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Sollten thermische Verwertungskapazitäten abgebaut werden?

Eine aktuelle Studie des Naturschutzbund Deutschland zur Müllverbrennung hat eine Kontroverse in der Branche ausgelöst.

So widersprechen Thomas Obermeier, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Abfallwirtschaft und Ehrenpräsident der DGAW, sowie Sylvia Lehmann, Qualitätsmanagerin vom Beratungsunternehmen Tomm+C, in einem Beitrag der Schlussfolgerung, dass es bis zum Jahr 2030 zu einer erheblichen Reduktion des Inputs in MVA und EBS-Kraftwerken kommt, weshalb ein Rückbau von Verbrennungskapazitäten geboten erscheint.

Im Basisszenario der Studie, welches die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben betrachtet, wird ein Rückgang der Inputmengen um fünf Millionen Tonnen pro Jahr prognostiziert, wobei der Rückgang bei Umsetzung weiterer Maßnahmen und Vermeidungsstrategien auf bis zu sieben bis neun Millionen Tonnen pro Jahr in Szenario 2 und 3 ansteigt. Thomas Obermeier und Sylvia Lehmann ermittelten, dass entscheidende Fakten – wie zum Beispiel die gleichbleibende Bevölkerungszahl, wachsende Urbanisierung und die weiter steigende konjunkturelle Entwicklung – zu gleichbleibenden, gegebenenfalls leicht steigenden Abfallmengen – letztere insbesondere im gewerblichen Bereich – führen werden und dass die Reduktion von Restabfällen durch getrennte Erfassung von Bioabfällen und Leichtverpackungen voraussichtlich niedriger ausfallen werden, als in der Studie angenommen.

Anlagen derzeit am Limit

Das gleiche gilt für die Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung, wobei zwar die Ziele der Verordnung als Reduktionspotenzial angenommen werden, jedoch bezweifelt wird, dass die erforderliche Kapazität an Sortieranlagen mit 30 Prozent Recyclingquote bis zum Jahr 2030 zur Verfügung stehen wird. Im Ergebnis kommen die Autoren zu dem Schluss, dass nur eine Reduktion um 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr als machbar eingeschätzt wird. Der Beschränkung des Inputs in MVA und EBS-Kraftwerken steht der Kapazitätsabbau bei der Mitverbrennung in Kohlekraftwerken und bei den MBA gegenüber, in dessen Folge neue Verbrennungskapazitäten in Höhe von 3,6 Millionen Tonnen pro Jahr benötigt werden. Wenn die Importmengen von EBS gegebenenfalls um 0,5 Millionen Tonnen pro Jahr sinken, verbleiben rund drei Millionen zusätzlich erforderliche Kapazitäten. Gemäß den Berichten der ITAD und einzelner Anlagenbetreiber werden die thermischen Verwertungsverfahren derzeit am Limit mit zum Teil knapp über 100 Prozent gefahren. Nachhaltig wäre eine Fahrweise um die 90 Prozent. Damit reduziert sich die zur Verfügung stehende Kapazität weiter um eine Million Tonnen pro Jahr. Sofern der Blickwinkel der Autoren stimmt, reicht die Verringerung der Abfallmenge um 3,5 Millionen Tonnen bei Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben nicht aus, um die vier Millionen Tonnen Kapazitätsreduktion zu kompensieren. Dazu kommt, dass die größte Reduktion durch Sammlung von Bioabfällen erfolgen wird. Dies führt dazu, dass der Heizwert der Restabfälle steigen wird. Daraus folgt, dass weniger Abfall in die dampfmäßig limitierten Verbrennungsanlagen gefahren werden kann.

Deshalb ist es nach Ansicht der Autoren nicht zu verantworten, einen Abbau thermischer Verwertungskapazität zu propagieren. Selbst die Ausbauprojekte, die die Autoren realistisch bei etwa einer Million Tonnen sehen, haben ihre Daseinsberechtigung, sofern die anvisierten Vermeidungs- und Verwertungskonzepte des Gesetzgebers nicht vollumfänglich greifen.

Der ganze Artikel „Zukünftige Entwicklung der thermischen Verwertung bis 2030. Replik und Einordnung der NABU-Studie zu diesem Thema“ kann bei Tomm+C (www.tomm-c.de [1]) sowie bei der ITAD (www.itad.de [2]) angefordert werden.

(EU-Recycling 01/2020, Seite 5, Foto:  Zweckverband Abfallwirtschaft Raum Würzburg / abfallbild.de)

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