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Sonderabfälle: Die Mengen in der EU werden steigen

Die Entsorgung belasteter Abfälle in Europa ist – trotz aller EU-weit einheitlich eingeführten Regularien – ein schwer überschaubarer Bereich. Die Statistikagentur Eurostat hat – auf den Daten von 2016 – jetzt einen Überblick über Mengen und Art der Stoffströme auf dem Kontinent vorgestellt.

Seit der Jahrtausendwende stieg die Menge jener Sonderabfälle, die EU-Mitgliedstaaten in andere Mitgliedstaaten oder außerhalb der EU lieferten, von vier auf rund 6,5 Millionen Tonnen, mit einer Spitze von 8,1 Millionen im Jahr 2007. Die Zunahme von 23 Prozent zwischen 2012 und 2013 erklärt sich aus der Zunahme von Exporten aus Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, während Schweden und Italien den größten Export-Rückgang an Gefahrstoffen verzeichnete.

Zwischen 2014 und 2016 zogen die Abfallmengen in der EU-28 wieder um sieben Prozent an, was auf steigende Exporte aus Dänemark, Deutschland, Luxemburg, Malta und dem Vereinigten Königreich zurückzuführen ist, während Frankreich, Griechenland und Lettland die Transporte drosselten. Auch die Niederlande, die zwischen 2005 und 2007 mit über drei Millionen Tonnen die europaweit größte Menge verbrachten, reduzierten diese bis 2016 auf etwas über 800.000 Tonnen.

Meist weniger als zehn Kilogramm
Die Tabelle zum grenzüberschreitenden Transport von Sonderabfällen führte von 2001 bis 2016 zumeist Luxemburg mit Mengen zwischen 150 und 200 Kilogramm pro Einwohner (KpE) an. 2016 exportierte das Land allerdings pro Kopf 626 Kilogramm an belastetem Aushub und Steinen, die zur Deponierung nach Deutschland verbracht wurden.

Die Niederlande – Zweitplatzierte – konnten mit zuerst circa 100 KpE die Transporte auf 48 KpE vermindern. 2016 lag Malta mit 253 KpE zwar hinter Luxemburg, aber noch weit vor Belgien mit 63, Irland mit 58 und Dänemark mit 48 KpE. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten exportierten weniger als zehn Kilogramm pro Einwohner.

Unterschiedliche Quellen
Vergleicht man die EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gewichtsanteile ihrer Sonderabfälle am gesamten Abfallaufkommen, so führte 2016 Estland die Tabelle mit rund 40 Prozent an. Es folgen Serbien mit 35, Montenegro mit knapp 20, Norwegen mit rund 14 und Bulgarien mit etwa elf Prozent; die Anteile der übrigen Nationen bewegen sich im einstelligen Bereich.

Aus welchen Quellen sich diese Abfälle zusammensetzen, ist von Land zu Land verschieden. In Estland beispielsweise resultiert ein Großteil der Sonderabfälle aus dem Abbau von Ölschiefer. In Deutschland hingegen produziert nach Darstellung des Trend- und Marktforschungsinstituts trend:research der Bereich Produktion und Gewerbe mit fast 36 Prozent den größten Anteil an gefährlichen Abfällen, gefolgt von Abfällen aus dem Bau- beziehungsweise Abbruchgewerbe mit 33 Prozent und Behandlungsanlagen mit 27 Prozent.

Verbrennung und Verwertung
Im genannten Zeitraum dominierten die Verbrennung sowie die Wieder- beziehungsweise Verwertung von Metallen und Metallgemischen. Im Jahr 2016 wurden 715.000 Tonnen mit und 572.000 Tonnen ohne energetische Nutzung verbrannt. Zuwächse sind auch im Bereich von Wiederverwertung/Recycling von Metallen (R4) und anorganischen Materialien (R5) zu verzeichnen.

Die Behandlung von Metallen nahm zwischen 2001 bis 2016 von 835.000 Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen zu. Die Verarbeitung von anorganischen Materialien expandierte zunächst bis 2008 von rund 400.000 auf 1,2 Millionen, um dann 2014 auf 815.000 Tonnen zu schrumpfen und 2016 eine neue Spitze mit 1,1 Millionen Tonnen zu erreichen. Die Deponierung entwickelte sich in den ersten Jahren von 122.000 auf 682.000 Tonnen und damit um 459 Prozent, musste bis 2013 eine Schwächeperiode hinnehmen, die die Menge auf 417.000 Tonnen dezimierte, um sich bis 2016 wieder auf 627.000 Tonnen zu bilanzieren. Somit hat unter dem Strich im Laufe der Jahre der Anteil der zu deponierenden Menge von 16 auf 26 Prozent zugelegt, während der Prozentsatz der belasteten Abfälle zur Rückgewinnung von 82 auf 73 sank.

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Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de

Agiert wie ein Binnenmarkt
Im Jahr 2016 verbrachten die EU-28-Mitgliedstaaten annähernd 91 Prozent ihrer Sonderabfälle in andere EU-28-Länder. EU-15-Mitgliedstaaten sandten 88 Prozent ihrer derartigen Abfälle an ihresgleichen. Die Exporte der EU-15-Staaten an EFTA-Länder sanken zunächst, stiegen aber bis 2016 auf 355.000 Tonnen. In den ersten Jahren wurde eine kleine Menge von belasteten Abfällen in Nicht-EU-Länder exportiert, doch wurden seit 2010 keine derartigen Bewegungen mehr registriert. Eurostat zieht daraus den Schluss, dass die Entwicklung der betreffenden 15 Jahre ein Zeichen dafür ist, „dass die Europäische Union zunehmend wie ein Binnenmarkt agiert“.

Kreuz und quer
Innerhalb dieses „Binnenmarkts“ bestehen allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Sonderabfallarten. So exportierten in Jahr 2016 beispielsweise Frankreich, Belgien und – wie erwähnt – Luxemburg insgesamt rund 731.000 Tonnen an belastetem Boden und Steinen in die Niederlande, nach Deutschland und nach Belgien. Rund 500.000 Tonnen an Festabfällen aus der Gasbehandlung wechselten ihren Bestimmungsort. Die Niederlande, Frankreich und Deutschland versandten Bleibatterien in der Größenordnung von etwa 300.000 Tonnen nach Spanien, Belgien und ebenfalls Deutschland.

Unter anderem wechselten auch 288.000 Tonnen an Bitumen-Mischungen, 234.000 Tonnen Altfahrzeuge, über 200.000 Tonnen Flugasche, 200.000 Tonnen Aushub und 191.000 Tonnen Altholz über Grenzen hinweg den Besitzer. Die überwiegende Mehrzahl der Transporte findet zwischen nord-, mittel- und südeuropäischen Akteuren statt. Einziger Exporteur aus Osteuropa ist Slowenien, das 33.000 Tonnen vorgemischte Abfälle ausführt; neben der Türkei (Altfahrzeuge) importiert nach Osteuropa lediglich Polen (vorgemischte Abfälle).

Mengen werden deutlich steigen
Unter dem Strich hat sich die Menge des exportierten Sondermülls im Zeitraum von 2001 bis 2016 von rund 6,3 auf 14,4 Millionen Tonnen erhöht. Und die Gefahrstoff-Mengen werden zukünftig aufgrund verschärfter rechtlicher Rahmenbedingungen, Neueinstufungen von Grenzwerten und zunehmender Engpässe bei den Verwertungskapazitäten deutlich weiter steigen.
So fallen in der EU beispielsweise demnächst Produkte mit mehr als einem Prozentanteil Titandioxin unter die gefährlichen Abfälle: Dann dürfen etwa 400.000 Tonnen an Lacken, Farben, Kunststoffen, Papier, Baustoffen, Stahl, Glas, Kosmetika, Pharmaprodukten, Textilien, Leder, Klebstoffen oder Importkohle nicht mehr ohne weiteres recycelt werden. Die neu geregelte Basler Konvention führt ihrerseits zu einem Exportverbot für gefährliche Kunststoffabfälle, was voraussichtlich die Abfallmenge in solchen Ländern anwachsen lässt, die derartige Materialien zuvor exportierten. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass die Vermischung von belasteten Abfällen eingeschränkt wird und durch Umlenkung bestehender Stoffströme zu Entsorgungsproblemen führt.

Keine grenzenlosen Behandlungskapazitäten
Zudem stehen mittelfristig – zumindest in Deutschland, aber vermutlich für viele andere EU-Nationen in ähnlichem Maße – nur unzureichende Entsorgungs- und Deponierungskapazitäten für Sonderabfälle zur Verfügung. Nicht alle potenziellen Verbrennungsanlagen können aufgrund ihres Alters über optimale Kapazitäten und Laufzeiten oder eine vorgeschriebene Zulassung nach dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz verfügen. Und der vorhandene Deponieraum der Klassen III und IV wird zwar auf 33 Millionen Kubikmeter Restkapazität geschätzt, ist aber begrenzt. Zumal dann, wenn die weitere Entsorgung von Altlasten fällig wird.

Lediglich die Corona-Krise dürfte zeitweilig bei den belasteten Abfällen zu Mengenverlusten führen. Einer Prognose der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft zufolge ist in Deutschland bei Gewerbeabfällen und Siedlungsabfällen aus Haushalten inklusive gefährlicher Abfälle bis Ende 2020 mit einem prozentualen Gesamtmengenrückgang zwischen 1,88 und 3,62 Prozent zu rechnen.

(EU-Recycling 06/2020, Seite 9, Foto: SC-Photo / stock.adobe.com)

 

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