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Eiserner Klimaschutz: Einspar- und Recyclingpotenziale der Metallindustrie

Stahl- und Aluminiumhersteller verursachen rund 30 Prozent der Treibhausgase, die Industrieunternehmen weltweit freisetzen. „Wir müssen diese industriellen CO2-Emissionen reduzieren“, fordert Dierk Raabe, Direktor am Düsseldorfer Max-Planck-Institut für Eisenforschung. „Und die Metallindustrie kann dazu einen erheblichen Beitrag leisten.“ Denn sie hat zahlreiche Möglichkeiten, metallische Werkstoffe Recycling- und Klima-freundlicher zu machen.

Um den CO2-Ausstoß bei der Produktion zu senken, muss die Industrie unter anderem den Anteil an Schrott, den sie wiederverwertet, erhöhen. Der dadurch geringere Energieverbrauch greift vor allem bei Abfällen, die in der Produktion der Metallindustrie selbst anfallen; hier handelt es sich um große Mengen, die sich verhältnismäßig sortenrein trennen lassen. Zusätzlich könnten Unternehmen versuchen, die dabei auftretenden beträchtlichen Verluste zu vermindern. Beispielsweise beträgt der Ausschuss an geschmolzenem Aluminium 40 Prozent, der von Stahl immerhin 25 Prozent. Bei der Verarbeitung sollten zunehmend CO2-neutrale Verfahren zum Einsatz kommen, um die jeweiligen Erze mit regenerativ erzeugtem Strom oder möglicherweise mithilfe von regenerativ erzeugtem Wasserstoff elektrolytisch direkt zu den entsprechenden Metallen zu reduzieren. Um den Anteil von wiederverwertetem Metall erhöhen zu können, sollte Schrott besser sortiert werden. Denn eine Legierung erfüllt ihre Aufgabe nur, wenn sie nicht zu stark verunreinigt ist. Daher benötigen Recyclingunternehmen aufwändige Techniken, mit denen sie Metallmischungen identifizieren, trennen, reinigen und zerkleinern können. Bevor diese Verfahren perfektioniert und konkurrenzfähig sind, könnte die Forschung für die Metallindustrie Legierungen entwickeln, deren Eigenschaften von Verunreinigungen nicht nennenswert beeinträchtigt werden.

Einheitslegierung statt Mischlegierungen

Durch ein nachhaltiges Design verbessern sich zusätzlich die Recyclingchancen. Denn durch eine sinkende Zahl von Legierungen, die sich chemisch unterscheiden, fällt es leichter, Metallschrott zu trennen und wieder zu verwerten. In eine ähnliche Richtung zielen Anstrengungen, Crossover- oder Einheitslegierungen zu komponieren: Solche Materialmischungen sollen verschiedene Aufgaben erfüllen können, für die bislang jeweils spezialisierte Materialien entwickelt werden. Dierk Raabe: „Bislang wurden Legierungen für eine einmalige Verwendung optimiert; künftig müssen wir beim Design der Zusammensetzung und der Eigenschaften mehr und mehr auch die Wiederverwertbarkeit berücksichtigen.“ Daher gebe es Versuche, die Vielzahl an Legierungen zu reduzieren und eine Art „Einheitslegierung“ zu entwickeln: mit leichterer Sortierung und besserer Wiederverwertung.

Einspareffekte lassen sich darüber hinaus erzielen, wenn Design und Konstruktion von Werkstoffen und Bauteilen auf das jeweilige Einsatzgebiet optimiert werden. Durch Veränderung der Zusammensetzung, aber auch der Mikro- und Nanostruktur können die Festigkeit der Werkstoffe erhöht, ihre Dichte verringert oder ihre Beständigkeit gegenüber hohen Temperaturen gesteigert werden. Insbesondere der 3D-Druck schafft hier neue Möglichkeiten.

Korrosionsschutz verbessern

Eine weitere Vorgehensweise, Material, Energie und Emissionen zu reduzieren, besteht darin, Metalle an anderer Stelle weiter zu nutzen, ohne sie erst einzuschmelzen, und damit erneut ein gleiches Bauteil herzustellen. Aber auch langlebigere Metalle schonen Ressourcen, da sie weniger durch neue ersetzt werden müssen. Hier spielt der Korrosionsschutz eine wichtige Rolle: als Bremse vor herkömmlichem Rost oder anderen Formen der elektrochemischen Korrosion über Abnutzung durch starke mechanische Beanspruchung bis hin zur Versprödung durch Wasserstoff. Beispielsweise schützt schon jetzt die Industrie Metalle mit Opferanoden vor elektrochemischer Zersetzung. Materialwissenschaftler suchen zudem Legierungen, die Risse und andere Schäden selbst heilen, indem sie ihre Mikrostruktur verändern, oder entwickeln Beschichtungen, die Korrosionsschäden beseitigen oder zumindest abmildern können.

Mittelfristig auf Direktreduktion umstellen

Den Einsatz von Wasserstoff sieht Dierk Raabe kritisch. Zum einen, weil die Investitionskosten selbst für einzelne Teilbetriebe integrierter Stahlwerke und Aluminiumhütten – zum Beispiel für den Ersatz von Koks, Kohle, aber auch Biomasse oder Kunststoffmüll – so hoch sind, dass die Industrie sie sich nicht leisten kann. Für die vollständige Umstellung auf wasserstoffbasierte Verfahren wird eine Dauer von zehn bis zwölf Jahren veranschlagt und die Verteuerung auf 30 Prozent geschätzt – ohne Einpreisung der CO2-Verteuerung. Dabei könnte die Produktion mittelfristig auf eine Direktreduktion umgestellt werden, wobei körnige Oxidpellets aus Minen nach der Erzaufbereitung als Festkörper in einen Ofen gefüllt und direkt mit Methan umgesetzt werden – ein Verfahren, das in Ländern mit preiswertem Methan-Aufkommen längst praktiziert wird. „Die schlechteste aller Lösungen wäre, wenn die Metallproduktion aus Europa verschwände und wir nicht-nachhaltig erzeugte Metalle aus Staaten außerhalb der EU einkaufen würden“, erklärt der Düsseldorfer Eisenexperte und fügt hinzu: „Europa braucht eine eigenständige und nachhaltige Metall-erzeugende und -verarbeitende Industrie, nicht zuletzt weil es hier auch einen gigantischen Markt von etwa 400 Milliarden Euro pro Jahr gibt.“

Anreize für Schrottkreisläufe schaffen

Um das zu gewährleisten und zu fördern, sollten bei politischen Entscheidungen in jedem Fall gesetzgeberische Maßnahmen wie etwa Förderungen oder Verbote über komplette Lebenszyklen hinweg analysiert werden. Noch immer sei es für viele Unternehmen viel preiswerter, sich neues Material am Markt zu kaufen anstatt geschlossene Schrottkreisläufe aufzubauen. Raabe: „Hier etwa steuerliche Anreize für frühzeitig getrennte Schrottkreisläufe zu schaffen, würde viel mehr bringen, als nur Kaffeekapseln oder Schokoladenpapiere zu sammeln, die wir als Verbraucher produzieren.“

Darüber hinaus besteht Forschungsbedarf, um zu erkunden, wie wenig rein ein Material sein muss, damit der Schrottanteil in der Produktion erhöht werden kann. Beispielsweise verwendet das Baugewerbe für Dachplatten, Verkleidungen, tragende Elemente oder Aufzüge Aluminiumlegierungen, die mit der Aluminium-Mangan-Legierung von Getränkedosen verwandt sind. Eventuell lässt sich also Dosenschrott auch für den Bau verwenden.

Ein ausführlicher Artikel zum Thema wurde unter www.nature.com/articles/s41586-019-1702-5 [1] publiziert.

(EU-Recycling 01/2020, Seite 40, Foto: Marc Weigert)

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