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Business as Unusual gefordert: Band 13 von „Recycling und Sekundärrohstoffe“ erschienen

Sekundärrohstoffe gewinnen zunehmend an Bedeutung hinsichtlich Ressourcensicherung, heißt es im Vorwort zu Band 13 einer Buchreihe, die aus diesem Grunde ab jetzt unter dem Titel „Recycling und Sekundärrohstoffe“ firmiert. Dieser aktuell erschienene Tagungsband des Thomé-Kozmiensky-Verlags enthält die Vorträge der Berliner Recycling- und Sekundärrohstoff-Konferenz, die – noch vor Ausbruch der Corona-Epidemie – am 3. und 4. März in Berlin stattfand.

Umwelt möglichst wenig schädigen
Etliche Beiträge unter der Rubrik „Rahmenbedingungen“ gehen weit über das hinaus, was man sich aus juristischer oder politischer Perspektive darunter vorstellen könnte. So wird hier beispielsweise in einem Vortrag nach den vielfältigen einflussgebenden Parametern gefragt, die die jetzige Gesellschaft zu einer nachhaltig handelnden machen könnten. Ein anderer Artikel untersucht, wie sich vorhandenes Einkommen so in Konsum umsetzen lässt, dass die Umwelt möglichst wenig geschädigt wird. Sein Verfasser kommt zum auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnis, dass jenes Produkt am ökologisch sinnvollsten gekauft wird, das – gemessen an der Umweltbelastung – am meisten kostet. Und eine Arbeitsgruppe innerhalb der Circular Economy Initiative Deutschland rät mit Hinblick auf die Kreislauffähigkeit von Lithium-Ionen-Batterien, schon heute mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen und der Errichtung von Rücknahme-, Reuse- und Recycling-Strukturen zu beginnen – und zwar als „Business as Unusual“.

Nicht jedes Recycling ist ökologisch sinnvoll
Die Rubrik wird ergänzt durch einige wirtschaftliche Analysen, die zum Beispiel den Beitrag der Circular Economy zur Minderung der Rohstoffkritikalität beziehungsweise der Steigerung der Versorgungssicherheit beleuchten, untersuchen, inwieweit Elektroautos mit neuen Technologien, aber auch anspruchsvollen Komponenten und Materialien den Anforderungen der Circular Economy entsprechen, und hinsichtlich Klimarelevanz von Primär- und Sekundärmetallen klarstellen, dass nicht jedes Recycling oder Closing-the-Loop unter ökologischen Kriterien sinnvoll erscheint.

Elaborierte Sortiertechnik gesucht
Die Session „Kunststoffe“ startete mit einem Vortrag, der die Realität bei Sortierung und Recycling dieses Materials zeigte: zurückgehende Langlebigkeit und Reparierbarkeit, Nutzung nur kleiner Mengen von Monostoffen sowie steigende Produktions- und Abfallmengen. Die Autoren kommen aber auch zu dem Schluss, dass sich die Bedingungen in den nächsten Jahren so verändern, dass der Einsatz von Sekundärrohstoffen in allen Bereichen „schon rein wirtschaftlich sinnvoll sein“ werden. Verständlicherweise muss dann eine elaborierte Sortiertechnik zur Verfügung stehen, um die sich mehrere Tagungsbeiträge drehten. Sie behandelten die Recyclingfähigkeit neuer Materialien, untersuchten Entwicklungen im Bereich von Closed-Loop-Recycling, stellten Tracer-Based Sorting vor und boten einen Überblick über Chemisches Recycling, darunter das ReOil-Verfahren und der Prozess der Katalytischen Tribochemischen Konversion (CTC).

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Abb.: TK Verlag

Auf dem Weg zu „Metallrecycling 4.0“
Das Kapitel „Metalle und Elektronikschrott“ präsentiert eine Reihe von Verfahren zur Aufbereitung dieser Materialien zu Sekundärrohstoffen. Sie betreffen das nachhaltige Recycling von Aluminiumdosen und das Verhalten von Magnesium-Silizium-reichen Phasen von Getränkedosenblech. Hinzu kommen Arbeiten zur Verwertung metallhaltiger Schlämme, Pulver und Stäube, zur Charakterisierung von Metallschrotten durch Multisensorik und zum Einsatz der laserinduzierten Plasmaspektroskopie, die den Weg zu einem „Metallrecycling 4.0“ ebnen könnte. In den Bereich Elektroschrott fallen unter anderem Vorträge über die Cenelec 50625-zertifizierte Elektro(nik)-Schrottbehandlung, über die Effizienz von Urban Gold-Prozessen, über die optimierte Behandlung und Zerlegung von Haushaltskleingeräten sowie über das Verbundprojekt „Display“, dessen technische Gesamtlösung der Aufbereitung von Bildschirmgeräten und Leiterplatten dient.

Vor allem Lithium-Ionen-Batterien
Die Sparte „Batterien“ hätte gut und gerne auch in „Lithium-Ionen-Batterien“ umbenannt werden können, drehten sich doch fast sämtliche Reden mehr oder weniger um dieses Thema. So standen Umgang und Lagerung von Lithiumbatterien auf der Vortragsliste, ebenso das Brandrisiko von und Brandschutztechnologien für Lithium-Ionen-Batterien, deren sichere Aufbereitung durch thermische Konditionierung, die Vermeidung von Lithiumverlusten während des thermischen oder chemischen Recyclings, die problematische Kreislaufführung einiger Batterietypen und schließlich die Herstellung einer alternativen Nickel-Kobalt-Legierung aus der hydrometallurgischen Aufbereitung von Lithium-Ionen-Batterien. Ergänzend informiert ein ausführlicher Vortrag über die aktuelle Rechtslage des Batteriegesetzes und die Änderungsvorhaben des ministeriellen Arbeitsentwurfs.

Cloudbasierter Rohstoffhandel: vorteilhaft
Die letzten 80 Seiten des Tagungsbandes sind „Digitalisierung und Robotik“ gewidmet, wobei sich streng genommen nur ein – ausgesprochen interessanter – Beitrag auf robotergestützte Demontage konzentriert und über die Komponenten einer prototypischen Konzeptanlage berichtet – Stichworte: Robot Cognition Processor, System Perception Unit und Dissassembly Execution Unit. Die anderen Vorträge beleuchten die einzelnen Komponenten einer Prozessstrecke zum Ausschlachten von Leiterplatinen, die Optimierung von Steuerungselementen für Rohstoff- und Informationsflüsse in der Kreislaufwirtschaft sowie das Projekt „Recycling 4.0“, die Vorteile eines cloudbasierten Rohstoffhandels für die Metallschmelze und als letztes Thema modulare Beleuchtungssysteme als Dienstleistung.

Neu und vielfach prospektiv
Dieser Band 13 der genannten Schriftenreihe schließt in Informationsbreite und -tiefe nahtlos an die vorangegangenen Kongressberichte des Thomé-Kozmiensky-Verlags an. Durch Themen- und Referenten-Auswahl dürfte er erfolgreich zum Diskurs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft beitragen. In jedem Fall hält sein Leser ein interessantes Buch in der Hand, das teils aus der Praxis, teils aus der wissenschaftlichen Forschung neue und vielfach prospektive Informationen und Hinweise liefert. Das in den Artikeln enthaltene Hintergrundwissen der Autoren steht auch dann noch zum Nachschlagen und als Diskussionsgrundlage zur Verfügung, wenn die Aktualität des Artikels selbst nachgelassen haben wird.

In diesem Zusammenhang müssen sich die Herausgeber des Tagungsbandes eine kleine Kritik gefallen lassen. Der Band ordnet die Vorträge des Kongresses insgesamt fünf Kategorien zu, sodass die Beiträge zur Session „Gesamt- und Betriebswirtschaftliche Betrachtungen“ dem Buch-Kapitel „Rahmenbedingungen“ subsumiert wurden. In gleicher Weise wurden die Ergebnisse der „Metall“- und der „Elektro(nik)schrott“-Sitzungen im Kapitel „Metall und Elektronikschrott“ zusammengefasst. Zum besseren Finden beim späteren thematischen Nachschlagen wäre es empfehlenswert gewesen, der Sessions-Einteilung des Kongresses zu folgen. Das soll aber keinesfalls den Verdienst von Konferenzorganisatoren und Buchherausgebern schmälern, deren Wunsch, „ein gleichzeitig aktuelles und zukunftsweisendes Programm gestaltet zu haben“, voll in Erfüllung gegangen ist.

Recycling und Sekundärrohstoffe – Band 13, hrsg. von O. Holm, E. Thomé-Kozmiensky, D. Goldmann, B. Friedrich, Neuruppin 2020, ISBN 978-3-944310-51-0

(EU-Recycling 05/2020, Seite 50, Foto: O. Kürth)