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Die Novelle des Batteriegesetzes: Chance zum Wandel vertan?

Am 1. Dezember 2009 trat das Batteriegesetz als deutsche Realisierung der EU-Altbatterierichtlinie 2006/66/EG in Kraft. Seitdem hat sich der Markt für Altbatterien in mehrfacher Weise geändert, sodass im Gesetz verschiedene Schwachstellen deutlich und teilweise geändert wurden. Ein jetzt vorliegender Referentenentwurf soll die Rechtsprechung auf den aktuellen Stand bringen. Inwieweit reagiert die Novelle auf die heutigen Marktanforderungen?

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bedauert, dass die Novelle nach jetzigem Stand kein Gemeinsames Rücknahmesystem mehr vorsieht, an das grundsätzlich alle Sammelstellen für Altbatterien der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) angeschlossen sind. Die Möglichkeit für örE, freiwillig zu einem herstellereigenen System zu wechseln, habe für Rechtssicherheit gesorgt. Nun würden die fünf herstellereigenen Rücknahmesysteme (hRs) um „attraktive“ Sammelstellen konkurrieren, und die Bedienung abgelegener Sammelstellen mit geringer Tonnage werde eher vernachlässigt.

Nur die geringstmögliche Sammelmenge
Ebenso vermisst der VKU einen Ausgleichsmechanismus für den nicht auszuschließenden Fall, dass ein hRs eine höhere Batterie-Sammelquote als zulässig erzielt. Es fehle im Entwurf an Anreizen für die hRs, eine möglichst hohe Sammelmenge an Geräte-Altbatterien zu generieren und keine Mengen zurückzuweisen. Diese Meinung teilt der bvse und kritisiert, dass der neue Referentenentwurf primär die Tendenz zum Wettbewerb um die geringstmögliche Sammelmenge von Altbatterien fördert. Für seine Mitgliedsunternehmen sei die Gewährleistung einer flächendeckenden, kostenfreien und zügigen Abholung der bei ihnen anfallenden Geräte-Altbatterien von zentraler Bedeutung. Der Paradigmenwechsel von einer Solidargemeinschaft mit einem gemeinsamen Rücknahmesystem zu einem reinen Wettbewerbssystem zwischen wenigen Marktakteuren werde „große umweltpolitische Rückschritte bringen“.

Keine Anreize
Durch den Wegfall von weniger lukrativen Sammelstellen seien ein ausgedünntes Sammelsystem und längere Wege für den Endverbraucher zu erwarten. „Der Gesetzgeber soll seine politische Zielsetzung zu höheren Sammelquoten, die er bereits in seinen Ausführungen zur Circular Economy und in der Rohstoffstrategie vom 15. Januar definiert hat, konsequent weiter verfolgen“, fordert Bernhard Jehle, Vorsitzender des bvse-Fachverbands Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling. In diesen Zusammenhang gehört auch der Vorschlag von GRS und CCR für eine Koordinierung der Rücknahmesysteme durch die Einrichtung einer Clearing-Stelle, um für die über die Mindestsammelziele hinausgehenden Mengen einen finanziellen Ausgleich zu finden. Käme dieser Lastenausgleich nicht zum Tragen, würde für die Sammelsysteme kein Anreiz bestehen, Altbatterien über die 45 Prozent-Marke hinaus zu erfassen.

65 statt 45 Prozent
Ohnehin wird die im neuen Gesetzentwurf unveränderte Sammelquote von 45 Prozent (alte gegen neue Batterien) als überholt angesehen. Mit der bestehenden Sammelphilosophie werde diese Quote nicht erreicht: Sondern es könne ein Wettbewerbssystem „nur dann ressourcenpolitische Effekte entwickeln, wenn es tatsächlich einen Wettbewerb um die höchstmögliche Sammelmenge bewirkt“, ist Bernhard Jehle überzeugt. Und fordert daher eine Sammelquote von 65 Prozent für Geräte-Altbatterien im herstellereigenen System. Diese Kritik teilt auch die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz. Ihrer Ansicht nach wird die niedrige gesetzliche Sammelquote von nur 45 Prozent in Deutschland mit 47,7 Prozent knapp übererfüllt, sodass zukünftig keine Anreize für Rücknahmesysteme bestehen, mehr Batterien von den Sammelstellen abzuholen. „Jede über der gesetzlichen Mindestquote abgeholte Batterie kostet die Rücknahmesysteme unnötig viel Geld. Deshalb werden Sammelstellen bewusst schlecht bedient und bleiben im Zweifelsfall sogar auf den Batterien sitzen.“ Die DUH plädiert daher für eine Anhebung der gesetzlichen Sammelquote für Gerätebatterien auf 65 Prozent ab 2021 und 85 Prozent ab 2023. Belgien habe bereits 2017 eine Sammelquote von 60,6 Prozent und Polen eine Quote von 66 Prozent erreicht.

Verschiedene Batterietypen berücksichtigen
Doch es sind nicht nur die Quantitäten der Batteriesammlungen, die geändert werden sollten: Auch auf die Materialbeschaffenheiten der unterschiedlichen Batterietypen müsste nach Ansicht von Experten mehr Augenmerk gelegt werden. So bemängeln die Autoren der Webseite batterie.de, dass die Quoten-Anforderungen an die stoffliche Verwertung der verschiedenen Batterietypen mit 75 Prozent für Nickel-Cadmium-Batterien, 65 Prozent für Blei-Säure-Batterien und 50 Prozent für alle übrigen Batteriesorten vergleichsweise zu niedrig angesetzt seien, auch wenn in der Praxis bestimmte Typen bis zu 100 Prozent den Weg in die Verwertung fänden. In die gleiche Richtung argumentiert auch Barbara Metz: „Die gesetzliche Sammelquote muss nicht nur dringend erhöht, sondern auch für verschiedene Batterietypen separat vorgegeben werden. Andernfalls würden weiterhin verstärkt schwere Blei-Säure-Batterien anstelle von beispielsweise Nickel-Cadmium- oder Lithium-Ionen-Batterien gesammelt.“

Ressourcenbezogene Quoten festlegen
Das kann Accurec-Geschäftsführer Reiner Sojka nur unterstreichen. Da der Markt für Batterien wie auch für Batterietechnologien einem massiven Wandel unterliegt, müssten die rechtlichen Vorgaben an die gegebenen Marktbedingungen angeglichen werden. Habe man anfangs auf die Trennung schadstoffhaltiger Batterien mit den Schwermetallen Blei, Cadmium und Quecksilber aus dem Hausmüll Wert gelegt, seien heute insbesondere Lithium-Ionen-Zellen von Bedeutung. Das erfordere die Festlegung von „ressourcenbezogenen Quoten“, die auf Kobalt, Lithium und Graphit abstellen und entsprechend gekennzeichnet sein sollten. Das genügt der Deutschem Umwelthilfe nicht. Um die falsche Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien und die daraus folgende Verursachung von Bränden zu unterbinden, fordert die DUH, ein Pfandsystem zur Rückgabe von Lithiumbatterien mit hoher Speicherkapazität, wie etwa Akkus aus Laptops, Elektrowerkzeug und E-Scootern, einzuführen; eine Pfandhöhe von 50 Euro gebe einen ausreichenden Anreiz zur gesonderten Rückgabe. Dieser Aspekt werde bislang im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt.

Industriebatterien separat überwachen
Die DUH will noch einen Schritt weiter gehen. Ihr fehlen in der Gesetzesnovelle neben verpflichtenden Ökodesignvorgaben für alle Batterietypen auch konkrete Sammelziele für Industriebatterien, für die derzeit weder eine amtliche Sammelstatistik noch ein Sammelziel existieren. Dem pflichtet auch Reiner Sojka bei. Während für Gerätebatterien Sammel- und Recyclingziele gelten, gebe es für in Verkehr gebrachte Industriebatterien weder Zahlen noch eine Überwachung. „Die Behauptung, dass eine nahezu 100-prozentige Erfassung der Industriebatterien aufgrund ihrer gewerblichen Anwendung und damit Entsorgung stattfindet, reichte aus, dieses bis 2010 unbedeutende Marktsegment aus den Augen zu verlieren“, empört sich der Accurec-Geschäftsführer. Dabei hätten sich die Mengen mit dem Durchbruch der Lithium-Ionen-Technik dramatisch verändert: In 2019 übertrafen die verkauften Industriebatterien die Gerätebatterien um fast 50 Massenprozent – Tendenz steigend. Um die Sammelquoten für Industriebatterien zu erhöhen, schlägt Sojka eine klar definierte Rücknahmestelle vor, empfiehlt eine vorgeschriebene Sammelquote von 80 Prozent und plädiert für die Einführung einer Pfandpflicht für Lithium-haltige Batterien. Außerdem dringt er auf eine marktgerechte Definition der bislang bestehenden Kategorie „Geräte- und Industriebatterien“, der zufolge die Unterscheidung von Geräte- und Industriebatterien überdacht und eventuell aufgegeben wird.

Keine Sicherung bei Wegfall
Der bvse macht in seiner Stellungnahme zur Novellierung des Batteriegesetzes auf ein weiteres Problem aufmerksam: die fehlende Sicherheitsregelung für den Fall, dass ein herstellereigenes Rücknahmesystem und damit die mit ihm angeschlossenen Hersteller wegfallen. „Diese Regelung, die noch im Arbeitsentwurf vorgesehen war, dürfte gerade auch im Interesse der Rücknahmesysteme selbst sein“, betont Bernhard Jehle, denn bei Wegfall eines Systems müssen die anderen seinen Anteil an Geräte-Altbatterien auf eigene Kosten zurücknehmen. Im neuen Referentenentwurf seien jedoch wirksame Instrumente zur Durchsetzung der Herstellerpflicht – beispielsweise eine Malusregelung bei Nichterfüllung der Sammelmenge – nicht vorgesehen. Ebenso wenig besteht nach Darstellung der Info-Webseite batterie.de ein standardisiertes Feststellungsverfahren, das die Erfüllung der vorgeschriebenen Voraussetzungen zur Marktteilnahme überprüft, oder ein Widerrufsverfahren im Fall mangelnder oder sich ändernder Voraussetzungen.

Tricksereien trotz Rücknahmeverpflichtung
Zudem enthalte das Batteriegesetz ein Schlupfloch bei der Berechnung der Sammelquote, warnt Philipp Sommer, Stellvertretender DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft. Denn nach den Plänen des Bundesumweltministeriums soll beim Wechsel eines Herstellers zu einem anderen Rücknahmesystem nur die vom Hersteller ab dem Zeitpunkt des Wechsels in Verkehr gebrachte Menge dem neuen System zugerechnet werden. Die Rücknahmeverpflichtung für die in den beiden Vorjahren vom Hersteller in Verkehr gebrachte Menge verbleibt beim vorherigen Rücknahmesystem. Tritt dieses jedoch aus dem Markt aus, entfällt auch die Rücknahmeverpflichtung für diese Mengen. Deshalb sei es dringend erforderlich, dass beim Wechsel eines Herstellers zu einem anderen Rücknahmesystem auch die in den Vorjahren in Verkehr gebrachten Mengen beim neuen System angerechnet werden. Sonst könnten laut DUH neu gegründete Rücknahmesysteme, die nach Ablauf einer Übergangsregelung aktiv werden und im Folgejahr den Markt wieder verlassen, ihre faktische Rücknahmeverpflichtung auf 15 Prozent reduzieren. „Tricksereien werden Tür und Tor geöffnet.“

E-Commerce-Plattformen einbeziehen
Hierzu gehört auch, dass keine produktorientierte Regelung zu E-Commerce-Plattformen hinsichtlich Produzentenverantwortung besteht. „Eine fehlende Haftung für E-Commerce-Marktplätze führt dazu, dass vor allem ausländische Anbieter, die ihre Waren darüber vertreiben, sich nicht an der Entsorgung beteiligen“, bemängelt der bvse. Und fordert, dass E-Commerce-Plattformen in die Pflicht genommen werden, vor Aufnahme des Marktteilnehmers zu prüfen, ob der Inverkehrbringer eine Registrierung besitzt und dafür haftet.

Positive Änderungen
Zweifelsohne enthält der Referentenentwurf zum novellierten Batteriegesetz auch eine Reihe positiver Änderungen. So weist das Elektro(nik)-Rücknahmesystem take-e-way auf die ersatzlose Streichung der Sonderstellung des ehemaligen Gemeinsamen Rücknahmesystems Batterien hin, definiert den Auftraggeber als registrierungs- und lizenzierungspflichtigen Hersteller, erlaubt ausländischen Herstellern ohne Niederlassung in Deutschland die freiwillige Bestellung eines Bevollmächtigten und räumt freiwilligen Sammelstellen von Gerätealtbatterien das Recht ein, eine kostenfreie Abholung von Gerätealtbatterien bei einem hRs einzufordern. Die Rücknahmesysteme werden verpflichtet, Anreize zu schaffen, um bei der Herstellung von Gerätebatterien die Verwendung von gefährlichen Stoffen zu minimieren, und Aspekte der Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit sowie Recyclingfähigkeit zu berücksichtigen. Und Accurec begrüßt die vorgesehene verbesserte Transparenz der Herstellerregistrierung, befürwortet vorgesehene striktere Kontrollen für in Verkehr gebrachte Batteriemengen und unterstützt den Versuch, die ausufernde Ungleichheit wirtschaftlicher Belastung von Rücknahmesystemen zu nivellieren. Und der bvse bewertet positiv, dass nun – auch beschädigte – Geräte-Altbatterien durch die angeschlossenen herstellereigenen Rücknahmesysteme innerhalb einer 14-Tage-Frist unabhängig von Beschaffenheit, Art, Marke oder Herkunft unentgeltlich abzuholen sind.

Die Chance vertan?
Dennoch sind angesichts etlicher Mängel und offener Fragen Zweifel angebracht, ob der Gesetzesentwurf in dieser Form regeln kann, was er regeln soll. Denn – um mit den Worten des Accurec-Geschäftsführers Reiner Sojka zu sprechen – das größte Interesse der Politik sollte darin liegen, die Sammelmengen aller Batterien zu erhöhen und die Zahl falsch entsorgter Batterien möglichst zu minimieren. Dies gelinge nur mit einem effizienten Vollzug. Doch: „Die Novelle des Batteriegesetzes ist die Chance, dem Wandel gerecht zu werden. Dies ist mit dem jetzt vorgelegten Entwurf nicht möglich.“ Die Deutsche Umwelthilfe hält den Entwurf des Batteriegesetzes sogar für eine „Bankrotterklärung an den Umweltschutz“.

(EU-Recycling 04/2020, Seite 18, Foto: Dr. Jürgen Kroll)

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