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Klärschlamm­verwertungsbranche: Auf der Suche nach einer neuen Infrastruktur

Verschärfte rechtliche Anforderungen zwingen die Akteure in der Klärschlamm-Entsorgung und -Verwertung zu neuen Entsorgungskonzepten und -verfahren. Mit welchen Problemen und Schwierigkeiten die Branche dadurch konfrontiert wird, machte die 2. Berliner Klärschlammkonferenz am 4. und 5. November 2019 deutlich. Die Tagungsbeiträge sind im Folgenden in Kurzmeldungen wiedergegeben.

Nach Ansicht der Bundesregierung stehen die Klärschlammerzeuger – zwei Jahre nach der Novelle der entsprechenden Verordnung – vor einer grundsätzlichen Planung zur Neuausrichtung der künftigen Klärschlamm­entsorgung. Für den Bund liegt dabei der Fokus auf der bundeseinheitlichen Umsetzung und Auslegung der Anforderungen im Vollzug und der zügigen Weiterentwicklung und Umsetzung der Verfahren zur Phosphor-Rückgewinnung. | Für die laufende Bearbeitung der entsprechenden LAGA-Vollzugshilfe gehören Abbau von Klärschlammkompost, materialbezogene Untersuchungspflichten, Anzeigepflicht nach § 16 AbfKlärV, Berichtspflicht, Ausbaugröße sowie Phosphat-Rückgewinnung zu den aktuellen Fragestellungen. | Im stark landwirtschaftlich geprägten Norddeutschland hat die neue Gesetzgebung zu erheblichen Entsorgungsengpässen geführt und die langfristige Entsorgungssicherheit gestört. Kurzfristige Lösungen und eine Vielzahl von Informationen und Konzepten wurden in den letzten Jahren erarbeitet, doch ist in nächster Zukunft keine Entspannung zu erwarten.

Empfehlenswert: Kooperationen

Angesichts hoher Investitionen und Betriebskosten empfiehlt sich für Abwasser-Dienstleister eine Kooperation. Dabei bietet sich neben einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft auch eine Öffentlich-Öffentliche (interkommunale) Kooperation an; Beispiele liefern die Klärschlamm-Kooperationen Ostwestfalen-Lippe, Wuppertal und Rheinland sowie jene von Hamburg Wasser mit Remondis. | Rechtlich werfen solche Kooperationen Fragen auf, wenn bei ihrer Bildung öffentlich Beteiligte als Auftraggeber fungieren, die die Behandlung von Klärschlämmen oder die Phosphor-Rückgewinnung nicht öffentlich ausschreiben, sondern ausschreibungsfrei miteinander kooperieren wollen. | Die privatrechtliche Ausgestaltung einer (interkommunalen) Klärschlamm-Kooperation bietet größere Flexibilität, schnelle Anpassungsmöglichkeiten, effektivere Aufgabenlösungen sowie fehlende staatliche Aufsicht.

Bei Genehmigungsverfahren für geplante Klärschlamm-Verbrennungen sind Schaffung eines Vorhabenträgers, Suche nach einem Standort, Festlegung eines gut vorbereiteten Erörterungstermins, Einhaltung von Vorgaben zu Immissionsschutz, Natur- und Artenschutz sowie Umweltverträglichkeit ebenso wie eine mögliche Mediation zu berücksichtigen. | Bei Verbrennungsanlagen für Klärschlämme schlägt die Abfallrahmenrichtlinie nicht auf das Emissionshandelsrecht durch. Mit Hinblick auf das Treib­hausgas-Emissionshandelsgesetz wird die Verbrennung von Klärschlämmen aus kommunalen Abwasser-Behandlungseinrichtungen nicht von der AbFRRL erfasst.

Jede Umsetzung ist ein Puzzle

Aus verwaltungsrechtlicher Sicht stehen einer Genehmigung von Klärschlamm-Verbrennungsanlagen nicht nur Hürden in Form von §18 Betriebssicherheits-Verordnung, FFH-Verträglichkeit, Planungsrecht, Immissionschutz- und Wasser-Recht sowie öffentlicher Beteiligung im Wege: Da allen Berechtigten der Rechtsweg offen steht, können Behörden wie Antragsteller nicht sicher über den Verfahrensausgang sein, sondern müssen mit Unwägbarkeiten rechnen. | Die richtige Lösung für eine Entsorgungsanlage zu finden, ist für Klärschlammerzeuger ein langer, individueller Weg, der in einer (Mono-)Klärschlammverbrennung, einer Kooperation oder dem Einkauf einer Verbrennungskapazität bestehen kann. Jede Umsetzung ist ein Puzzle aus Faktoren, die erst am Ende ein fertiges Bild ergeben. | Die Klärschlammentsorgung unterliegt dem Wasserrecht, sofern ein Zusammenhang mit der Entwässerung besteht, und dem Abfallrecht, falls ein gewisser Grad an Entwässerung erreicht wurde und abfallrechtliche Nachweispflichten mit sich bringt. Eine präzise Einstufung der zu erwartenden Klärschlämme ist daher eine schwierige und keineswegs gering zu schätzende Voraussetzung für weitere rechtliche Schritte. | Um einen drohenden Entsorgungsnotstand zu vermeiden, stehen für die betroffenen Akteure die rechtmäßige zeitweilige oder längerfristige Zwischenlagerung von Klärschlämmen sowie deren grenzüberschreitende Abfallverbringung zur Disposition. Allerdings sind im ersten Fall die jeweiligen Genehmigungsverfahren der deutschen Bundesländer zu berücksichtigen; im Fall der Verbringung ins europäische Ausland bedarf es eines Notifizierungsverfahrens.

Bis zu 90 Prozent Trockensubstanz

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Photo: kubinger / Pixabay

Das neue Merkblatt DWA-M379 basiert auf umfassenden Betriebserfahrungen aus der Praxis der Klärschlammtrocknung. Es beschreibt, wie thermische Trocknung, Bandtrockner und thermo-solare Trocknung zur Herstellung von hochkalorischen, lagerungsfähigen, biologisch inaktiven, keim- und staubfreien Endprodukten eingesetzt werden können. | Durch eine Kombination von Thermodruck-Hydrolyse und Bandtrocknung lassen sich über eine bessere Drainage die Investitionskosten um 20 bis 30 Prozent senken. Durch höheren Biogas-Ausstoß und geringeren Energieverbrauch ist eine Steigerung der Energieproduktion um bis zu 20 Prozent möglich. Die Verwendung eines Bandtrockners mit Zu- sowie Abluftsystem und einer internen Wärmerückgewinnung realisiert eine quasi-abwasserfreie Klärschlammtrockung – vorteilhaft für Standorte mit fehlender oder mangelnder Abwasserbehandlung. | Durch Einsatz eines CLS-Dampftrockners mit geschlossenem Dampfkreislauf für Klärschlämme und Gärreste mit hohem Wassergehalt lassen sich die Einsatzstoffe bis zu einer Trockensubstanz von über 90 Prozent entwässern. Mithilfe interner Dampfkreislauf-Führung und Rückgewinnung der Trocknungsenergie kann konzeptgemäß bis zu 75 Prozent der durchschnittlich benötigten Energie eingespart werden.

Mono- statt Mitverbrennung

Derzeit ist Mitverbrennung noch der effizienteste und kurzfristig optimierbare Weg zur Verwertung von Klärschlamm. RWE setzt jedoch zukünftig auf die Weiterentwicklung der thermischen Klärschlammtrocknung, eine Einschätzung von Monoverbrennungsanlagen sowie die intensivierte Nutzung der Möglichkeiten zur Phosphorrückgewinnung. | Bei der thermischen Klärschlammverwertung stellen die mit einer Abfallverbrennungsanlage gekoppelte Drehrohrtechnologie und die eigenständige Wirbelschicht-Verbrennungsanlage nach vorheriger Trocknung und Rauchgasreinigung den Stand der Technik dar. Die partielle oder komplette Verwertung von Brüden in der Wirbelschichtfeuerung gehört zu den Neuerungen. Angesichts fehlender Verbrennungskapazitäten für Klärschlämme sind bei der Erarbeitung innovativer Konzepte und Strategien ökonomische Nachhaltigkeit, geeignete Standortfindung, gute Transportlogistik, richtige Technologieauswahl und die Nutzung vorhandener Peripherien von ausschlaggebender Bedeutung. Beispiele von Monoverbrennungsanlagen in Utena (Litauen), Halle-Lochau (Deutschland) und Tubli (Bahrain) präsentieren sich als erfolgversprechende Alternativen zur landwirtschaftlichen Nutzung.

Mit Paddelofen, Staubbrenner oder Klärschlamm-Reformer

Eine innovative Monoverbrennungstechnik als Alternative zur Wirbelschichtbehandlung stellt der Michaelis-Paddelofen dar: Er hält die gesetzlichen Ausbrand- und Emissions-Vorgaben ein, ist unempfindlich gegenüber Heizwert-Schwankungen, macht eine Mitverbrennung mit anderen Abfallstoffen möglich und erweist sich günstig für die weitere Verarbeitung von Phosphor oder Zink. | Auch der patentierte Staubbrenner von Carbotechnik zeigt sich gegenüber Qualitätsschwankungen des Aufgabematerials weitgehend unempfindlich und bietet Vorteile für späteres Phosphorrecycling. Mithilfe des Staubbrenners steht hier ein System zur Verfügung, das praktisch beliebig skalierbar ist und auch auf kleinen Anlagen ab etwa 7.000 Tonnen jährlich mit 25 Prozent Trockensubstanz wirtschaftlich zu betreiben ist. | Für ein Konzept zur dezentralen thermischen Klärschlammverwertung für Anlagen zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnerwerten empfiehlt sich neben solarer, abwärmeunterstützter Trocknung und einem Bandtrockner die Verwendung eines Klärschlamm-Reformers zur thermochemischen Umsetzung des Materials in einem mehrstufigen Verbrennungsprozess. Der Vorteil: eine Massenreduktion um 80 bis 90 Prozent und eine Phosphat­aufkonzentrierung in der Asche von 15 bis 20 Prozent. | Die thermochemische Konversion von Klärschlamm durch Vergasung dient der Rückgewinnung von Phosphor. Im so genannten Wöhler-Verfahren wird eine Mischung aus Phosphaterz, Kohlenstoff und Quarzkies – oder vergleichbar Klärschlamm oder seine Asche – in einen Elektrolichtbogenofen eingeführt; als Resultat lässt sich Phosphat in Form von marktgängiger Phosphorsäure sowie ein hochwertiges Synthesegas gewinnen.

Lachgas- und Brüdenbildung reduzieren

Die Verbrennung von Klärschlamm befördert durch dessen Anteil an flüchtigem Stickstoff die Möglichkeit der N2O-Bildung (Lachgas). Untersuchungen haben ergeben, dass eine höhere Korngröße des Klärschlamms zu einem höheren Abbrand und ein reduzierter Strom an Luftvolumen zu höherer Verweilzeit und damit zu einer Lachgas-Reduzierung führen. Weitere Indikatoren könnten Aufteilung der Verbrennungsluft, höhere Temperatur im Freiraum, größere Partikelgröße und der zu hohe Sauerstoffgehalt im Abgas sein. | Während in Deutschland Abgasfilter zur Kontrolle von Feinstaub und Schwermetallen zum Einsatz kommen, wird in den Vereinigten Staaten zum Einhalten der Emissionsziele eine Kombination aus Verbrennungstechniken, einem erweiterten multiplen Venturi-Naßreiniger und einem Katalysator mit einem Modul zur Quecksilber-Sorption verwendet, der ein fixiertes Kohlenstoff-imprägniertes Polymer benutzt. | Für die Behandlung von Brüden – dampfhaltiges Abgas aus der Trocknung von Klärschlamm – stehen als Verfahren direkte Mitverbrennung, Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Abgasdämpfe durch Modifizierung des Trocknungsprozesses, Wiedergewinnung des Kondensats, weitere Behandlung zur Übergabe an das Abwassersystem oder Nutzung als Prozesswasser innerhalb der Anlage zur Verfügung. Die Auswahl hängt von Standort und Randbedingungen der Verbrennungsanlage ab.

Fragliche Paragraphen und Formulierungen

Im Jahr 2018 startete das BMBF die Fördermaßnahme Regionales Phosphor-Recycling (RePhoR). Für die Förderung von Projekten sind ein regionaler Ansatz, die Orientierung auf eine großtechnische Phosphat-Rückgewinnung, eine akzeptable Qualität der zu erwartenden Rezyklate sowie eine möglichst wirtschaftliche und nachhaltige Ausrichtung der Forschungen gefragt. Die Konzeptphase für die besten 19 Ideen begann im Februar 2019. | Die Vielzahl nationaler und europäischer Vorschriften und Vorgaben zur Phosphor-Rückgewinnung aus Asche schränkt die Auswahl möglicher Verfahren stark ein. Der rechtliche Rahmen ist nicht sauber auf Betriebe zur Klärschlamm-Behandlung zugeschnitten; etliche fragliche Paragraphen und Formulierungen sollten zukünftig verbessert werden. Zudem sollte die Phosphor-Rückgewinnung von der Nachfrageseite (Düngemittelindustrie, Landwirte) und nicht von der Angebotsseite (Klärschlamm-Behandlungsanlagen) reguliert sein, da sonst Produkte entstehen, für die aktuell kein Markt besteht.

Das veränderte Dünge- und Abfallrecht wird den Rückgang der Klärschlamm-Ausbringung und damit den Verlust an Nährstoffpotenzialen weiter befördern. Daher sollte die Rückgewinnung solcher Inhaltsstoffe nicht ausgeschlossen und wenigstens Anreize für eine Wiedergewinnung von weiteren Nährstoffen – neben denen für Phosphor – geschaffen werden, auch wenn diese nur einen Bruchteil des eingesetzten Mineraldüngers substituieren können. | Eine Bestandsaufnahme von aktuellen Verfahren und der gegenwärtigen Situation der Phosphor-Rückgewinnung ergab, dass die Bedingungen, die der rechtliche Rahmen vorgibt, nicht immer sauber ausgelegt werden können. So zielt beispielsweise die verbesserte AbfKlärV auf einen Abbau und auf keine Wiedergewinnung von Phosphat. Außerdem sollte neben der Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasserströmen auch jene aus anderen agrarischen Reststoffströmen berücksichtigt werden.

Wirtschaftlichkeit auf dem Prüfstand

Langfristig wird in Europa die Quote der Klärschlammverbrennung steigen und auch den Anteil technischer Phosphor-Rezyklate nach und nach erhöhen. Doch noch fehlt es an Anreizen, diese Materialien anzuwenden, zumal rein rechtlich die rückgewonnenen Stoffe gegenüber primären Rohstoffen diskriminiert sind. Und zunächst dürften die größten Rezyklatmengen als Intermediate zur Herstellung etablierter Endprodukte Einsatz finden. | Für Düngemittelhersteller und -händler sind Aschen aus der Klärschlammverbrennung ein guter Rohstoff, der den Anforderungen der Düngemittelverordnung genügt und keine aufwändige Reinigung benötigt. Während das bisherige Rhenania-Verfahren zum Aufschluss von Aschen in den 1970er Jahren unökonomisch wurde, ist das moderne Rhenania-Verfahren ebenso einfach und effizient, greift aber auf langfristig sichere und kostengünstig verfügbare Rohstoffe zu. Allerdings schlagen die Kosten des Additivs Natriumcarbonat und die kurze Abschreibungsdauer zu Buche.

Struvit als pflanzenverfügbarer Dünger ist das einzige Rezyklat, das aus der Behandlung von Abwasser und Klärschlamm für den Markt von Phosphat-Produkten zu Verfügung steht. Jedoch ist die aus Abwasser zu gewinnende Menge sehr gering, und die Qualität unterschiedlich. Außerdem kann Struvit nicht direkt auf dem Feld eingesetzt werden, sondern muss aufbereitet werden und erfordert Transport, Lagerung und Produktion. Aufgrund der geringen Mengen sind damit – ohne dass ein neuer Markt geschaffen wird – keine nennenswerten Erlöse zu erzielen.

Dass die Verarbeitung von Klärschlammaschen im industriellen Maßstab Sinn macht, zeigt ICL Fertilizers in seinen Anlagen in Amsterdam und Ludwigshafen. Zwar hat das Unternehmen neben den Vorgaben der Düngemittelgesetzgebung mit immissionsschutz- und abfallrechtlichen Auflagen und Problemen beim Inputmaterial zu kämpfen. Dennoch ist das Unternehmen einziger deutscher Produzent von Superphosphat und teilaufgeschlossenem Rohphosphat mit einer Kapazität von rund 250.000 Tonnen jährlich.

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Ein Vademecum

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Abb.: TK Verlag

Es ist ein Verdienst des Tagungsbandes nachzuzeichnen, wie neue politische Rahmenbedingungen die Entsorgungssituation in Deutschland radikal bis hin zu Entsorgungsengpässen geändert haben oder noch ändern werden. Und zu illustrieren, wie die gravierenden rechtlichen Änderungen für die Branche der Klärschlamm-Entsorger und -Verwerter bis zum Umbau der bisherigen Organisationsformen führen können oder müssen. Gleichzeitig ermöglicht der Band den Betroffenen, sich auf die neuen rechtlichen Bedingungen für Genehmigungsverfahren, Zulassungen oder Vertragsabschlüsse einzustellen oder Übergangslösungen zu finden. Darüber hinaus präsentiert sich „Verwertung von Klärschlamm 2“ als Kompendium zur Vorstellung neuer Verfahren und Instrumente zu Trocknung, Verbrennung sowie Abgas- und Abwasserreinigung. Und es kümmert sich um die zentrale Frage der Rückgewinnung von Phosphor, die unter rechtlichen, technischen und ökonomischen Aspekten betrachtet wird. „Deutschland baut eine neue Infrastruktur für die Klärschlammverwertung“, heißt es im Vorwort des Tagungsbandes. Ein besseres und aktuelleres Vademecum zum Thema als dieses Fachbuch des Thomé-Kozmiensky Verlags (www.vivis.de/fachbuecher/abwasser-und-klaerschlamm/ [3]) dürfte der Branche wohl kaum zur Verfügung stehen.
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(EU-Recycling 02/2020, Seite 26, Foto: cpt212 / stock.adobe.com)

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