- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Automobilindustrie: Wie krisensicher ist ihre Versorgung mit Rohstoffen?

Die Automobilindustrie benötigt zunehmend komplexe und verschiedene Rohmaterialien mit spezifischen Eigenschaften. So technisch und wirtschaftlich wichtig diese Stoffe sind, sind sie doch kritisch hinsichtlich Angebotsknappheiten und -unterbrechungen. Eine aktuelle Studie hat mit einem neuen Ansatz untersucht, welche der 27 in der Automobil-Industrie eingesetzten Rohstoffe als kritisch zu bezeichnen sind.

Lässt sich die Kritikalität eines Materials identifizieren, können potenzielle Versorgungsengpässe aufgedeckt werden, die Maßnahmen zur Abmilderung solcher Verknappung ermöglichen – beispielsweise durch Forschung für Substitution, Recycling, Materialeffizienz oder Lebenszeit-Verlängerung. Die EU-Kommission unterhält eine regelmäßig aktualisierte Liste kritischer Rohstoffe für die Europäische Union: Jene, die sehr wichtig für die EU-Wirtschaft sind, besitzen auch ein hohes Risikoniveau, verbunden mit ihrem Angebot. Frühere Studien benutzten Parameter, die auf diesem Risiko aufbauten, um die Kritikalität zu bestimmen. Eine neue Studie konzentriert sich auf das Konzept der Anfälligkeit und wendet es auf die Automobilindustrie an. Diese Industrie ist in vielen Staaten ökonomisch bedeutsam; doch bis heute wurde die Kritikalität der in der Fahrzeugproduktion eingesetzten Metalle nicht spezifisch bewertet. Die Angreifbarkeit wurde durch drei Unterpunkte definiert:

1. Empfindlichkeit

Die Empfindlichkeit der besagten Ressource bezeichnet die Angebots-Nachfrage-Struktur und wie sich das System selbst beeinflusst – indem beispielsweise die Menge des erforderlichen Rohmaterials durch Ändern der Zahl der produzierten Fahrzeuge beeinflusst wird.

2. Exposition

Die Exposition beschreibt den potenziellen Grad und die Wahrscheinlichkeit von Angebots-Änderungen, die Einfluss darauf haben, wie ein System seine Aufgaben erfüllt, inklusive von Forschung für möglichen zukünftigen Ersatz. Empfindlichkeit und Exposition können – zusammengenommen – eventuell Schäden bewirken, die die Fähigkeit des Systems beeinträchtigen, seine Aufgaben ohne eine geeignete Anpassung wahrzunehmen.

3. Anpassungsfähigkeit

Die Anpassungsfähigkeit umfasst die Fähigkeit eines Systems, auf veränderte Angebotsbedingungen zu reagieren – beispielweise durch Substitution, Recycling oder Wiederverwendung. Um den möglichen Ersatz der Metalle zu bestimmen, benutzten die Forscher vier Indikatoren: die Substitutionsleistung, die Substitutionsverfügbarkeit, die Rate der Umweltbeeinflussung und den Rohstoffpreis.

27 Unedel-, Spezial-, Edel- und Seltenerd-Metalle

Diese drei Dimensionen wandten die Forscher auf 27 Unedel-, Spezial-, Edel- und Seltenerd-Metalle in der Automobilindustrie an und vergaben Ranglistenpunkte. Dabei wurden für die Empfindlichkeit die jährlich weltweit registrierten Pkw eingestuft und entlang von Metallproduktion und Nachfragedaten begutachtet; sowohl die Autokarossen wie andere Metallkomponenten wurden hierzu herangezogen. Die Einstufung der Exposition schloss die gegenwärtige und zukünftige Verknappung von Rohmaterialien ein, berücksichtigte aber auch die Produktions- und Extraktions-Standorte von betreffenden Unternehmen und die dortige Situation. Die Anpassungsfähigkeit enthielt Aspekte der Verfügbarkeit von Kapazitäten, Kosten sowie die schlussendliche Recyclingquote.

Sechs Metalle am meisten gefährdet

Von den 27 Metallen erwiesen sich Dysprosium, Neodym, Terbium und Europium – verwendet in Elektromotoren und Fahrzeugelektronik – als die am meisten gefährdeten: Sie können weder ersetzt noch recycelt werden und werden ausschließlich von China geliefert. Die höchsten Quoten der Nachfrage-zur-Produktion fielen an bei Rhodium, Palladium, Platin und Vanadium – verwendet in Katalyse-Konvertern und Fahrzeugkarossen. Verschmilzt man die drei Unterpunkte zu einer einzigen Anfälligkeits-Rangliste, stellen sich Rhodium, Dysprosium, Neodym, Terbium, Europium und Praseodym – verwendet in Autokatalysatoren, Elektromotoren und LED-Beleuchtung – als die sechs am meisten gefährdeten Metalle in der Automobil-Produktion heraus. Ihr Recycling und ihre Substitution sind nur begrenzt möglich, und diese Metalle zeigen sich damit am ehesten anfällig für potenzielle Angebotsbeschränkungen.

Die Ergebnisse der Studie heben diese sechs Metalle, die zu Materialgruppen wie Schwere Seltene Erden, Leichte Seltene Erden und Platinguppen-Metallen zählen, besonders aus der EU-Liste der kritischen Rohstoffe im Jahr 2017 hervor.Allerdings unterscheidet sich die Methodologie der Untersuchung von der der EU und berücksichtigt eher eine globale als eine europäische Sichtweise. Aus Sicht der Forscher könnte die Anwendung dieser Vorgehensweise das Verständnis in die Notwendigkeit einer alternativen Materialentwicklung und neuer Montagetechniken in der Automobilindustrie ebenso verbessern wie in anderen Sektoren, in denen kritische Rohstoffe zum Einsatz kommen.

Weitere Informationen sind erhältlich unter Knobloch, V., Zimmermann, T. and Gößling-Reisemann, S. (2018). From criticality to vulnerability of resource supply: The case of the automobile industry. Resources, Conservation and Recycling, 138, pp.272-282.

Quelle: EU-Kommission

(EU-Recycling 09/2019, Seite 33, Foto: Thomas B. / Pixabay)