um sie ökonomisch erfolgreich werden zu lassen.

Wettbewerbsverzerrungen durch Klassierung

Faktor Nummer vier ergibt sich aus der EU-Richtlinie 2003/87/CE, wonach durch Verbrennung erzeugte Energie aus belasteten oder Siedlungs-Abfällen von den CO2-Quoten ausgenommen ist. Hinzu kommt die Richtlinie 2010/75/CE für Industrieemissionen, die die Verbrennung und Mitverbrennung reguliert, jedoch je nach Land unterschiedliche Klassifikationen für Anlagen zur Energierückgewinnung, Wärmeerzeugung und Energieproduktion vornimmt. Die Unterschiede in der Definition sind verbunden mit unterschiedlichen Regulierungssystemen. Demnach fallen die Verbrennungsanlagen in Deutschland, Österreich und Italien und die Mitverbrennungsanlagen in Belgien, Finnland und Frankreich unter den Status der RDF-Energierückgewinnung, während die Anlagen im Vereinigten Königreich, Norwegen und den Niederlanden nicht davon betroffen sind. Das – so die Studie – führte zur Wettbewerbsverzerrung, die in erster Linie die CO2-Quoten betrifft, aber auch die Planung von Anlagen hinsichtlich Lufteintritt und Temperaturmessung beeinflusst. So führt beispielsweise die Tatsache, dass Frankreich seine dezidierten Anlagen als Mitverbrennungs-Standorte klassiert, dazu, dass der Preis für Energie aus Ersatzbrennstoff um 0,7 Euro pro Megawattstunde (MWh) höher liegt als der aus Verbrennungsanlagen mit einem Quotenpreis von acht Euro pro Tonne CO2. Die Auswirkung wären zehn bis zwölf Euro pro MWh bei einem Quotenpreis von 50 Euro pro Tonne CO2 und bedeuteten eine Wettbewerbsverzerrung zwischen französischen Produzenten und solchen in anderen Ländern.

Die Untersuchung empfiehlt daher abschließend zur Ankurbelung eines realisierbaren RDF-Markts die Einführung von Deponiegebühren oder -verboten, Energiesteuern und Kapazitätsplanungen. Allerdings sollten unnötige oder redundante Regularien vermieden werden. Auch dürften Ersatzbrennstoffe nur kurzfristig subventioniert werden. Vor allem aber sollten Verbrennung und Mitverbrennung in Europa einheitlich interpretiert werden, wobei die Ausnahme von CO2-Quoten für Anlagen zur 100-prozentigen Mitverbrennung von Abfällen zur Diskussion stehen sollte.

Der Vortrag kann nachgelesen werden im Tagungsband Waste-to-Resources 2019, hrsg. v. Matthias Kuehle-Weidemeier, Göttingen 2019, ISBN 978-3-7369-7009-0.

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RDF und SRF

RDF (Refuse Derived Fuel) wird aus nicht-belasteten Haushaltsabfällen, Industrie- und Gewerbeabfällen und Bau- und Abbruch-Abfällen für die Energierückgewinnung hergestellt und umfasst den Löwenanteil der europäischen Ersatzbrennstoffe. SRF (Solid Recovered Fuel) bezeichnet festen, nicht-belasteten Brennstoff und entspricht dem EU-Standard EN 15359 wie in Italien oder entsprechenden nationalen CSR-Standards wie in Frankreich.

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(EU-Recycling 08/2019, Seite 50, Foto: Vecoplan AG)

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