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Entsorgung von pechhaltigem Straßenaufbruch in Deutschland: Nachhaltig geht anders

Während in den Niederlanden jährlich 650.000 Tonnen teerhaltiger Straßenaufbruch nachhaltig für die Wiederverwendung gereinigt wird, fehlen in Deutschland für die Entsorgung dieses Materials ein ganzheitliches Konzept und die erforderliche Infrastruktur. Warum das so ist, erklärte Ministerialrat a.D. Heinz-Ulrich Bertram auf der Web-Konferenz „Mineralische Nebenprodukte und Abfälle“ am 19. Mai 2020.

„Wir haben ein Problem, für dessen Lösung wir umgehend die Voraussetzung schaffen müssen und auch schaffen können“, postulierte Heinz-Ulrich Bertram. Das Problem besteht in der Entsorgung von pechhaltigem Straßenaufbruch, der zu 95 Prozent aus hochwertigem Mineralkorn besteht, aber auch fünf Prozent Bindemittel aus Steinkohlenteer oder -pech enthält. Dieses Abfallprodukt aus der Verkokung von Steinkohle weist einen hohen Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auf, die als gefährlicher Abfall gelten. Die unsachgemäße Verwendung von Steinkohlenteer zieht eine Reihe von Folgeproblemen nach sich und führt zu hohen Kosten: So soll die Wiederherstellung von zwölf Kilometern einer niedersächsischen Autobahn um die 27 Millionen Euro verschlingen. Das Steinkohlenteer-haltige Material lässt sich außerdem kaum vom Asphalt unterscheiden, dem als Bindemittel Bitumen beigegeben und der als nicht-gefährlicher Abfall eingestuft wird.

Weder ökologisch noch wirtschaftlich
Zur Diskussion um den Straßenaufbruch trug 2015 das Bundesverkehrsministerium bei. Mit Rückgriff auf eine Meldung des Bundesrechnungshofes, der die erneute Verwendung als „weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll“ erachtete, plädierte das Ministerium gegen den Wiedereinbau und für eine Ausschleusung aus dem Kreislauf.

2017 kam das ifeu-Institut im Auftrag des BDE zum Schluss, dass unter bestimmten Bedingungen die Deponierung des Materials „weniger umweltbelastend“ als eine thermische Behandlung sein kann. Das OLG München urteilte 2018 im Rahmen eines Vergabe-Nachprüfungsverfahrens, dass bei Ausschreibungen die Vergabestelle die Umweltauswirkungen der jeweiligen Entsorgung umfassend zu berücksichtigen habe. Der dafür nötige Bewertungsrahmen – kommentierte Bertram – würde für jeden festzustellenden Entsorgungsvorgang einen hohen Aufwand, rechtliche Unsicherheiten und erhebliche Verzögerungen bedeuten. Das würde in der Praxis zu noch mehr Schwierigkeiten führen, das eigentliche Entsorgungsproblem aber nicht aus der Welt schaffen.

Auf Entsorgungsnotstand hingewiesen
Mit der Verwertungsproblematik befasste sich im Januar 2020 auch der LAGA-Ausschuss für Abfalltechnik, beschloss aber lediglich ein weiteres Fachgespräch. Die Mantelverordnung ist in der Sachstandsdebatte keine Hilfe, da sie weder Problemlösungen noch Vorgaben für die Behandlung von pechhaltigem Straßenaufbruch enthält.

In der jetzt vorliegenden Fassung wird Ausbauasphalt wie Bauschutt bewertet. Dabei legten der BDE sowie mehrere Verbände aus der Bauwirtschaft bereits im Oktober 2019 eine gemeinsame Verbändeposition vor, in der sie auf den Entsorgungsnotstand bei teer- beziehungsweise pechhaltigem Straßenaufbruch aufmerksam machten und von der Politik Verwertungsalternativen forderten. Eine langfristige Lösung könne im Aufbau nationaler thermischer Behandlungsanlagen liegen.

Verwertung vor Beseitigung
Den rechtlichen Rahmen gibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz vor. So heißt es in § 6 Abs. 2 KrWG zur Abfall­hierarchie: „Nach Maßgabe der §§ 7 und 8 soll diejenige Maßnahme Vorrang haben, die den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet.“ Für die Betrachtung der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sei der gesamte Lebenszyklus des Abfalls zugrunde zu legen, inklusive Emissionsmenge, Ressourcenschonung, Energieverbrauch bzw. -gewinnung und Schadstoffanreicherung. Laut § 7 Abs. 2 KrWG gilt zudem eine Verpflichtung des Erzeugers oder Besitzers von Abfällen zur Verwertung, die Vorrang vor der Beseitigung besitzt.

Behandlungskapazitäten fehlen
Schon jetzt gibt es einen erheblichen Entsorgungsbedarf für pechhaltigen Straßenaufbruch beziehungsweise Ausbauasphalt. Da die Behandlungskapazitäten in Deutschland fehlen, bleibt in vielen Regionen die Deponierung als einzige Entsorgungsmöglichkeit übrig. Die Folgen: Deponiebedarf sowie Entsorgungskosten steigen, die Abhängigkeit von wenigen Deponiebetreibern nimmt zu, und es entstehen keine Investitionsanreize für Anlagen zur thermischen Behandlung. Darüber hinaus wird das knappe Deponievolumen für die Ablagerung eines Materials verwendet, das zu 95 Prozent aus potenziell verwertbarem Mineralkorn besteht, aber dadurch ungenutzt bleibt.

Vier Entsorgungsalternativen
Für die Entsorgung von pechhaltigem Straßenaufbruch stehen vier Alternativen zur Disposition. So kann das Material in der Straße verbleiben, in hydraulisch gebundene Tragschichten wieder eingebaut werden, Verwertung als Deponiebaustoff finden oder dorthin zur Beseitigung kommen oder eine thermische Behandlung erfahren. Die Verfahren haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.

Verbleibt der Ausbruch im Straßenkörper, entwickeln sich zwar keine unmittelbaren Umweltschäden. Bei einem späteren Ausbau besteht aber das Risiko einer Emission von Schadstoffen und es fallen Entsorgungskosten an. Auch der Wiedereinbau von teerhaltigem Material in hydraulisch gebundene Tragschichten verursacht keinen unmittelbaren Schaden für die Umwelt. Doch entstehen – der neue Werkstoff kann nur einmal zur Sub­stitution von Primärstoffen eingesetzt werden – neben hohen Kosten neue Altlasten, die die enthaltenen Schadstoffe verschleppen, durch das Bindemittel Zement die Umwelt belasten, die spätere Abfallmenge vergrößern, weiteres Deponievolumen benötigen und die Entsorgung auf nachfolgende Generationen verlagern. Zudem ist das Material in Tragschichten nur bei Grunderneuerung oder Neubau einsetzbar.

Nicht direkt umweltschädigend
Die direkte Ablagerung von Teer- oder Pech-belastetem Asphalt wirft ähnliche Probleme auf: Die langfristige Verknappung von Deponievolumen führt zunehmend zur Kostensteigerung. Außerdem sollte der Raum nicht behandelbaren Mineralik-Abfällen vorbehalten sein. Zudem bleibt das hochwertige Mineralkorn dem Kreislauf durch Deponierung unwiederbringlich entzogen, selbst wenn das die Umwelt nicht unmittelbar schädigt.

Die thermische Behandlung gilt zwar auch als nicht direkt umweltschädigend, ist aber durch Abluftproduktion und Energieverbrauch keineswegs klimaneutral. Dennoch sprechen triftige Gründe für diesen Entsorgungsweg: Durch ihn gelingt die dauerhafte Zerstörung der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, er ermöglicht die Rückgewinnung mineralischer Rohstoffe und er bietet – auch im Hinblick auf kommende Generationen – eine dauerhafte Lösung. Darüber hinaus sind die betreffenden Anlagen auch zur Behandlung von Ausbauasphalt nutzbar, und die Entsorgungskosten werden sich in den entsprechenden Anlagen durch Wettbewerb einpendeln.

Mit wachsendem Erfolg
Aus diesen Gründen plädiert Bertram für ein Verbot des Wiedereinbaus von teerhaltigem Straßenaufbruch in hydraulisch gebundene Tragschichten und – nach einer Übergangszeit – für ein Deponieverbot. Demgegenüber sei die thermische Behandlung von pechhaltigem Straßenaufbruch nachhaltig, weil sie die Schadstoffe dauerhaft zerstört, Ressourcen wie Deponievolumen und mineralische Rohstoffe schont und zukünftige Generationen entlastet. Dass dieser Entsorgungsweg funktioniert, zeigt ein Blick in die Niederlande. Dort betreibt die Recycling Kombinatie REKO B.V. seit 2006 mit wachsendem Erfolg eine thermische Reinigungsanlage für teerhaltigen Straßenaufbruch. Und hat bei einem Investitionsvolumen von rund 125 Millionen Euro jetzt mit dem Bau einer zweiten Anlage zur Behandlung von 1,2 Millionen Tonnen jährlich begonnen.

Der Vortrag ist – zusammen mit einem Bericht über die neue REKO-Anlage – abgedruckt unter Mineralische Nebenprodukte und Abfälle, Band 7: Aschen, Schlacken, Stäube und Baurestmassen, hrsg. S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D.G. Senk, H. Wotruba, H. Antrekowitsch, R. Pomberger, Neuruppin 2020, ISBN 978-3-944310-53-4.

(EU-Recycling 07/2020, Seite 17, Foto: Pixabay)

 

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