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Auch mit Nebenprodukten lässt sich CO2 vermeiden

Klimaentlastung ist eine Aufgabe, der sich auch die Abfallwirtschaft zunehmend stellen muss. Inwieweit CO2-Vermeidung bei der Behandlung metallurgischer Sekundärrohstoffe bereits thematisiert wird, machte die erstmalige Web-Konferenz „Mineralische Nebenprodukte und Abfälle“ am 18. und 19. Mai 2020 deutlich.

Laut einer Datenabfrage unter 40 deutschen Schlackenaufbereitungsanlagen erreichte die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen und EBS-Kraftwerken mit Rostfeuerung im Jahr 2019 einen neuen Höchststand mit 24,1 Millionen Tonnen. Daraus resultierten 5,6 Millionen Tonnen an Frischschlacke inklusive rund 560.000 Tonnen an abgetrennten Metallen, die 477.671 Tonnen reine Metalle enthielten. Die Menge der auslieferungsfähigen Fertigschlacke betrug 4,7 Millionen Tonnen, erklärte Carsten Spohn, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen Deutschland. Hausmüll-Verbrennungsschlacken lassen sich in Lärmschutzwällen, im Straßen- und Erdbau sowie im Deponiebau einsetzen. Allerdings werden nur 18 Prozent der Schlacke bei technischen Bauwerken und fünf Prozent untertage verwertet: Bei 20 Prozent erfolgt eine Beseitigung auf Deponien, bei 51 Prozent eine Ablagerung.

Rund 6,4 Millionen Tonnen Entlastung
Bei der Verbrennung der rund 24 Millionen Tonnen und einem Umrechnungsfaktor von 0,387 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten (CO2eq) pro Tonne Abfall ergibt sich für 2018 eine Menge von 9,2 Millionen Tonnen CO2eq, zu der sich weitere geschätzte 200.000 Tonnen aus dem Verbrauch von Fremdenergie addieren. Andererseits bringen es Substitute zur Klimaentlastung – produzierter Strom, exportierter Prozessdampf und exportierte Fernwärme – auf insgesamt 14,3 Tonnen CO2eq. Hinzu kommen CO2-Gutschriften in Höhe von rund 1,64 Millionen Tonnen aus der Metallverwertung von 382.000 Tonnen Fe-Metallen sowie von 66.887 Tonnen an Aluminium und 28.666 Tonnen an Kupfer. Im Saldo ergibt das eine Entlastung von 6,4 Millionen Tonnen Emissionen beziehungsweise rund 0,269 Tonnen CO2eq pro Tonne Abfall.

Mineralik vernachlässigbar
Der Einsatz von Schlacke als mineralischem Ersatzbaustoff in Bauwerken betrug 2017 einer Umfrage gemäß 18 Prozent und damit rund 856.000 Tonnen, für die circa 3.300 Tonnen CO2eq gutgeschrieben werden können – gemessen an der Metall-Substitution eine eher vernachlässigbare Größe. Eine Verwertungsquote von 90 Prozent in technischen Bauwerken vorausgesetzt, würde sich die Höhe der Gutschriften auf 13.000 Tonnen CO2eq verfünffachen; aber auch dann entspräche sie lediglich zwei beziehungsweise einem Prozent der jeweiligen Metallverwertungsquoten.

Metallaufbereitung bei 20 Prozent
Alles in allem – resümierte Carsten Spohn – macht die Metallaufbereitung aus Hausmüllverbrennungs-Schlacke mittlerweile 20 Prozent der Klimaentlastung durch thermische Abfallbehandlung aus. Bei einem Gesamtbeitrag der Schlackenaufbereitung von rund 1,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr zum Klimaschutz besteht nach seiner Einschätzung durch den Ausbau von Verwertungsmöglichkeiten die Chance, diesen Beitrag um 13.000 Tonnen CO2-Äquivalente zu steigern.
Eine weitergehende, deutliche Steigerung sei aufgrund bereits hoher Abscheideraten von 90 Prozent bei Eisenmetallen und circa 60 Prozent bei Nichteisenmetallen nicht zu erwarten. Demgegenüber müsse der Anteil der Klimaschutzgutschriften aus der Verwertung der mineralischen Fraktion in der Gesamtbetrachtung als gering eingestuft werden. Deren Beitrag sollte durch Schlacke als Substitution für mineralische Primärrohstoffe wie Kies, Sand und Schotter verbessert werden.

Großer Anteil an Eisenhütten-Schlacken
Auf den speziellen Beitrag von Hüttensand zur CO2-Reduktion ging Thomas Reiche (FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V.) in seinem Vortrag ein. Zwar räumte er einen deutlichen Rückgang der Hochofenschlacke und des durch Granulation hergestellten Hüttensandes trotz hoher Nachfrage durch die Zementindustrie ein. Zudem würden zukünftig viel mehr Direktreduktionanlagen mit nachgeschalteten Elektroöfen eingesetzt, was zu sehr viel weniger Hochofen-Schlacke, weniger Hüttensand und komplett neuen Schlacketypen führen werde. Doch noch 2018 hatten Eisenhütten-Schlacken einen Anteil von 85 Prozent an den metallurgischen Nebenprodukten der Stahlindustrie.

Insgesamt wurden in diesem Jahr 13,2 Millionen Tonnen an derartigen Materialien produziert und 12,6 Millionen Tonnen – also 95 Prozent – stofflich genutzt. Von 8,82 Millionen Tonnen an Hochofenschlacke gingen 87,9 Prozent als Granulat in die Zementindustrie und 12,9 Prozent als glacierte Gesteinskörnung in den Straßenbau; dabei wurden rund eine Million Tonnen aus Lagern abgebaut. Die 3,75 Millionen Tonnen Stahlwerksschlacke fanden zu 72,9 Prozent Verwendung als Gesteinskörnung für die Baustoffindustrie, 17,2 Prozent als anlageninterne Kreislaufstoffe und 10,3 Prozent als Düngemittel; allerdings wurden auch 930.000 Tonnen zwischengelagert und 740.000 Tonnen deponiert.

CO2-Fußabdruck des Zements halbiert
Durch den Einsatz von Hüttensand in Zementwerken – so Reiche – werde der spezifische CO2-Fußabdruck des Zements halbiert. Das zeigt sich am Beispiel von CEM I-Zement, der laut Verein Deutscher Zementwerke zu 100 Prozent aus Primärrohstoffen bestand. FEhS wies nach, dass dem CEM III-Zement zu 60 Prozent Hüttensand beigemischt wird. 2018 belief sich der Einsatz von Hüttensand bei der Zementproduktion auf 5,2 Millionen Tonnen, wodurch 7,7 Millionen Tonnen CO2 eingespart wurden.

Insgesamt konnten durch die Verwendung von Hüttensand zur Zementherstellung die CO2-Emissionen in Deutschland seit 1946 um 200 Millionen Tonnen reduziert werden, was nach Darstellung von Thomas Reiche dem Einsatz von zehn leistungsstarken Kohlekraftwerken in Deutschland pro Jahr entspricht. Darüber hinaus können durch unveränderte Nutzung von Gesteinskörnung als industriellem Nebenprodukt im Straßen- und Wegebau – wie eine Studie der Claus­thaler Cutec zeigt – jährlich 44.000 Tonnen CO2-Äquivalente substituiert beziehungsweise eingespart werden. Mit dieser Menge an CO2-Äquivalenten ließen sich jeweils mehr als 5.000 Kilometer Straße bauen.

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Foto: wikimedia

Alternativ: Wasserstoff-Einsatz
Zusätzlich – erklärte Reihes Kollege David Algemissen (FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V.) – könnten Optimierungen und neue Prozesse zur Reduzierung von CO2-Emissionen in der Stahlindustrie führen. Hierbei werde in erster Linie an den Einsatz von Wasserstoff anstatt Kohlenstoff gedacht, da Wasserstoff aus regenerativen Energien gewonnen und als solcher gespeichert werden kann. Doch bremsen die noch zu geringen Wirkungsgrade der Wasserstofferzeugung über Elektrolyse sowie der Umstand, dass dem Einsatz von Wasserstoff im Hochofen Grenzen gesetzt sind, allzu hohe Erwartungen. Berechnungen gehen von einer möglichen Kohlenstoff-Substitution von etwa 30 Prozent durch Wasserstoff aus.

Schwierig: Direktreduktion
Als weitere Alternative bietet sich die Direktreduktion an, die Erze unter Verwendung von Gasen als Reduktionsmittel zu Eisenschwamm von bis über 95 Prozent Metallisierungsgrad verarbeitet. Der Einsatz von Erdgas mit Wasserstoffanteil resultiert in CO2-Einsparungen von 40 Prozent und könnte unter Umständen fast vollständig vermieden werden. Durch dieses Verfahren wird Eisenschwamm gewonnen, der aber erst im Elektrolichtbogenofen aufgeschmolzen werden muss, um weiter zu Rohstahl verarbeitet werden zu können.

Allerdings gibt es einige technische und wirtschaftliche Faktoren, die die Umsetzung erschweren. Dazu zählt, dass bei heutiger Stahlproduktion und einem durchschnittlichen Schrottanteil von 40 Prozent in Deutschland allein für diesen Industriezweig etwa 125 Terrawattstunden pro Jahr an CO2-neutraler Energie aus Wasserstoff benötigt würden – umgerechnet 7.000 Offshore-Windanlagen mit einer Leistung von fünf Megawatt.

Verringerung durch Dry-Mining-Technologie
Selbstredend wird es zukünftig auch neue oder modifizierte Recyclingverfahren geben, die von ökologischem Nutzen sind. Zu diesem Thema lieferte unter anderem Helen Gablinger (Hitachi Zosen Inova AG) einen Praxisbericht über die Dry-Mining-Technologie. Demnach kann eine Verbrennungsanlage, die Schlacke nass austrägt, einen Grate-for-Riddlings-Rost nachrüstet und den partiellen, trocken ausgetragenen Feinschlacke-Anteil mittels DryMining-Technologie aufbereitet, den Massenstrom um 30 Prozent verringern.

Das bewirkt – neben einer höheren Rückgewinnungsrate von Nichteisen-Metallen wie vor allem Aluminium – bei einer Tonne Schlacke eine Reduktion von 100 Kilogramm CO2-Äquvalenten. Dieses Verfahren könnte möglicherweise auch bei Abfällen für die Zementindustrie von Interesse sein. Helen Gablinger rechnet hoch, dass – würden ein Viertel der deutschen MVA-Schlacken aus trockener, gut fraktionierter und hochreiner Mineralik bestehen und in der Zementindustrie zum Einsatz kommen – es zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 670.000 Tonnen pro Jahr und einer Verminderung der Haldenbildung um eine Million Tonnen Schlacke pro Jahr führen könnte.

Warnung vor Phantasien
Vor Prognosen wie dieser, die Rohschlacken als eine Art nur noch nicht ausgeschöpfter Rohstoffminen ansieht, warnte jedoch Dieter Kersting (C.C. Holding GmbH). Durch ständig neue Phantasien, Technologieansätze, Marktteilnehmer oder Erlösererwartungen würden Übernahmeangebote erzeugt, die bei Einhaltung gesetzeskonformer Aufbereitungs- und Verwertungsschritte nicht zu halten seien. Die einzelnen Verwertungspfade seien aber von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nicht von politischen Vorgaben anhängig. Allerdings räumte Kersting ein, dass in der Zement- und Betonindustrie die „CO2-Relevanzen“ unter der Voraussetzung den Weg ebnen können, dass technisch geeignete Schlacke-Qualitäten produziert werden und die Normungshürden überwunden werden.

Metallische Reststoffe nicht vergessen
Dieses Argument trifft hauptsächlich auf Schlacken zu. Doch hat sich die Verarbeitung von Sekundärmaterialien zur Metallgewinnung bislang meist auf die Verwertung von metallischen Reststoffen – insbesondere Schrotten – beschränkt, kritisierte Gustav Hanke (Montanuniversität Leoben). Nebenprodukte aus der metallurgischen Verarbeitung seien hingegen wenig beachtet. Dabei würden – beispielsweise – überschlägig jährlich acht Millionen Tonnen verwertbares Jarosit aus der Zinkproduktion, 23 Millionen Tonnen Stahlwerkstäube sowie 1,5 Millionen Kupferstäube weltweit produziert, aber nicht genutzt. Und somit gingen Werte in Höhe von Milliarden Euro verloren.

Dagegen könne am Beispiel Jarosit nachgewiesen werden, dass im Idealfall durch Gewinnung von Zinkoxid im Abgas, Bleilegierung sowie Verwertung der fayalitischen Schlacke als Sand-Ersatz im Beton eine nahezu vollständige Verwertung des Materials denkbar ist. Die industrielle Realisierung, die einer Zero Waste-Lösung nahekommt, scheitert zurzeit allerdings an hohen Energiekosten. Dennoch – fasste Hanke seinen Vortrag zusammen – würden Nebenprodukte der metallischen Industrie eine vergleichsweise neue Rohstoffquelle bilden, die aufgrund zahlreicher Mängel in den derzeit verfügbaren Verfahren, fehlendem Wissen über enthaltene Materialien und nicht vorhandener Zertifizierungsschemata ungenutzt bleiben. Die potenziellen Ressourcen könnten hingegen den Verbrauch von Primärstoffen vermeiden helfen und den Abbau bestehender Deponien und Halden befördern.

Die Vorträge der Web-Konferenz vom 18. und 19. Mai 2020 sind abgedruckt unter Mineralische Nebenprodukte und Abfälle, Band 7: Aschen, Schlacken, Stäube und Baurestmassen, hrsg. S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D.G. Senk, H. Wotruba, H. Antrekowitsch, R. Pomberger, Neuruppin 2020, ISBN 978-3-944310-53-4.

(EU-Recycling 07/2020, Seite 10, Foto: ruhmal / stock.adobe.com)